Unconscious Bias im Entscheidungsverfahren

Der Begriff unconscious bias (unbewusste Vorurteile) bezeichnet das Phänomen kognitiver Verzerrungen und beschreibt den Prozess, die Welt zu kategorisieren. Unbewusste Vorurteile entstehen auf Basis bisheriger Erfahrungen und spielen bei Entscheidungen eine Rolle. Jeder Mensch macht solche gedanklichen Abkürzungen, denn sie ermöglichen eine erste, schnelle Orientierung, um die Komplexität des Alltags und damit verbundener Eindrücke zu reduzieren. Bis zu einem gewissen Grad ist folglich jede:r voreingenommen.

Unbewusste Vorurteile können im wissenschaftlichen Begutachtungsprozess allerdings für den Anspruch einer fairen und objektiven Beurteilung (zum Beispiel von Forschungsanträgen) hinderlich sein. Darüber hinaus stehen unbewusste Vorurteile oft im Widerspruch zu formulierten Überzeugungen und Werten.

In den letzten Jahren ist unconscious bias immer mehr ins Licht der Forschung und Öffentlichkeit gerückt, auch aufgrund aktueller Forschungserkenntnisse. So zeigt etwa der Nobelpreisträger Daniel Kahneman, dass Entscheidungen selten aufgrund rein rationaler Kriterien getroffen werden, sondern durch unbewusste Vorurteile beeinflusst und verzerrt werden.

Mit den unten dargestellten Informationen will der FWF sensibilisieren und die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet zusammenfassen. So soll das Bewusstsein für die Wirkung unbewusster Vorurteile auch bei Entscheidungsträger:innen im Rahmen der Beurteilung wissenschaftlicher Leistungen geschärft und vertieft werden. Durch die Sensibilisierung und Bewusstmachung soll eine faire, wissenschaftliche Beurteilung gewährleistet werden, um allfällige Folgen für unterrepräsentierte Gruppen zu verhindern.

Ungleichheiten in der Wissenschaft: Die Leaky Pipeline …

Ungleichheiten zwischen Forscher:innen zeigen sich in der europäischen Wissenschaftslandschaft zum einen im Hinblick auf die Verteilung in den Disziplinen und zum anderen im Hinblick auf die Hierarchieebenen.

Während Frauen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) weiterhin unterrepräsentiert sind, gilt dies in Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften für Männer. Grundsätzlich sind Frauen jedoch auf den höheren Hierarchieebenen des Wissenschaftssystems deutlich unterrepräsentiert, unabhängig von den Disziplinen. Im Forschungssystem (insbesondere in den MINT-Disziplinen) spricht K. E. Grogan 2019 in diesem Zusammenhang von der „Leaky Pipeline“.

… und ihre Konsequenzen für die Spitzenforschung

Diese Ungleichheiten sind für das Recruiting von Frauen und für die Vergabe von Forschungsmitteln relevant: Im internationalen Vergleich beantragen Frauen seltener und geringere Summen an Forschungsgeldern als ihre männlichen Kollegen und haben oft trotz gleicher Qualifikation eine geringere Erfolgswahrscheinlichkeit. Topqualifizierte Wissenschaftlerinnen können dadurch ihr Potenzial nicht vollständig entfalten und in manchen Fällen kehren viele Frauen der Wissenschaft den Rücken – ein erheblicher Verlust für Wissenschaft und Forschung.

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