Standortwettbewerb und Wirtschaftspolitik: Diksurse, Institutionen und Alltags-Praktiken

Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit spielt heutzutage in politischen Debatten eine wichtige Rolle und dient in vielen Bereichen als Referenzpunkt für menschliches Handeln. Vor diesem Hintergrund untersucht das transdisziplinäre Forschungsprojekt SPACE, wie die ökonomische Wettbewerbslogik im akademischen Diskurs historisch entstanden ist und in politische und öffentliche Debatten, Gesetze und letztendlich auch unser Alltagsleben Einzug gehalten hat. Dabei verwendet es eine innovative Mischung von Methoden aus der Volkswirtschaftslehre, der Soziologie und der Ethnologie, und kombiniert akademische Abstraktion mit alltagspraktischer Anwendbarkeit der Ergebnisse. Das Projekt kombiniert auf innovative Weise qualitative und quantitative Methoden sowie theoretische Perspektiven der beteiligten Disziplinen. In einem ersten Schritt werden die historische Genese sowie der wissenschaftliche Streit um die herrschende Konzeptionalisierung von Wettbewerb herausgearbeitet. Danach fokussiert das Projekt auf die räumlichen Aspekte von Wettbewerb und untersucht den Einfluss der vorher identifizierten Wettbewerbslogik auf drei unterschiedlichen Bezugsebenen. Auf der Ebene von EU- und Nationalstaaten wird durch ökonometrische und publikationszentrierte Methoden, sowie die systematische Durchführung von Experteninterviews untersucht, wie die Formulierung von Rechtsnormen durch das ökonomische Wettbewerbsprinzip beeinflusst wurde, und was die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen eines derart formulierten Rechtsrahmens sind. Auf der städtischen Ebene werden Experteninterviews, Diskursanalysen und quantitative Textanalysen darüber Auskunft geben, wie Regeln und Normen das Angebot und die Organisation von Wohnraum beeinflussen. Auf der individuellen Ebene schließlich fragt das Projekt danach, welche Effekte diese Regelungen auf den Zugang von Menschen zu Wohnraum haben, welche Ausschlüsse sie produzieren und wie Wohnungssuchende in ihren Alltagspraktiken und in ihrem Selbstverständnis Wettbewerbslogiken aufgreifen, umdeuten oder ablehnen. Beantwortet werden diese Fragen unter Anwendung einer einzigartigen Kombination ökonomischer und soziologischer Theorien, sowie ethnologischer Forschungsmethoden wie biografischer Interviews, Fokusgruppenarbeit und partizipativer Beobachtung. Am Schluss des Projekts wird die Frage diskutiert, wie eine solch kritische Reflexion des Wettbewerbskonzepts Politikern und anderen Menschen helfen kann, die dominanten Vorstellungen von Wettbewerb zu dekonstruieren, die dominante Interpretation von Wettbewerb zu transformieren, und welche sozio- ökonomischen Implikationen eine solche Transformation nach sich ziehen würde. Dadurch wird neben dem hochinnovativen akademischen Beitrag auch ein Beitrag für alle all jene geleistet, die sich mit den alltäglichen Implikationen der ökonomischen Wettbewerbslogik konfrontiert sehen, und diese kritisch hinterfragen und verändern möchten.

Das interdisziplinäre FWF-Zukunftskolleg SPACE (Spatial Competition and Economic Policies), untersuchte die zunehmende Bedeutung des Wettbewerbs als zentrales Prinzip in sozialen, politischen und ökonomischen Strukturen. Das Forschungsteam, bestehend aus 13 Ökonom:innen, Soziolog:innen und Anthropolog:innen stellte fest, dass sich Wettbewerb als vielschichtiges Konzept zu einem umfassenden gesellschaftlichen Leitmotiv entwickelt hat, das verschiedene Lebensbereiche wie Wohnen, Wissenschaft und Wirtschaftspolitik beeinflusst, zunehmend aber auch die individuelle Selbstwahrnehmung als Wettbewerbssubjekt mitprägt. Durch die interdisziplinäre Herangehensweise des Projekts, konnten die Forscher:innen aufzeigen, wie ökonomisches Wissen und Wettbewerbslogiken in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen verankert werden. Dabei wurde deutlich, dass Wettbewerb nicht nur als ökonomisches Konzept wirkt, sondern auch als kulturelles und politisches Prinzip, das soziale Hierarchien und Ungleichheiten verstärken kann. Eine zentrale Erkenntnis aus den vier empirischen Arbeitspaketen war somit, dass Wettbewerb zunehmend als universelles Steuerungsinstrument genutzt wird, um Effizienz, Leistung und Innovation zu fördern. Dies führte zu einer Verschiebung in der Wahrnehmung und Bewertung sozialer Praktiken, wobei Wettbewerb zunehmend als unvermeidliche Bedingung betrachtet wird. Gerade in räumlichen Kontexten wie Städten und Regionen erwies sich Wettbewerb als ambivalente Kraft, die sowohl soziale als auch ökonomische Dynamiken beeinflusst, auf der Mikroebene neue Formen der Ausgrenzung schaffen und auf der Makroebene ökonomische Polarisierungen vorantreiben kann, mitunter aber auch bestehende Ungleichheiten und Marktlogiken unterläuft. Im Wohnen zeigt sich hier beispielhaft der ambivalente Effekt von Wettbewerben auf soziales Leben. Führt der gesteigerte Wettbewerb um leistbaren Wohnraum zu einer wettbewerblichen Selbstdisziplinierung der Wohnungssuchenden am Wohnungsmarkt, hat die Analyse des Wettbewerbsformats der Wiener Bauträgerwettbewerbe im Wohnbau dagegen gezeigt, wie Wettbewerbe gegen Marktlogik gerichtet sein können. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts war die Analyse der Rolle von Wettbewerb in der Wissenschaft. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Wettbewerb in der Wissenschaft zunehmend als Mechanismus zur Steuerung von Forschungsaktivitäten dient. Dies äußert sich in der Art und Weise, wie wissenschaftliche Karrieren, Forschungsförderungen und Publikationen organisiert sind. Der Druck, in wettbewerbsorientierten Umgebungen zu bestehen, führt oft zu einer Priorisierung kurzfristiger Erfolge und messbarer Ergebnisse, was langfristig innovative Forschung und interdisziplinäre Kooperationen behindern kann. Somit beeinflusst der Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit in der Wissenschaft nicht nur den Forschungsprozess, sondern auch die Inhalte und Methoden der Wissenschaft selbst und führen teilweise zu einer Einengung des wissenschaftlichen Horizonts. Dieser Wettbewerb wird nicht nur unter einzelnen Wissenschaftler:innen ausgetragen, sondern auch zwischen Institutionen, die um Ressourcen und Ansehen konkurrieren. Dies manifestiert sich etwa auf der Makroebene im Bereich des wissenschaftlichen Verlagswesens, wo Wettbewerbsdynamiken enorme ökonomische Konzentrationstendenzen verstärken. Abschließend forderte das Projekt eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Wettbewerbs in der Gesellschaft, um alternative Modelle zu entwickeln, die auf Kooperation und Nachhaltigkeit basieren. Forschungsergebnisse wurden laufend in einer Working-Paper-Reihe publiziert, als policy briefs und in einer Podcast-Reihe aufbereitet und in verschiedenen Formaten medial rezipiert. Nähere Informationen zum Projekt finden Sie auf: www.spatial-competition.com.