Ziele und Prinzipien

Der Gleichstellungsplan des FWF, der entlang der EU-Vorgaben (Horizon Europe) formuliert wurde, zielt darauf ab, Diversity- und Genderaspekte in der Forschungsförderung zu berĂŒcksichtigen und Barrieren fĂŒr Chancengleichheit und Teilhabe abzubauen, um eine ausgewogene Beteiligung aller Geschlechter zu ermöglichen. Die Antragsquote von Forschenden mit nichtbinĂ€rer Geschlechtszugehörigkeit soll entsprechend ihrem Potenzial erhöht werden. Die im Gleichstellungsplan formulierte starke UnterstĂŒtzung durch das FWF-PrĂ€sidium ist dabei richtungsweisend und wird durch ein gendersensibles Kommunikationskonzept begleitet.

Die Stabsstelle Chancengleichheit in der Forschungsförderung setzt Maßnahmen, um folgende Ziele zu erreichen:

  • Sicherung der QualitĂ€t der erfassten Daten sowie VerknĂŒpfung der vorhandenen Daten (Datenmonitoring)
  • ausgewogene Beteiligung von Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen der Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Prozesse des FWF (Antragstellung und Förderentscheidung)
  • Erhöhung der Sichtbarkeit und Karrierechancen von Frauen sowie des unterreprĂ€sentierten Geschlechts im nationalen Wissenschaftssystem (Kommunikation)

Die Umsetzung erfolgt nach folgenden Prinzipien:

  • „Fix the Numbers“ – Erhöhung der Beteiligung von Frauen und unterreprĂ€sentierter Gruppen in der Wissenschaft 
  • „Fix the Institutions“ – Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Institutionen durch Abbau von Barrieren und VerĂ€nderung von Strukturen
  • „Fix the Knowledge“ – Verbesserung von Wissen durch die Integration von Geschlechts- und Genderanalysen in Wissenschaft und Technologie („Gendered Innovations“)
     
Fix the Numbers

Nach wie vor beantragen mehr MĂ€nner als Frauen (66,6 % MĂ€nner und 33,1 % Frauen) Forschungsprojekte beim FWF. AntrĂ€ge von Personen, die sich weder als weiblich noch mĂ€nnlich zuordnen, bewegen sich aktuell im Bereich von weniger als 1 %. Besonders deutlich wird das Ungleichgewicht zwischen MĂ€nnern und Frauen in den Disziplinen der Naturwissenschaften und Technik (mĂ€nnliche Antragsteller 79,5 %). Bei den akademischen Projektmitarbeiter:innen (Postdoc und PhD) liegt der Frauenanteil seit 2015 stetig um die 40 %. Im vergangenen Jahr erreichte dieser Anteil in FWF-geförderten Projekten (alle Mitarbeiterinnen) erfreulicherweise 44,9 %.

Dieser Unterschied zwischen Antragstellerinnen und Projektmitarbeiterinnen kann als Hinweis auf das Leaky-Pipeline-PhĂ€nomen interpretiert werden: Demnach sinkt der Frauenanteil in der Wissenschaft, je höher die akademische Position. Sind Frauen und MĂ€nner zu Beginn zahlreicher StudienfĂ€cher ausgeglichen vertreten, so erhöht sich der MĂ€nneranteil unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig stark auf den höheren Karrierestufen, wĂ€hrend der Anteil von Frauen deutlich sinkt.

Die qualitative und quantitative Ausweitung des Forschungspotenzials nach dem Prinzip „Ausbildung durch Forschung“ zeigt sich in der Nachwuchsförderung des FWF. Die Erhöhung des nationalen Potenzials an Nachwuchsforscher:innen und somit auch FWF-Antragsteller:innen ist ein wichtiges Ziel der nationalen Forschungspolitik. Die Tatsache der UnterreprĂ€sentation von Frauen im österreichischen Wissenschaftssystem sowie unter den AntrĂ€gen des FWF rechtfertigte die besondere Förderung des weiblichen Nachwuchses durch die Karriereentwicklungsprogramme fĂŒr Frauen (Hertha Firnberg und Elise Richter, Elise Richter PEEK). 2020 löste das Karriereentwicklungsprogramm ESPRIT die Junior-Programme Hertha Firnberg und Lise Meitner ab und steht nun Nachwuchsforscher:innen (bis fĂŒnf Jahre nach dem Doktorat; allfĂ€llige Karriereunterbrechungen sind unter bestimmten Bedingungen berĂŒcksichtigbar) aller Fachdisziplinen offen. Im Sinne der Entwicklung von Forscherinnenkarrieren verpflichtete sich der FWF, innerhalb des ESPRIT-Programms mindestens 50 % der Mittel fĂŒr Projektleiterinnen zu reservieren sowie zur tiefgehenden Analyse des FWF-Verfahrens und allfĂ€lliger möglicher Biases. Die Ergebnisse des Jahres 2021 und 2022 bestĂ€tigen die Vergabe der HĂ€lfte der Projekte an Frauen (Bewilligungsquoten: 29 % Frauen und 23,7 % MĂ€nner).

Die FWF-START-Preise richten sich an international sichtbare Senior Postdocs aller Fachdisziplinen. Die Frauenbeteiligung im Rahmen der Antragstellung lag in den letzten zehn Jahren bei ca. 25 % und einer Bewilligungsquote von ca. 12,1 % (7,6 % MĂ€nner). Die etablierten Senior-Postdoc-Programme Elise Richter und Elise Richter PEEK dienen der Karriereentwicklung hoch qualifizierter Forscherinnen aller Fachdisziplinen, die gezielt langfristig eine UniversitĂ€tskarriere anstreben (Bewilligungsquote von ca. 27 % Richter, 28 % Richter PEEK).

Fix the Institutions

In den letzten Jahren stĂ€rkte der FWF die Gender-Awareness innerhalb der eigenen Organisation. Dazu zĂ€hlen Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, die Etablierung von Gleichstellungsstandards sowie eines Gleichstellungsplans. Darin wird Gleichstellung als Querschnittsaufgabe festgeschrieben und in allen FWF-Bereichen implementiert. In diesem Sinne berĂŒcksichtigt der FWF unter anderem bei der personellen Zusammensetzung der FWF-Gremien Gleichstellung und DiversitĂ€t und bemĂŒht sich um eine ausgewogene Beteiligung von Vertreter:innen der Forschungsgemeinschaft an den Prozessen zur Entscheidungsfindung sowie in den FWF-Programmen (Antragstellung und Projektleitung).

Die Zusammensetzung der Gremien des FWF steht auch in engem Zusammenhang mit dem FTFG (§ 4), das eine geschlechtsparitĂ€tische Besetzung sowie eine ausgewogene Altersstruktur in diesen Organen vorgibt. Der FWF erreichte bereits Anfang 2016 in seinen entscheidungsrelevanten Gremien ein sehr bzw. annĂ€hernd ausgewogenes VerhĂ€ltnis der Geschlechter. Im PrĂ€sidium liegt der Frauenanteil bei 60 %, im Aufsichtsrat bei 70 %. Die Delegiertenversammlung hat einen Frauenanteil von 44,1 % und im Kuratorium ist der Anteil an Frauen 42,2 %. Die Frauenanteile in den FWF-Gremien ĂŒbersteigen damit den Anteil der FWF-Antragsteller:innen (2022: 33,1 %).

Fix the Knowledge

Die westlich geprĂ€gte Wissenschaft zielt darauf ab, objektives Wissen zu erzeugen, ist jedoch im Hinblick auf Geschlecht, Gender und EthnizitĂ€t nicht wertneutral. Die wissenschaftliche Kultur, die dem zugrunde liegt, hat sich in den letzten Jahrhunderten ohne gleichmĂ€ĂŸige Beteiligung aller Geschlechter entwickelt. Forschungen haben gezeigt, wie eingebettete Geschlechterungerechtigkeiten Wissenschaft, Medizin und Technik (negativ) beeinflusst haben und wie ein Gender-Bias die wissenschaftliche KreativitĂ€t und Exzellenz beeintrĂ€chtigt.

Die Wissenschaftshistorikerin Londa Schiebinger und die Gender-Expertin Martina Schraudner beschrieben 2011 den Prozess „Gendered Innovations“ als jenen Prozess, der Geschlechts- und Genderanalysen in alle Phasen der Forschung integriert und damit Exzellenz und QualitĂ€t der Ergebnisse sicherstellt.

Der FWF fördert, diesem Ansatz folgend, Forschung, die neben der adĂ€quaten Beteiligung des unterreprĂ€sentierten Geschlechts im Forschungsteam – wo relevant – zielgerichtet die geschlechtsspezifischen und genderrelevanten Fragestellungen im Forschungsansatz inkludiert. Daher sind Antragsteller:innen seit 1. JĂ€nner 2019 aufgefordert, die Bearbeitung geschlechtsspezifischer und genderrelevanter Fragestellungen in den ForschungsantrĂ€gen zu reflektieren. Gutachter:innen sind zudem angehalten, diese Reflexion zu beurteilen und in ihre Bewertung des Antrages einfließen zu lassen. Das grundlegende VerstĂ€ndnis zum Thema vermitteln weiterfĂŒhrende Informationen, wie zum Beispiel dieses Video aus dem Bereich der „Horizon 2020“-Antragstellung. Diese Sequenz erlĂ€utert unter anderem den Unterschied zwischen der Beteiligung von Forscherinnen im Forschungsteam und der Integration der Geschlechts- und Genderdimension im Forschungsansatz.

Nach oben scrollen