Bestimmung des Hüftgelenkszentrums in der Ganganalyse
Obesity-specific joint center estimation in gait analysis
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Technische Wissenschaften (60%); Informatik (15%); Klinische Medizin (5%); Medizintechnik (20%)
Keywords
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Gait Analysis,
Hip Joint Center Localization,
Validity,
Functional Method,
Predictive Method
Das Ziel einer klinischen dreidimensionalen (3D) Ganganalyse liegt in der akkuraten Quantifizierung mechanischer Abläufe des Bewegungsapparats eines Menschen während des Fortbewegens. Dabei werden meist mit Hilfe eines infrarot-basierten Kamerasystems und Kraftmessplatten, kinematische Größen sowie Bodenreaktionskräfte bestimmt. In weiterer Folge können mit Hilfe inversdynamischer Berechnungen Gelenksmomente berechnet werden. Für die klinische Ganganalyse sind diese Informationen unerlässlich, um Operationen planen zu können oder Interventionen auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Ein wesentlicher Faktor der dazu beiträgt wie akkurat diese Messungen sind, ist die Genauigkeit mit der die 3D Position des Hüftgelenkszentrums während dieser Analyse abgeschätzt werden kann. Das Hüftgelenk liegt tief unter mehreren Muskelschichten und ist somit schwer zu bestimmen. Fehler, welche hierbei begangen werden, können zu ungenauen oder falschen Interpretationen in der klinischen Ganganalyse führen. Das Problem bei der Bestimmung des Hüftgelenkszentrums wird noch deutlicher in PatientInnengruppen, die ein hohes Maß an subkutanem Fett aufweisen, v.a. aber bei übergewichtigen oder adipösen Personen. Hier ist es besonders schwierig anatomische Kennpunkte zu palpieren und die reflektierenden Marker, welche für die Ganganalyse notwendig sind, korrekt zu platzieren. Bildgebende Verfahren wären eine Möglichkeit um eine akkurate Bestimmung zu ermöglichen. Allerdings setzten diese Methoden PatietInnen einer Strahlenbelastung aus, sind oft teuer und zeitaufwendig. Aus diesem Grund wurden sogenannte nicht- invasive Methoden zur Bestimmung des Hüftgelenkszentrums entwickelt. Diese Methoden nutzen anthropometrische Größen und Regressionsgleichungen um die Position des Hüftgelenkszentrums abzuschätzen. Die Vielzahl an Methoden hat WissenschaftlerInnen in den letzten Jahren dazu veranlasst, zu überprüfen wie genau diese Methoden bei unterschiedlichen PatientInnengruppen funktionieren. Die Ergebnisse fallen bei gesunden Erwachsen verhältnismäßig gut aus. Allerdings haben nur eine geringe Anzahl an Studien, die Genauigkeit dieser Methoden bei Kindern und Jugendlichen untersucht. Für adipöse PatientInnen fehlen Daten noch zur Gänze Daten. Das Ziel dieser Arbeit ist es daher, die Genauigkeit gängiger nicht-invasiver Methoden zur Bestimmung des Hüftgelenkszentrums für adipöse Kinder und Jugendliche zu erheben und mögliche neue Ansätze zur Bestimmung zu evaluieren. Die Erkenntnisse werden intensiv zu einer Qualitätssicherung und - steigerung im Bereich der klinischen 3D Ganganalyse bei adipösen Kindern und Jugendlichen beitragen.
Die Ganganalyse zielt darauf ab, quantitative Informationen über die Mechanik des muskuloskelettalen Systems während der Fortbewegung zu sammeln. Typischerweise werden in der Ganganalyse Variablen wie Kinematik, Gelenkmomente und -kräfte bestimmt. Diese Informationen werden zur Bewertung pathologischer Gangmuster verwendet. Fehler bei der Lokalisierung des dreidimensionalen (3D) Hüftgelenkszentrums können die Berechnung von 3D-Ganganalysevariablen erheblich beeinflussen und folglich zu falschen Interpretationen führen. Das Problem der Ungenauigkeit bei der Lokalisierung des Hüftgelenkszentrums nimmt bei Patient*innen, bei denen knöcherne Landmarken schwer zu identifizieren sind, wie bei übergewichtigen oder adipösen Personen, signifikant zu. Das Hauptziel dieses Projekts war die Evaluierung der Genauigkeit aktueller nicht-invasiver Methoden zur Bestimmung des Hüftgelenkszentrums für die klinische 3D-Ganganalyse bei einer Gruppe übergewichtiger oder adipöser Kinder und Jugendlicher. Das Projekt verfolgte einen iterativen Ansatz: Zunächst wurde die Verlässlichkeit von 3D Freihand-Ultraschall (3DFUS) zur Registrierung anatomischer Landmarken am Becken und zur Lokalisierung des Hüftgelenkszentrums in einer Kohorte von 16 schlanken und 19 adipösen Personen bewertet. Unsere Daten unterstützen die Idee, dass 3DFUS als Tool zur Platzierung von Markern und zur Lokalisierung des Hüftgelenkszentrums dienen kann, insbesondere in Gruppen mit einem höheren Anteil an Körperfett. In einem weiteren Schritt haben wir die genaueste Methode zur Schätzung des Hüftgelenkszentrums in der klinischen 3D-Ganganalyse für junge Personen mit einem hohen Anteil an Weichgewebe untersucht. Wir haben fünf regressionsbasierte und zwei funktionale Methoden mit der durch 3DFUS erhaltenen HJC-Position in einer Kohorte von 14 übergewichtigen oder adipösen Personen verglichen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass regressionsbasierte Methoden in dieser Population den funktionalen Methoden vorzuziehen sind, da letztere die höchste Variabilität in der Genauigkeit aufweisen und bei einigen Personen hohe Fehler aufweisen. Basierend auf unseren Ergebnissen empfehlen wir die Verwendung der Regressionsmethode von Hara et al. aufgrund ihrer insgesamt überlegenen Genauigkeit von durchschnittlich weniger als 9 mm in allen Ebenen im Vergleich zu 3DFUS sowie dem geringsten Einfluss auf kinematische und kinetische Ausgabewerte. Wir empfehlen nicht die Verwendung der Harrington Regressionsgleichungen, da sie die Beckentiefe als Eingabe erfordern, die stark verfälscht sein kann, wenn viel Weichgewebe um das Becken vorhanden ist. Die Ergebnisse des Projektes dienen als Empfehlung, welche Methoden am besten geeignet sind, um die Position des Hüftgelenkszentrums bei übergewichtigen oder adipösen Personen zu bestimmen. Diese Informationen dienen als Leitfaden für Kliniker*innen und Forscher*innen, die klinische 3D-Ganganalysen in einer Population durchführen möchten, bei der die Ganganalyse aufgrund des Vorhandenseins vieler Weichteilartefakte generell schwierig ist.
- Dieter Pahr, Karl Landsteiner Priv.-Univ. , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Susanne Greber-Platzer, Medizinische Universität Wien , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Andreas Kranzl, Orthopädisches Spital Wien-Speising , assoziierte:r Forschungspartner:in
Research Output
- 9 Zitationen
- 8 Publikationen
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
- 1 Weitere Förderungen