Sakraltopographie einer Klosterlandschaft und ihre Entwicklung
Sacral topography of a monastic landscape and its development
DACH: Österreich - Deutschland - Schweiz
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (20%); Philosophie, Ethik, Religion (40%); Sprach- und Literaturwissenschaften (40%)
Keywords
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Deir el-Bakhit,
Cenobitic Community,
Monastery of St. Paulos,
Monastic Hierarchies,
Hermitage,
Sacral Topography
Das Kloster Deir el-Bacht (das antike Pauloskloster) erstreckt sich auf der Hügelkuppe von Dra Abu el-Naga in Theben-West / Oberägypten. Wie sich durch die Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt hat, bezeichnet der Begriff Kloster in diesem Fall nicht nur die ummauerte Klosteranlage, die den modernen Namen Deir el-Bacht trägt, sondern eine kleinteilige Sakraltopographie, die sich zwischen dem 5. bis 10. Jh. n. Chr. entwickelt und über den gesamten Hügel ausgedehnt hat. Diese Klosterlandschaft umfasst neben dem kompakten Hauptkloster mehrere zugehörige, von Mönchen bewohnte Außenanlagen in pharaonische Gräber eingebaute Eremitagen sowie ein verzweigtes antikes Wegesystem mit Zubringer zu einer bedeutenden Karawanenstraße. Die einzelnen Anlagen und das Hauptkloster waren hierarchisch strukturiert und standen über eine komplexe interne Organisation miteinander in Beziehung, was aus Papyrusurkunden, Ostraka (mit schwarzer Tinte beschriftete Scherben) und Graffiti hervorgeht. In einer der Außenanlagen, Anlage XXVI, kam im Jahr 2014 nicht nur eine christliche Kapelle, sondern in einer Altarsäule auch ein Münzhort mit 29 Goldmünzen zutage. Durch den Fund der Kapelle wurde deutlich, dass in Anlage XXVI die Umnutzung einer ehemals profan genutzten Eremitenbehausung in einen kultisch genutzten Sakralraum stattgefunden hat. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt des Projekts: Welche funktionalen, sozialen und religiös-kultischen Zusammenhänge bestehen zwischen den monastischen Einrichtungen in Dra- Abu el-Naga? Was waren die Auslöser für die Wandlung und Verlagerung der monastischen Strukturen von einer Eremitenbehausung in Anlage XXVI hin zu einer Mönchsgemeinschaft im Hauptkloster? Welche Hierarchien und sozialen Strukturen lassen sich in der monastischen Gemeinschaft erkennen? Diese Fragen können mit Hilfe von Ausgrabungen und Untersuchungen der Textdokumente geklärt werden. Deir el-Bacht bietet die einmalige Gelegenheit, die Kongruenz schriftlicher und materieller Überlieferung an einem einzigen Monument zu untersuchen und durch diese Verknüpfung ein facettenreiches und detailliertes Bild der Geschichte dieses Klosters, eingebettet in seinen geographischen Kontext, zu erstellen. Keine andere Klosteranlage Ägyptens bietet Möglichkeit, die Entwicklungsschritte eines Klosters von seinen Anfängen als Klause hin zur Etablierung eines großen Klosters nachvollziehen zu können. Nicht nur die Auswertung von Texten, sondern gleichrangig auch die Auswertung der Hinterlassenschaften der materiellen Kultur ermöglichen so die Rekonstruktion einer antiken Sakraltopographie in all ihren Aspekten.
Das Pauloskloster (Deir el-Bacht) auf dem Hügel von Dra Abu el-Naga in Theben-West / Oberägypten umfasst innerhalb einer komplexen und weitläufigen Klosterlandschaft verschiedene monastische Einrichtungen: ältere Anachoretenbehausungen in den Anlagen XXVI und XXVII, die ab dem 5. Jh. bewohnt wurden und eine erst ab dem späten 6./Anfang 7. Jh. n.Chr. entstandene koinobitische Gemeinschaft im Hauptkloster, die spätestens Anfang des 10. Jh. aufgegeben wurde. Aufgrund der guten Befundsituation vor Ort stehen Fragen nach den Hierarchien und Sozialstrukturen der monastischen Gemeinschaft, den funktionalen, sozialen und religiös-kultischen Zusammenhängen zwischen den monastischen Einrichtungen auf dem Hügel und dem Wandel der monastischen Strukturen von Anachoretenbehausungen (XXVI, XXVII) hin zu einer koinobitischen, den ganzen Hügel umfassenden Gemeinschaft (Hauptkloster, XXVI, XXVII) im Vordergrund. In den Jahren 2017 bis 2020 konnte eine zweite Kirche in Anlage XXVI sowie der ehemalige Standort einer Kirche im Hauptkloster identifiziert werden. Während in Anlage XXVI die Verehrung des Gründungsvaters (hl. Paulos?) wohl mit regionale übergreifendem Besucherverkehr stattfand, scheint im Hauptkloster die Nutzung der Kirche durch die Mönchsgemeinschaft im Vordergrund gestanden zu haben. Veränderungen im Hauptkloster sind ab der Mitte des 8. Jh. durch eine Vergrößerung der Unterkunftsbauten mit Integration von Arbeitsräumen mit Webgruben greifbar, die zu einer Produktionssteigerung geführt haben muss. Es konnte eine Bildungselite identifiziert werden, die besondere Aufgaben am Kloster wahrnahm und aus der die späteren Klostervorsteher hervorgingen, deren Liste weiter vervollständigt werden konnte. In der Nekropole lassen sich Hierarchien anhand der Textilausstattung fassen. Die Untersuchungen der Papyri ermöglichten die teilweise Rekonstruktion der Bestände der Klosterbibliothek. Besonderheiten bilden dabei die Pergamenthandschriften und ein in Ägypten selten vorkommender Pergamentcodex in lateinischer Sprache. Die Bibliothek spiegelt den hohen Bildungsstand der Mönche. Zugleich handelt es sich um die einmalige Chance, den Bestand einer ägyptischen Klosterbibliothek präzise nämlich im Pauloskloster - zu verorten, was bei Sammlungsbeständen unklarer Herkunft und Zuweisung nicht möglich ist. Am spektakulärsten ist aber wohl die Entdeckung von Fragmenten einer magischen Lederhandschrift, bei denen es sich möglicherweise um Teile des berühmten Cookbook aus der Sammlung von Robert Hay im British Museum, London handelt. Die komplexe, auf engem Raum angesiedelte Klosterlandschaft des Paulosklosters mit ihren verschiedenen Einrichtungen ist bislang einmalig. Die Verknüpfung archäologischer Befunde mit Texten und Fundobjekten ergibt ein einzigartiges Bild eines Klosters und seiner Entwicklung durch die Jahrhunderte, gerade für die in Ägypten ansonsten eher schlecht dokumentierte Zeit der Spätantike und des Frühislam.
- Daniel Polz, Deutsches Archäologisches Institut, Kairo - Ägypten
Research Output
- 1 Publikationen
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2018
Titel Death and Burial in the Near East from Roman to Islamic Times: Research in Syria, Lebanon, Jordan and Egypt Typ Book Autor Eger Christoph Verlag Dr Ludwig Reichert