Bias-Sensibilisierung in der Begutachtung

Auch Fördereinrichtungen müssen sich mit unconscious bias und, damit verbunden, mit den Folgen unbewusster Vorurteile auseinandersetzen. An erster Stelle steht dabei für Evaluator:innen das Bewusstmachen der Bedeutung und Wirkung von unconscious bias im Endscheidungsverfahren.

Der FWF hat sich dazu verpflichtet, ein faires und objektives Bewertungssystem sicherzustellen, das sich allein an der Forschungsleistung und am Wettbewerb orientiert. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung sind empirische Befunde, die zeigen, dass die gleiche Leistung von Frauen und Männern oft unterschiedlich bewertet wird.

Der FWF bewertet die wissenschaftliche Leistung der Antragsteller:innen entsprechend der Programmkategorie, den dort enthaltenen Programmzielen und den formulierten Bewertungskriterien. Er stellt im Rahmen der Entscheidungen den Zusammenhang zwischen dem akademischen Lebensalter, der Karrierestufe der Antragsteller:innen und den bisherigen wissenschaftlichen Leistungen her. Antragsteller:innen haben die Möglichkeit, Gründe für Karriereunterbrechungen bzw. Lücken innerhalb ihrer akademischen Entwicklung anzugeben.

„Das Unterliegen der Frauen im herrschenden Gesellschaftssystem spricht nicht gegen die Frauen, sondern gegen das System.“ Hertha Firnberg

Die wichtigsten Erkenntnisse zum Thema unconscious bias auf einen Blick 

  • Unterschiedliche Rollenerwartungen und unbewusste Vorurteile hinsichtlich typisch „männlicher“ und „weiblicher“ Fähigkeiten sind die Ursache der ungleichen Bewertung und Behandlung von Frauen und Männern.
  • Historisch betrachtet ist die Wissenschaft (vor allem die Naturwissenschaften) ein männlich dominiertes Feld, daher werden wissenschaftliche Tätigkeiten – vor allem in technischen Bereichen – nach wie vor in erster Linie mit Männern in Verbindung gebracht.
  • Es besteht die Gefahr, dass Gutachter:innen gegenüber Antragsteller:innen unbewusst voreingenommen sind, die in Bezug auf das Geschlecht und/oder demografische Faktoren (ethnische Zugehörigkeit, soziale Herkunft etc.) nicht ihrem eigenen Profil (lack of fit) bzw. auch nicht der historisch bedingten Norm eines „typischen“ Wissenschaftlers entsprechen.
  • Diese unterschiedlichen und ungerechtfertigten Bewertungen, sowie das Gefühl nicht „hineinzupassen“ (also auch die fehlende Repräsentation und Role-Models) können mitunter dazu beitragen, dass Vertreter:innen unterrepräsentierter Gruppen (Frauen, Menschen mit Behinderung, Personen aus unterschiedlichen Ländern) ihre wissenschaftliche Laufbahn aufgeben. Diese Drop-outs im Verlauf wissenschaftlicher Karrieren werden am Beispiel von Frauen durch die Leaky Pipeline statistisch erkennbar und nachweisbar.
  • Jeder Mensch nimmt gedankliche „Abkürzungen“ und trifft Verallgemeinerungen, da sie die Orientierung im Alltag erleichtern. Bis zu einem gewissen Grad ist daher jede:r voreingenommen.
  • Impliziter Bias ist unabhängig von Intelligenz, Bildung und Geschlecht der Person, die die Entscheidungen trifft, und steht oft im Widerspruch zu den eigenen, expliziten Wertvorstellungen. Umso wesentlicher ist das Bewusstmachen dieser Wirkungen im Alltag.
  • Dadurch kann ein Umgang entstehen, der neben strukturellen Maßnahmen dazu führt, dass Forschung ein offenes Arbeitsfeld darstellt, das möglichst vielen verschiedenen Menschen und Perspektiven Möglichkeiten eröffnet und das ganze Potenzial exzellenter Wissenschaftler:innen ausschöpft. Nur so kann langfristig die Qualität exzellenter Forschung gewährleistet werden.

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