Soziale Netzwerke und Big Data
In sozialen Netzen verschwimmen die Grenzen des Privaten und Öffentlichen. Welche Risiken und Chancen das birgt, haben der Medienexperte Christian Fuchs und die Leiterin der Österreichischen Datenschutzbehörde Andrea Jelinek bei der 50. Ausgabe der Veranstaltungsreihe AM PULS des Wissenschaftsfonds FWF diskutiert.

Sie sind keine Unternehmen im traditionellen Verständnis, sie verkaufen keine Dienstleistungen und ihre Nutzung ist gratis. Und dennoch zählen sie zu den finanzstärksten Firmen weltweit, denn sie handeln mit „Big Data“ wie der Medien- und Kommunikationswissenschafter Christian Fuchs bei der Jubiläumsausgabe von AM PULS am 6. Juni 2016 betonte. Die Rede ist von sozialen Plattformen wie Google, Facebook, Youtube und Co. In der Forbes-Liste 2016 der 2.000 größten Unternehmen der Welt nimmt Google mit einem Gewinn von 16,3 Milliarden Dollar Platz 27 ein. Facebook steht in der Forbes-Liste an 188. Stelle und verbuchte 2015 3,7 Milliarden Gewinn.
Chancen und Risiken
Google und Facebook sind die „weltgrößten Werbeagenturen“, denn sie handeln mit personalisierten Werbeflächen, so Fuchs. Der Experte lehrt und forscht an der University of Westminster in London. Mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF hat er eine Studie zu „Sozialen Netzwerken in der Überwachungsgesellschaft“ durchgeführt. Dabei hat der Medienexperte Nutzerinnen und Nutzer nach den Chancen und Risiken der sozialen Medien befragt und ihr Wissen zum Thema Datenschutz und Privatsphäre erhoben. Dass ein Facebook-Profil mit der Zustimmung zur Nutzung „sämtlicher Informationen, die wir über dich haben, um dir relevante Werbeanzeigen anzuzeigen“, einhergeht, dessen sind sich die wenigsten bewusst, wie die Studie zeigte. – Das Ergebnis überrascht nicht, denn wer liest Datenschutzbestimmungen, die meist seitenlang, mit versteckten Informationen, grafisch monoton und für den Laien oft unverständlich präsentiert werden?
Wissenslücken und Skepsis
Insgesamt haben rund 75 Prozent der Befragten ein geringes Wissen über Datenschutz und Überwachung. Gleichzeitig zeigen sich 90 Prozent besorgt um ihre Privatsphäre, und 82 Prozent lehnen personalisierte Werbung ab. Besorgt zeigen sich Nutzerinnen und Nutzer insbesondere, beim Thema „Arbeit“. Denn das Öffentliche und Private würde in den sozialen Medien verschwimmen, so Fuchs. Und Arbeitgeber beobachten heute sehr genau, was in den sozialen Medien passiert. Die Rechtsprechung sei hier mit neuen Fragen konfrontiert, verweist der Experte auf eine Problematik der sozialen Medien.
Neuerungen im Datenschutzrecht
„Jeder hat ein Grundrecht auf Datenschutz“, erklärte die Juristin Andrea Jelinek bei der Veranstaltung im Theater Akzent in Wien. Die Leiterin der Österreichischen Datenschutzbehörde (dsb) berichtete über die Kompetenzen der Behörde und schickte eine Empfehlung an das Publikum vorweg: „Ob beim Online-Einkauf oder bei anderer Nutzung, lesen Sie die Datenschutzbestimmungen.“ Sollten diese nicht klar sein, habe jeder das Recht, innerhalb von acht Wochen vom „Auftraggeber“ zu erfahren, welche Daten dieser speichert, so Jelinek. Im Falle des viel diskutierten „Rechts auf Vergessenwerden“ – wenn Nutzerinnen und Nutzer Inhalte nachträglich aus dem Internet löschen wollen –, hat der Europäische Gerichtshof in einem Google-Urteil 2014 ein Exempel statuiert, und erklärt, dass Inhalte in bestimmten Fällen gelöscht werden müssen, so die Expertin zur aktuellen Rechtslage. Ein europaweit einheitliches Regelwerk über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten tritt 2018 durch die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Dort ist nun erstmals auch das Recht auf Vergessenwerden verankert. Die Datenschutzbehörde in Österreich ist 2014 aus der früheren Datenschutzkommission hervorgegangen. Die Behörde ist eine Anlaufstelle für Personen, die sich durch Unternehmen, Nachbarn oder Behörden in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt sehen.
Im Dialog mit der Öffentlichkeit
Die Veranstaltungsreihe AM PULS ist eine Initiative des Wissenschaftsfonds FWF in Kooperation mit der Wiener Agentur für Wissenschaftskommunikation, PR&D - Public Relations für Forschung & Bildung. Das Wissenschaftsformat lädt seit 2007 die interessierte Bevölkerung zum Dialog mit der Wissenschaft. Renommierte Forscherinnen und Forscher berichten bei AM PULS aus ihrem Arbeitsalltag, über neue Methoden und Erkenntnisse und vermitteln dabei die Bedeutung der Wissenschaft für die Gesellschaft. Die Themen der Reihe spiegeln die Vielfalt der vom FWF geförderten Projekte aus der Grundlagenforschung wider und reichen von der Kometenlandung über die Bewusstseinsforschung bis zur Umweltgeschichte.
Terminvorschau
Die nächste AM-PULS-Veranstaltung zum Thema „Suizid – Tabuthema mitten in der Gesellschaft“ findet am 28. September 2016 im Theater Akzent in Wien statt. Eintritt frei. Anmeldungen an schnell(at)prd.at
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