Begriffe und Definitionen

Die Gestaltung der FWF-Antragsrichtlinien zielt darauf ab, Geschlechts- und Genderanalysen in die Grundlagenforschung zu integrieren. Dabei geht es um die Forschungsinhalte, nicht um die Beteiligung von Frauen im Forschungsteam.

Dieses Video der EU-Kommission erläutert den Unterschied und zeigt Beispiele für das oft unerwartete Auftreten der Genderdimension in verschiedenen Wissenschaftsgebieten. Grundsätzlich gilt: Alle Forschungsvorhaben, die Personen oder Personengruppen als Forschungsgegenstand betreffen, weisen Geschlechter- und Genderkomponenten auf. Wenn Personen oder Personengruppen nicht Gegenstand der Forschung sind, sollte danach gefragt werden, ob sie von den Ergebnissen der Forschung im Alltag betroffen sein können. Ist dies der Fall, können auch diese Projekte Geschlechts- und Genderkomponenten beinhalten.

In den Förderanträgen werden Forschende aufgefordert darauf einzugehen, auch wenn das Projekt nach Meinung der Antragsteller:innen keine derartigen Komponenten enthält. Der erste Schritt auf dem Weg zur Integration der Geschlechts- und Genderdimension besteht darin, sich mit den relevanten Begriffen, ihrer Bedeutung und dem zugrunde liegenden Verständnis vertraut zu machen. Beachten Sie dazu bitte die Checkliste für Antragsteller:innen sowie die unten stehenden Begriffserklärungen und weiterführende Materialen und Informationen am Ende der Seite.

Geschlecht und Gender

Mit dem Begriff Geschlecht werden im Alltag meist biologische Unterschiede assoziiert, die im Englischen im Gegensatz zu Gender als sex bezeichnet werden. Was genau Geschlecht in Medizin und Biologie bedeutet, hat sich historisch vielfach geändert und ist immer abhängig von gesellschaftlichen Normen. Heute wird Geschlecht mehrdimensional verstanden. Das biologische Geschlecht ist also nicht die Grundlage von Gender, sondern ein Teil davon. Der Begriff Gender vermeidet eine Fixierung auf Biologie und signalisiert vielmehr, dass Geschlecht keine „natürliche“, sondern auch eine soziale Gegebenheit ist. Gender markiert das Zusammenspiel aus biologischen Faktoren wie dem Chromosomensatz, historischen und sozialen Faktoren wie der geschlechtlichen Arbeitsteilung, kulturellen Faktoren wie Kleidung, Haarschnitt oder der Art, Menschen anzusprechen, und rechtlichen bzw. politischen Faktoren wie der Namensgebung, die eine eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht erzwingt. Gender bringt auch zum Ausdruck, dass es nicht „die Männer“ und „die Frauen“ und „das dritte Geschlecht“ als einheitliche Gruppen gibt.

Gender equality (Geschlechtergleichstellung)

Gender equality ist eine Situation, in der alle Mitglieder einer Gesellschaft ihre persönlichen Fähigkeiten frei entwickeln und freie Entscheidungen treffen können, ohne durch strikte geschlechtsspezifische Rollenmuster eingeschränkt zu werden, und in der die unterschiedlichen Verhaltensweisen, Ziele und Bedürfnisse der unterschiedlichen Geschlechter in gleicher Weise berücksichtigt, anerkannt und gefördert werden.

Equal opportunities of all genders (Chancengleichheit aller Geschlechter)

Equal opportunities of all genders ist gegeben, wenn es keine geschlechtsbedingten Barrieren gibt, die einer gleichberechtigten Teilnahme einer Person am wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben im Wege stehen. Für den FWF bedeutet Chancengleichheit die Förderung unterrepräsentierter Gruppen in der Wissenschaft sowie die Gleichstellung der Geschlechter.

Diversity (Diversität)

Unter Diversity versteht der FWF die Vielfalt von Unterscheidungsdimensionen zwischen Forscher:innen. Im Sinne eines intersektionalen Verständnisses bemüht sich der FWF, neben Geschlecht auch weitere Diversitätsdimensionen (wie zum Beispiel Alter, Elternschaft, Behinderung, Herkunft) in ihrer Wechselwirkung zu berücksichtigen.

Gender-sensitive research (geschlechtersensible Forschung)

Gender-sensitive research bezieht die Genderdimension während des gesamten Forschungsverlaufs mit ein. Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Gender mit zentralen Analysefragen und -kategorien werden ebenso wie potenzielle Diskriminierungsstrukturen kontinuierlich wahrgenommen, reflektiert und im Forschungsprozess berücksichtigt.

Gender-specific research (geschlechtsspezifische Forschung)

Gender-specific research stellt demgegenüber Gender bzw. die Geschlechterverhältnisse und deren Charakteristika in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses.

Gender-blind research (Gender-Blindheit), Gender-Bias und geschlechtersensible Forschung

Gender-blind research ist Forschung ohne Reflexion in Hinblick auf Geschlechts- oder genderrelevante Aspekte. Die Genderdimension wird dabei aufgrund der oftmals unzutreffenden Annahme außer Acht gelassen, dass sie für die Forschungsfragen und Analysen irrelevant sei und/oder die Forschung keinerlei Wirkung auf Personen aufweise. Eine Untersuchung, die beispielsweise nur männliche Probanden einschließt oder Datensätze verwendet, die nur auf Basis von Männern (zum Beispiel auch männlichen Mäusen) generiert wurden, ist nicht geeignet, Erkenntnisse hervorzubringen, die generell anwendbar sind.

Dies kann vielmehr zu einem (unbewussten bzw. nicht intendierten) Gender-Bias führen. Dieser bezeichnet geschlechtsbezogene Verzerrungen, die dadurch zustande kommen, dass Geschlechterunterschiede nicht oder nicht angemessen berücksichtigt werden. Neben Auswirkungen auf den Forschungsprozess können diese auch Einfluss auf die Validität der Forschungsergebnisse haben.

Im Gegensatz dazu kann eben geschlechtersensible Forschung im Rahmen des Forschungsdesigns die Frage stellen, wie geschlechtsspezifische (umfasst biologisches und soziales Geschlecht) Faktoren in das wissenschaftliche Wissen integriert werden und ob die Kategorie Geschlecht bei der Entwicklung von Wissen systematisch berücksichtigt wird. Dadurch entstehen Forschungsergebnisse von höherer Qualität, die insbesondere spezifische Unterschiede und Bedürfnisse systematisch berücksichtigt haben. Gleichzeitig unterstützt geschlechtersensible Forschung auch die Entwicklung und Präzisierung von wissenschaftlichen Fragestellungen und dient in ihrer Differenziertheit in weiterer Folge auch einer größeren Gruppe von Personen zur Weiterentwicklung der eigenen wissenschaftlichen Agenden.

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