Medienkrieg in Österreich-Ungarn - Kriegsfotografie als Propaganda im Ersten Weltkrieg

Erstmals in der Geschichte des Krieges wird im Ersten Weltkrieg die Fotografie umfassend als Propagandamittel eingesetzt und so das eigene Nationalgefühl gestärkt und die Kriegsmacht demonstriert. Dies ist das Ergebnis einer vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten fotohistorischen Analyse des Fotobestandes am Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Ein Großteil des österreichischen Bildmaterials wurde vom k. u. k. Kriegspressequartier sogar in Auftrag gegeben und war damit ein gezielt genutztes Propagandainstrument.

Fotografische Luftaufklärung im Ersten Weltkrieg. Die Aufnahme stammt von einem namentlich nicht bekannten Fotografen der österreichisch-ungarischen Kriegsvermessungsabteilung Nr. 7 und zeigt einen Doppeldecker der 13. Flieger-Kompanie in Kolomea, Galizien, vermutlich Anfang 1916 © Für redaktionelle Zwecke bei Nennung des Copyrights kostenfrei: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien. [K 31763]

Der systematische Einsatz von Massenmedien im Dienst des Krieges ist spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg bekannt. Neben dem gesprochenen und geschriebenen Wort sollten vor allem Bilder die Stärken der eigenen Kriegsführung demonstrieren und deren Schwächen kaschieren. Tatsächlich geht ein solcher Medienkrieg aber bereits auf den Ersten Weltkrieg zurück. Durch die Analyse einer mehr als 33.000 Fotos (Original-Glasplattennegative und Abzüge) umfassenden Sammlung von Kriegsfotografien lässt sich dieses Bild nun belegen. Der Großteil der Aufnahmen stammt von ost- und südosteuropäischen Kriegsschauplätzen.


Tote sind Tote des Gegners

Der aus dem Ersten Weltkrieg stammende Foto-Bestand am Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek - es handelt sich im internationalen Vergleich um einen sehr umfangreichen und gut erhaltenen Fundus aus dieser Zeit - wurde von dem österreichischen Fotohistoriker Anton Holzer erforscht. Mittels einer computerunterstützten Projektdatenbank wurde eine Bildauswahl mit fotohistorischen Methoden genauer untersucht. Zu den einzelnen Bildern wurden möglichst viele Informationen - Fotograf, Region, Thematik, historische Hintergründe - gesammelt. Vergleichsstudien in ost- und südosteuropäischen Archiven lieferten ergänzendes Material. "Anfänglich", so führt Holzer aus, "wurden die Fotografien vor allem im Vermessungswesen eingesetzt und neben anderen Medien, etwa der Zeichnung und der Lithografie, zur allgemeinen Dokumentation des Kriegsgeschehens verwendet."

Bald aber erkannte man das Potenzial der Fotografie als Propaganda-Mittel. Fotografien der Kriegsschauplätze sollten den eigenen Kampf heldenhaft, tapfer und erfolgreich darstellen. Dazu wurden die Aufnahmen einer strengen Zensur unterworfen. "Viele Aspekte des Krieges durften im Interesse einer zielgerichteten Medien-Propaganda nicht abgebildet werden. So waren die toten Soldaten auf den Schlachtfeldern immer Tote des Gegners. Die Hinweise auf eigene Tote blieben indirekt: Abgelichtet wurden nur Beerdigungen und Gedenkfeiern", so Holzer.


Mobilisierung des fotografischen Blicks

Zur Umsetzung dieses Bild-Propaganda-Einsatzes wurden professionelle Fotografen offiziell vom k. u. k. Kriegspressequartier beauftragt. In der zweiten Kriegshälfte wurden zunehmend auch Amateurfotografen in dieses Propagandanetz eingespannt. Die zensurierten Aufnahmen wurden an die in- und ausländische Presse weitergereicht, in Ausstellungen gezeigt und als Fotoplakate ausgehängt. "Auffallend ist, dass diese Fotografen nicht nur den Krieg an der Front dokumentieren, sondern auch abseits vom Kriegsgeschehen die gewaltige Logistik des Krieges festhielten.

In diesen Fotografien wird die riesige Maschinerie des Krieges sichtbar. Der Erfolg der österreichischen Kriegsanstrengungen wurde in allen Bereichen vorgeführt. Das zeigen Fotos von Telefon- und Funkanlagen, vom erfolgreichen Bahn- und Straßenbau, von Nachschublagern sowie von Nahrungsmittellieferungen", erläutert Holzer. Aber auch auf den Fotos von erbeuteten Waffen und gefangenen Soldaten, von Flüchtlingen und Zwangsarbeitern lässt sich der propagandistische Blick des Krieges festmachen.

Insgesamt macht das Forschungsprojekt deutlich, wie weit die systematische Einbettung der Kriegsberichterstattung in den militärischen Apparat zurückreicht. Für den FWF zeigt dieses Projekt, wie rasch Grundlagenforschung einen tagesaktuellen Bezug herstellen kann und wie wichtig deshalb die Förderung solcher Projekte ist. Denn der propagandistische Einsatz von Massenmedien erlebt gerade jetzt im Irak-Konflikt einen traurigen Höhepunkt.


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Wien, 14. Juni 2004