Ödön von Horvath: Wiener Ausgabe (Edition und Interpretation)
Ödön von Horvath: Vienna Edition
Wissenschaftsdisziplinen
Medien- und Kommunikationswissenschaften (10%); Sprach- und Literaturwissenschaften (90%)
Keywords
-
Ödön von Horvath,
Complete Works,
Critical Edition,
Austrian Literature 1918-1938,
Genetic Textual Critisism
Die "Wiener Ausgabe" sämtlicher Werke Ödön von Horvths (1901-1938) ist eine historisch-kritische Edition. In achtzehn projektierten Bänden, von denen pro Jahr ein bis zwei Bände erscheinen sollen, umfasst sie alle abgeschlossenen und Fragment gebliebenen Werke des Autors sowie alle verfügbaren Briefe und Lebensdokumente. So legt die "Wiener Ausgabe" in ihrer Gesamtheit der literatur- und theaterwissenschaftlichen Forschung erstmals die seit langem geforderte, vollständige und gesicherte Text- und Quellenbasis eines der wichtigsten und populärsten Vertreter der literarischen Moderne vor. Die einzelnen Bände der "Wiener Ausgabe" sind in ein Vorwort, einen Text- und einen Kommentarteil gegliedert. In ihrem Zusammenspiel machen diese Teile den Entstehungsprozess der Werke transparent und bieten die Möglichkeit eines schrittweisen Nachvollzugs bis in die Letztfassungen. Das Vorwort skizziert die Entstehungsgeschichte unter Miteinbeziehung der zeitgenössischen Rezeption. Der Textteil reiht die genetischen Materialien chronologisch, wobei Konzeptblätter des Autors faksimiliert werden und dem linearisiert wiedergegebenen Lesetext ein kritisch-genetischer Apparat beigefügt ist. Dieser macht die Änderungsprozesse deutlich, auf denen die konstituierten Fassungen basieren. Die Endfassungen der Werke werden zusätzlich in emendierter Form dargestellt. Im Kommentarteil findet sich ein chronologisches Verzeichnis, das alle vorhandenen Textträger formal und inhaltlich beschreibt und Argumente für die Reihung der darauf befindlichen Entwürfe und Fassungen liefert. Simulationsgrafiken dienen zur Darstellung komplexer werkgenetischer Vorgänge, die für die hochmoderne Arbeitsweise des Autors typisch sind. Die Forschungsarbeiten an der "Wiener Ausgabe" werden am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien durchgeführt, wo sich der umfangreiche Nachlassbestand des Autors befindet. Die ersten vier Bände der Ausgabe im Berliner Verlag de Gruyter liegen vor bzw. sind im Erscheinen begriffen: Kasimir und Karoline (2009), Don Juan kommt aus dem Krieg (Juni 2010), Der ewige Spießer (Dezember 2010), Figaro läßt sich scheiden (April 2011). Inhalt des eingereichten Projektes ist die Erarbeitung der Bände "Geschichten aus dem Wiener Wald", "Jugend ohne Gott/Ein Kind unserer Zeit" sowie "Ein Sklavenball/Pompeji", ein spätes Stück des Autors, zu dem besonders viel und komplexes werkgenetisches Material vorliegt. Darüber hinaus soll im Rahmen des Projektes der Band "Briefe und Lebensdokumente" erarbeitet und damit der Horvth-Forschung eine neue quellenkundliche Grundlage gegeben werden. Positive Effekte aus dem Projekt und aus dem offenen Textbegriff, den es vertritt und aktiv befördert, sind auch für die Umsetzung werkgenetischen Materials auf dem Theater und innerhalb von Diskursfeldern zu erwarten, die sich mit Schreibprozessen in kulturgeschichtlicher Weise beschäftigen.
Ödön von Horvth (19011938) ist einer der meistbeachteten Autoren des 20. Jahrhunderts. Seine Romane und Prosatexte erfreuen sich beim Lesepublikum anhaltender Beliebtheit und seine Stücke entfalten bis heute unverminderte Bühnenwirkung. Innerhalb der literaturwissenschaftlichen Forschung, die sich mit Horvth seit Jahrzehnten intensiv und unter den verschiedensten Aspekten beschäftigt, ist wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, der Auseinandersetzung mit seinem Werk und seiner Biografie eine verlässliche Text- und Quellenbasis zu geben. Anhand des umfangreichen Nachlassbestandes des Autors am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien sowie der Wienbibliothek im Rathaus wurden im gegenständlichen Projekt die in Vorgängerprojekten erarbeiteten methodischen Grundlagen einer historisch-kritischen Ausgabe weiter verfeinert und insgesamt sechs weitere Bände der sogenannten Wiener Ausgabe vorgelegt, zwei weitere Bände befinden sich in unmittelbarer Vorbereitung. Innerhalb der auf 18 Einzelbände projektierten Ausgabe, die im Berliner Verlag Walter de Gruyter erscheint, sollen alle abgeschlossenen und Fragment gebliebenen Werke sowie sämtliche Briefe und Lebensdokumente des Autors ediert werden. Zu den bestehenden Bänden der Wiener Ausgabe sind hinzugekommen: Der jüngste Tag / Ein Dorf ohne Männer (2011), Eine Unbekannte aus der Seine / Hin und her (2012), Jugend ohne Gott (2013), Ein Kind unserer Zeit (2014), Geschichten aus dem Wiener Wald (2015) und Ein Sklavenball / Pompeji (2015). In Vorbereitung befinden sich die Bände Sladek / Italienische Nacht sowie Sportmärchen, Kurzprosa und Werkprojekte. Ein besonderer Stellenwert kommt in der Wiener Ausgabe der Darlegung komplexer entstehungsgeschichtlicher Vorgänge zu. Horvth hat seine Texte oft neu konzipiert, in großen Teilen umgeschrieben und an den Materialien intensiv geschnitten und geklebt. Zur Darstellung dieser hochmodernen Arbeitsweise greift die Ausgabe nicht allein auf Faksimiles zurück; für besonders komplexe Arbeitsphasen wurde ein spezielles Modell von Simulationsgrafiken entwickelt. Textgenetischen Studien, auf denen heute nicht alleine in der Literaturwissenschaft, sondern auch in interdisziplinären Bereichen oftmals ganz divergente methodische Hoffnungen ruhen, eröffnet sich mit der Wiener Ausgabe ein breites Feld der Anwendung. Für das gegenständliche Projekt war diese Ausweitung programmatisch, denn nicht allein auf die Edition, sondern auch auf die Einbindung der Edition in solche Diskursfelder wurden starke Akzente gesetzt. Die methodische Reflexion des spannungsgeladenen Verhältnisses von Edition und Interpretation steht so immer auch im Vordergrund der editorischen Praxis der Wiener Ausgabe. Im Falle Horvths richtet sich aber auch ein ganz unmittelbares Interesse nach dem textgenetischen Material: Theaterregisseure integrieren Material des Arbeitsprozesses in ihre Inszenierungen und partizipieren damit auf ihre Weise an dem offenen Textbegriff, der eine konzeptionelle Leitlinie der Wiener Ausgabe ist.
- Bodo Plachta, Universität Osnabrück - Deutschland
Research Output
- 2 Zitationen
- 12 Publikationen
-
2015
Titel Geschichten aus dem Wiener Wald DOI 10.1515/9783110450088 Typ Book Verlag De Gruyter Link Publikation -
2014
Titel "Überhaupt bilden wir Jungen uns viel zu viel ein" Ödön von Horvath reagiert auf Heinrich Mann. Typ Book Chapter Autor Atze -
2014
Titel Ein Kind unserer Zeit DOI 10.1515/9783110337907 Typ Book Verlag De Gruyter -
2011
Titel Ein ungeliebtes Erstlingswerk. Ödön von Horvath revidiert sein "Buch der Tänze" (1922). Typ Book Chapter Autor Atze -
2012
Titel Im Schatten einer Totenmaske oder: "Liebe ist nur eine fixe Idee" - Hertha Pauli und Ödön von Horvath. Typ Book Chapter Autor Blumesberger -
2012
Titel Eine Unbekannte aus der Seine / Hin und her DOI 10.1515/9783110291018 Typ Book editors Streitler-Kastberger N, Vejvar M Verlag De Gruyter -
2013
Titel Jugend ohne Gott DOI 10.1515/9783110337785 Typ Book Verlag De Gruyter -
0
Titel Horvath lesen. Typ Other Autor Streitler-Kastberger N -
0
Titel Horvath spielen. Typ Other Autor Ehrenreich A -
0
Titel Ödön von Horvath: Der jüngste Tag / Ein Dorf ohne Männer. Typ Other Autor Streitler N -
0
Titel "wie der Kitsch die seinerzeit geborstene Erdkruste nennt" - Die Alpen bei Ödön von Horvath. Typ Other Autor Vejvar M -
0
Titel Ödön von Horvath: Ein Sklavenball / Pompeji. Typ Other Autor Vejvar M