Das Quantenzeitalter hat lĂ€ngst begonnen. Anwendungen in diesem Bereich werden auf breiter Basis untersucht. Quantenforscher Anton Zeilinger hat mit seinen Experimenten zur Quantenkryptografie und -teleportation wesentliche Grundlagen fĂŒr diese neue Welt der Quantenkommunikation geschaffen. Gleichzeitig hat der nunmehrige PhysiknobelpreistrĂ€ger den wissenschaftlichen Blick auf die elementaren Bestandteile unseres Universums geschĂ€rft. Seine Arbeit zur QuantenverschrĂ€nkung löste theoretische Probleme, die bis auf Albert Einstein zurĂŒckgehen.

Der 29. September 2017 war ein besonderer Tag fĂŒr die Quantenforschung. Wissenschaftler:innen und Journalist:innen versammelten sich, um einem noch nie dagewesenen Ereignis beizuwohnen: einer Videokonferenz zwischen Wien und Peking, die mittels Quantenkryptografie verschlĂŒsselt war. China hatte im Jahr davor den Satelliten Micius ins All geschickt, der die quantenverschlĂŒsselte Kommunikation zwischen den Kontinenten ermöglichte. Micius erzeugte verschrĂ€nkte Lichtteilchen mit zufĂ€lliger Schwingungsrichtung, die an Bodenstationen in Xinglong und Graz geschickt wurden. Mit ihrer Hilfe konnte ein QuantenschlĂŒssel erstellt werden, der das GesprĂ€ch völlig abhörsicher machte. Der Name eines der Teilnehmenden an der Videokonferenz von 2017 ist untrennbar mit dem Forschungsprozess verbunden, der diese Anwendung ermöglicht hat: Anton Zeilinger. Der Quantenphysiker und nunmehrige PhysiknobelpreistrĂ€ger war 2017 auch ÖAW-PrĂ€sident und konferierte quantenverschlĂŒsselt mit seinem chinesischen Amtskollegen Chunli Bai.

Satellit Micius war 2017 auch der Hauptdarsteller eines weiteren Experiments – ebenfalls in einem Forschungsbereich, den Zeilinger in seinen Experimenten maßgeblich mitgeprĂ€gt hat: jenem der Quantenteleportation. Jian-Wei Pan, ein SchĂŒler Zeilingers, zeigte, dass die ZustĂ€nde verschrĂ€nkter Teilchen Hunderte Kilometer zwischen Satellit und Bodenstation und durch das Weltall ĂŒbertragen werden konnten. Es konnten zwei Bodenstationen, die 1.200 Kilometer voneinander entfernt lagen, durch Teleportation von TeilchenzustĂ€nden verbunden werden. Der frĂŒhere Rekord stammte vom Wegbereiter selbst. Zeilinger hatte 2012 QuantenzustĂ€nde ĂŒber 140 Kilometer – zwischen den Inseln La Palma und Teneriffa – ĂŒbertragen.

Die aufsehenerregenden Experimente gaben einen deutlichen Blick auf Anwendungen frei, die unsere Welt verĂ€ndern. Sie lassen eine Zukunft erahnen, die von Netzwerken, Computern und Kommunikationsinfrastrukturen auf Quantenbasis geprĂ€gt sein wird. Gleichzeitig machten sie aber auch die Erkenntnisse zum erstaunlichen PhĂ€nomen der QuantenverschrĂ€nkung greifbar, die durch eine Vielzahl von revolutionĂ€ren wissenschaftlichen Ideen und bahnbrechenden Experimenten ĂŒber Jahrzehnte hinweg entstanden sind. Diese Entwicklung hat Zeilinger, dessen Forschung bereits ab 1980 vom Wissenschaftsfonds FWF mit insgesamt mehreren Millionen Euro unterstĂŒtzt wurde, wesentlich mitgeprĂ€gt.

In aller KĂŒrze

Anton Zeilinger gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen und das sei „fundamental wichtig zum Informationstransport in Quantencomputern“, beschreibt es der NobelpreistrĂ€ger.

Anton Zeilinger erhĂ€lt den Nobelpreis ĂŒberreicht
Es war ein historischer Moment fĂŒr Österreichs Grundlagenforschung, als Quantenphysiker
Anton Zeilinger den Nobelpreis fĂŒr Physik aus den HĂ€nden von Schwedens König Carl XVI.
Gustaf entgegennahm. Der Preis wĂŒrdigt nicht nur eine Ausnahmekarriere, sondern zeigt
auch das Potenzial des Wissenschaftsstandortes, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. © Ă–AW/Daniel Hinterramskogler
Experiment mit Quanten
Der Neugier uneingeschrĂ€nkt nachgehen: ein Quantenexperiment von Anton Zeilinger am Institut fĂŒr Quantenoptik und Quanteninformation Wien der ÖAW. © Ă–AW/Klaus Pichler

Im Jahr 1976, mehr als 40 Jahre vor der Videokonferenz von 2017, beschĂ€ftigten sich etwa erst eine Handvoll Wissenschaftler:innen mit QuantenverschrĂ€nkung, darunter Physik-KoryphĂ€en wie John Bell oder Bernard d’Espagnat. Damals fand im Rahmen einer Physik-Konferenz in Erice auf Sizilien einer der ersten Workshops zum Thema QuantenverschrĂ€nkung statt. Auch Zeilinger war mit dabei. FĂŒr ihn sollte diese Veranstaltung zu einer Art InitialzĂŒndung zur BeschĂ€ftigung mit dem Thema werden, wie er sich in seinem Nobelpreisvortrag an der UniversitĂ€t Wien erinnert. „Ich hab dort alle diese großen Leute kennengelernt, und ich hatte keine Ahnung, ĂŒber was sie redeten. Es war aber klar, dass es faszinierend ist.“

Damals war die Entdeckung des PhĂ€nomens der QuantenverschrĂ€nkung erst wenige Jahrzehnte alt. Albert Einstein, der es 1935 gemeinsam mit Boris Podolsky und Nathan Rosen erstmals in einer Publikation thematisiert hatte, glaubte, dass die „spukhafte Fernwirkung“ im Widerspruch zur RelativitĂ€tstheorie stand. Zwei Teilchen mit vollkommen zufĂ€lligen, im Vorhinein nicht festgelegten Eigenschaften zeigen dank ihrer besonderen Verbindung immer dasselbe (oder, je nach Art der VerschrĂ€nkung, immer das entgegengesetzte) Messergebnis, obwohl es zwischen ihnen keinerlei Kommunikation gibt – das konnte Einstein nicht glauben. Er ging von versteckten Variablen aus, die es noch zu entdecken galt. Doch Niels Bohr, der sich berĂŒhmt gewordene öffentliche Debatten mit Einstein lieferte, setzte sich gemeinsam mit Werner Heisenberg mit ihrer bis heute vorherrschenden Kopenhagener Deutung der Quantenphysik durch, in der Zufall, Wahrscheinlichkeitscharakter und unbestimmte KausalitĂ€ten bestimmende Element sind. Die Frage, ob es nicht doch versteckte Variablen geben könnte, war dennoch nicht endgĂŒltig geklĂ€rt. Bei ihrer Beantwortung sollte auch Zeilinger eine wichtige Rolle spielen.

John Stewart Bell legte 1964 mit seiner berĂŒhmten Bell’schen Ungleichung den Grundstein fĂŒr eine Widerlegung von Einsteins Annahme von verborgenen Variablen. Erstmals experimentell bestĂ€tigt konnte dieser Ansatz zuerst durch den US-Physiker John Clauser werden, spĂ€ter von seinem französischen Kollegen Alain Aspect. Schließlich war es Zeilinger, der gemeinsam mit Michael Horne und Daniel Greenberger das Theorem von Bell endgĂŒltig bestĂ€tigen konnte – 1989 theoretisch, zehn Jahre spĂ€ter experimentell. Ihr Beweis kam „ohne Ungleichung“ wie bei Bell aus, wie bereits der Titel der Publikation von 1989 hervorhob. Das 1999 umgesetzte GHZ-Experiment der drei Physiker – die AbkĂŒrzung ergibt sich aus ihren Nachnamen – konnte mit nur wenigen Messungen anhand von verschrĂ€nkten ZustĂ€nden dreier Teilchen alle Theorien, die auf verborgenen Variablen basieren, ausschließen. Einstein wurde in diesem Punkt erneut widerlegt – diesmal noch effizienter. Clauser, Aspect und Zeilinger erhielten fĂŒr ihre Forschungen 2022 den Physiknobelpreis. Alle neun der vom Nobelpreiskomitee gewĂŒrdigten Originalpublikationen Zeilingers wurden vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

Um das GHZ-Experiment durchfĂŒhren zu können, mussten zahlreiche neue Technologien zur Herstellung, Manipulation und Messung der QuantenzustĂ€nde entwickelt werden. Eine wichtige Wegmarke wurde eine Studie im Jahr 1995, in der Zeilinger mit Kolleg:innen eine neuartige Quelle fĂŒr verschrĂ€nkte Photonen auf Basis von nichtlinearen Kristallen vorstellte. FĂŒr Zeilinger wurde das dahinterstehende Prinzip der „Spontaneous Parametric Down Conversion“ zum, wie er sagt, „workhorse“ fĂŒr die spĂ€teren Experimente. Technologien wie diese machten aber gleichzeitig auch die Experimente im Bereich der Teleportation und Kryptografie möglich. Die Arbeiten zur Teleportation, bei der QuantenzustĂ€nde ĂŒber ein verschrĂ€nktes Teilchenpaar von einem Ort an einen anderen ĂŒbertragen werden können, war fĂŒr Zeilinger etwa lediglich ein „Spin-off von GHZ“.

Zur Person

Anton Zeilinger studierte Physik und Mathematik an der UniversitĂ€t Wien und promovierte beim Kernphysiker Helmut Rauch. 1979 folgte die Habilitation an der TU Wien. Nach Auslandsaufenthalten wurde er 1990 zum Professor an die UniversitĂ€t Innsbruck berufen. Seine dortigen Experimente zu Quantenteleportation machten ihn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. 1999 folgte er dem Ruf an die UniversitĂ€t Wien und wurde Vorstand des Instituts fĂŒr Experimentalphysik und Dekan der FakultĂ€t fĂŒr Physik. Zudem leitete er das von ihm mitbegrĂŒndete Institut fĂŒr Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW in Wien. Von 2013 bis Mitte 2022 war Zeilinger PrĂ€sident der Akademie der Wissenschaften. 2022 erhielt er mit dem Franzosen Alain Aspect und dem US-Amerikaner John Clauser den Physiknobelpreis. Der Wissenschaftsfonds FWF hatte bereits ab 1980 ĂŒber viele Jahre hinweg zahlreiche seiner Forschungsprojekte gefördert.

Theoretisch vorgeschlagen wurde der Ansatz zur Teleportation bereits 1993 von einer Forschungsgruppe um William Wooters. „Als diese Studie damals herausgekommen ist, haben wir gesagt, das ist völlig unmöglich experimentell umzusetzen – nicht wissend, dass wir schon dabei waren, die Tools dafĂŒr zu entwickeln“, erinnert sich Zeilinger. Das erste Experiment zur Teleportation gelang ihm 1997. Wenig spĂ€ter entstand auch das erste Experiment zur Quantenkryptografie, das ebenfalls dank der Technik des GHZ-Experiments möglich wurde. Das erste Bild, das quantenkryptografisch gesichert ĂŒbertragen wurde, zeigte damals die Venus von Willendorf. Wesentliche Paradigmen fĂŒr ein kommendes Quantenzeitalter waren damit geschaffen.

Das Komitee zum Physiknobelpreis 2022 hob hervor, dass die PreistrĂ€ger Clauser, Aspect und Zeilinger den Weg fĂŒr neue Technologien auf Basis von Quanteninformation geebnet haben. Die Effekte der Quantenmechanik wĂŒrden nun beginnen, sich in Anwendungen niederzuschlagen. Zeilinger verweist immer wieder darauf, dass er selbst aber nie auf diese Anwendbarkeit hingearbeitet habe. Wissenschaftler:innen sollten sich ihm zufolge nur von Neugierde leiten lassen und kompromisslos ihren Ideen folgen. „Wenn du an etwas dran bist, das du spannend findest, dann mach das und pfeif darauf, was andere sagen. Das ist das Allerwichtigste“, sagte der NobelpreistrĂ€ger einmal in einem Interview.

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