Mitterlehner und Ehrenfreund verleihen Wittgenstein-Preis an die Byzantinistin Claudia Rapp. FWF feiert 20 Jahre START/Wittgenstein.
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Im Rahmen des START/Wittgenstein-Fests, welches heuer ganz im Zeichen des 20-jährigen Jubiläums dieser beiden FWF-Exzellenzprogramme stand, wurde der diesjährige Wittgenstein-Preis von Vizekanzler und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner sowie FWF-Präsidentin Pascale Ehrenfreund an die Byzantinistin Claudia Rapp vom Institut für Byzantinistik und Neogräzistik von der Universität Wien verliehen.
Daneben erfolgte die Ehrung der acht, dieses Jahr in das START-Programm aufgenommenen SpitzennachwuchswissenschafterInnen durch Staatssekretär Harald Mahrer sowie – entsprechend den Fachrichtungen der ForscherInnen – Vizepräsidentin Christine Mannhalter (Biologie und Medizin), Vizepräsident Hermann Hellwagner (Naturwissenschaften und Technik) sowie Vizepräsident Alan Scott (Geistes- und Sozialwissenschaften). Insgesamt werden in den kommenden fünf bzw. sechs Jahren den neun ForscherInnen rund elf Millionen Euro für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zur Verfügung stehen.
„Diese Preise sind nicht nur eine prestigeträchtige und breitenwirksame Anerkennung für herausragende Leistungen, sondern auch Basis für neue wertvolle Erkenntnisse im Bereich der Grundlagenforschung. Die hohen Fördersummen geben den Forscherinnen und Forschern maximale Freiheit für die Entfaltung ihrer Ideen. Die diesjährige Wittgensteinpreisträgerin ist ein Beleg für die exzellente Geistes- und Kulturwissenschaft in Österreich“, gratulierte Wissenschaftsminister Mitterlehner den PreisträgerInnen 2015 und weiter: „Für junge Spitzenforscher bedeutet die Aufnahme in das hoch kompetitive START-Programm ein Sprungbrett, das sie sowohl für ihre eigene Entfaltung als auch zur Stärkung ihrer Disziplin und des Standortes nützen können.“
Zu feiern gab es in diesem Jahr neben dem Jubiläum auch eine Premiere. Erstmals wurde der von der „Dr. Gottfried und Dr. Vera Weiss Wissenschaftsstiftung“ finanzierte und vom FWF abgewickelte Weiss-Preis an Kay Helfricht vergeben. Die Ehrung fand durch Staatssekretär Harald Mahrer und den Vorstandsvorsitzenden der Weiss-Stiftung Rudolf Bauer statt.
„Mit privat finanzierten Initiativen wie dem Weiss-Preis werden Spielräume für Spitzenforschung zusätzlich zu den öffentlichen Beiträgen erhöht. Der Weg der Weiss-Stiftung ist absolut der Richtige. Initiativen wie diese sind die Saat, die wir für die Zukunft der Wissenschaft brauchen. Denn für den Innovationsstandort Österreich müssen wir alle Potenziale gemeinsam heben und nutzen“, so Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer.
„Der Wittgenstein-Preis und das START-Programm stehen seit 20 Jahren für wissenschaftliche Exzellenz made in Austria, funded by FWF und beweisen eindrucksvoll, welch hohes Potenzial Österreich in der Grundlagenforschung hat. Ich darf der Wittgenstein-Preisträgerin, Claudia Rapp, sowie den acht jungen Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern, die neu in das START-Programm aufgenommen wurden, seitens des FWF sehr herzlich gratulieren. Sie haben sich in einem extrem kompetitiven Umfeld durchgesetzt. Diese außerordentliche Leistung kann nicht hoch genug bewertet werden“, erklärte Pascale Ehrenfreund in ihrer Funktion als FWF-Präsidentin.
Die gebürtige Berlinerin Claudia Rapp ist seit 2011 Professorin und derzeit Vorständin des Instituts für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien, sowie seit 2012 Leiterin der Abteilung Byzanzforschung des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Nach ihren Studien der Geschichte, Alt-Griechisch sowie Byzantinistik an der Freien Universität Berlin promovierte Rapp 1992 an der Oxford University. Im selben Jahr ging sie als Visiting Lecturer an die UCLA in den USA. Von 1993 bis 1994 war Rapp Assistant Professor am Department of Classics der Cornell University, bevor sie 1994 als Assistant Professor zurück an die UCLA ging, wo sie von 2006 bis 2011 Full Professor am Department of History war. Im Bereich Wissenschaftsmanagement war Rapp von 1998 bis 1999 Präsidentin der Byzantine Studies Conference und von 2009 bis 2010 Präsidentin der Byzantine Studies Association of North America. Seit 2014 ist sie Präsidentin der Österreichischen Byzantinischen Gesellschaft. Im Jahr 2013 wurde Claudia Rapp zum korrespondierenden bzw. 2014 zum wirklichen Mitglied der ÖAW gewählt.
Rapps Forschungsinteresse zielt auf die gelebte Realität von sozialen und kulturellen Phänomenen und stellt etablierte Erklärungsmuster in Frage. Viele ihrer Publikationen entspringen einer intensiven Beschäftigung mit hagiographischen Lebensbeschreibungen von heiligen Männern und Frauen, die in einzigartiger Weise das alltägliche Leben und die Anliegen und Mentalitäten der Mittel- und Unterschichten fernab von der Reichshauptstadt Konstantinopel beleuchten. Methodisch in der Grundlagenforschung, insbesondere der Handschriftenkunde verankert, widmet sich Rapp auch der Erforschung von kulturellen und linguistischen Vernetzungen, so z.B. durch die Arbeit mit Palimpsesthandschriften im Katharinenkloster im Sinai, deren ausradierte Schriften in neun Sprachen mithilfe von digitalen Methoden wieder lesbar gemacht werden.
Die Förderung durch den Wittgenstein-Preis wird es ermöglichen, diesen Fragestellungen – sowohl innerhalb von Byzanz als auch im Kontakt mit dem westlichen Europa und dem Nahen und Fernen Osten – in drei Themenbereichen nachzugehen: Mobilität von Menschen und Objekten, Mobilität von Menschen und Ideen, sowie Kulturelle Mobilität und Soziale Praxis. Dabei wird die unerlässliche Grundlagenforschung anhand von Handschriften und anderen Artefakten ergänzt durch Analyse und Interpretation, auch im internationalen Dialog. Wissenschaftliche Ergebnisse sollen im Rahmen von Colloquia und Konferenzen diskutiert, durch Publikationen verbreitet, und mithilfe des Internet und durch öffentliche Veranstaltungen, auch im schulischen Bereich, einem breiteren Publikum vermittelt werden.
Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs höchst dotierter und prestigeträchtigster Wissenschaftspreis, der seit 1996 durch den FWF vergeben wird. Wittgenstein-PreisträgerInnen stehen für wissenschaftliche Forschungsarbeiten bis zu 1,5 Mio. € für die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung. Der Wittgenstein-Preis ist ein „Dry prize“, das heißt, die Gelder stehen ausschließlich für die intendierte Forschung zur Verfügung.
Neben dem Wittgenstein-Preis wurden acht Spitzen-NachwuchsforscherInnen aus 82 Bewerbungen in das START-Programm aufgenommen. Die ebenfalls seit 1996 vergebene START-Auszeichnung ist die höchst dotierte und anerkannteste FWF-Förderung für SpitzennachwuchsforscherInnen, die aufgrund ihrer bisher geleisteten wissenschaftlichen Arbeit die Chance erhalten sollen, in den nächsten sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungsarbeiten zu planen, eine eigene Arbeitsgruppe auf- bzw. auszubauen und diese eigenverantwortlich zu leiten. Nach drei Jahren haben sie sich einer Zwischenevaluierung zu stellen. Die START-Projekte sind mit jeweils bis zu 1,2 Mio. € dotiert.
Sowohl das START-Programm als auch der Wittgenstein-Preis sind für alle wissenschaftlichen Disziplinen offen.
Die im Jahr 2015 neu in das START-Programm aufgenommenen WissenschafterInnen – in alphabetischer Reihenfolge – sind:
Christoph Aistleitner | Benjamin Peter Lanyon |
Ivona Brandić | Gareth S. Parkinson |
Marcus Huber | Rupert Seidl |
Kristina Stoeckl | Caroline Uhler |
Der Entscheidungsvorschlag – basierend auf Fachgutachten ausländischer ExpertInnen – wurde von der Internationalen START-/Wittgenstein-Jury zusammengestellt. Die Jury setzt sich aus renommierten WissenschafterInnen aus dem Ausland zusammen, um eine bestmögliche Objektivierung der Entscheidung sicherzustellen. Die Jury tagte Ende letzter Woche unter der Vorsitzführung von Jan Ziolkowski, Professor für Latein des Mittelalters und Direktor der Dumbarton Oaks Research Library and Collection der Harvard University, USA.
Link zur Pressemappe (pdf, 2,54MB)
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Kontakt:
Marc Seumenicht
Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation