Emotionaler Egozentrizitäts-Bias über die Lebensspanne
Emotional Egocentricity Bias across the lifespan
Wissenschaftsdisziplinen
Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (70%); Psychologie (30%)
Keywords
-
Emotional Egocentricity Bias,
Magnetic Resonance Imaging,
Empathy,
Aging,
Development
Im vorliegenden Projekt sollen die neuralen Grundlagen von altersabhängigen Veränderungen des emotionalen Egozentrizitäts-Bias (emotional egocentricity bias; EEB) untersucht werden. Das Phänomen EEB, welches erst vor kurzem etabliert wurde, beschreibt den Einfluss unseres gegenwärtigen emotionalen Zustands auf das empathische Verständnis für den emotionalen Zustand einer anderen Person. Es wurde gezeigt, dass bei jungen Erwachsenen zwei Gehirnregionen an der Bewältigung des EEB beteiligt sind, im Speziellen ein parietales Areal (rechter Gyrus supramarginalis, rSMG) und ein frontales Areal (dorsolateraler präfrontaler Kortex, DLPFK). Über diese Areale wurde herausgefunden, dass deren Entwicklung bis in die späte Jugend hinein noch nicht abgeschlossen ist, und dass deren Degeneration ab dem siebten Jahrzehnt beginnen kann. Ausgehend davon wurde die Veränderung des EEB über die Lebensspanne in einer Verhaltensstudie unserer Forschungsgruppe untersucht. Dabei zeigte sich, dass der EEB über die Lebensspanne, also vom jugendlichen Alter über das junge und mittlere Erwachsenenalter bis hin zum älteren Erwachsenenalter, einer umgekehrten U-Form folgt. Das Ziel des vorliegenden Projektes ist es nun zu prüfen, inwieweit diese Ergebnisse durch Änderungen in der Struktur und Funktion des Gehirns über die Lebensspanne hinweg erklärt werden können. Mittels funktioneller und struktureller Magnetresonanztomographie (fMRT, sMRT) soll die Annahme überprüft werden, ob altersabhängige Veränderungen des EEB durch die altersabhängigen Veränderungen in der Funktion, Struktur und in der Konnektivität des parietalen (rSMG) und des frontalen (DLPFK) Gehirnareals zu erklären sind. Um diese Annahme zu überprüfen, werden wir 160 Versuchspersonen aus 4 verschiedenen Altersgruppen anwerben: Jugendliche (12-17 Jahre), junge Erwachsene (25-35), Erwachsene mittleren Alters (45-55) und ältere Erwachsene (65-75). Die Probanden werden an einem Experiment teilnehmen, welches die Messung des EEB sowie die Erfassung der neuronalen Prozesse, welche an dessen Überwindung beteiligt sind, ermöglicht. Währenddessen werden die funktionellen Veränderungen im Gehirn (fMRT) aufgezeichnet. Um ein vollständiges Verständnis darüber zu erlangen, welche altersabhängigen Veränderungen der Gehirnstruktur und funktion die altersabhängigen Veränderungen im EEB verursachen, werden nicht nur die funktionellen Veränderungen während des EEB-Experiments gemessen. Zusätzlich sollen auch die funktionellen und anatomischen Veränderungen in den Gehirnverbindungen und die strukturellen Gehirnveränderungen, die unabhängig von dem Experiment sind, untersucht werden. Dieses Projekt wird das erste sein, welches altersabhängige Veränderungen in Gehirnfunktion und struktur heranzieht, um die Veränderungen des EEB über die Lebensspanne hinweg zu erklären. Es wird demnach wichtige Aufschlüsse über ein Phänomen erlauben, das für soziales Verhalten entscheidend ist und eventuelle Probleme in sozialen Interaktionen in der Jugend und im späteren Erwachsenenalter erklären kann. Darüber hinaus ermöglicht das Projekt auch die Weiterentwicklung theoretischer Modelle der fundamentalen menschlichen Fähigkeit zur Empathie.
Empathie umfasst sowohl die Fähigkeit, die Emotionen anderer Personen zu erkennen und zu teilen, als auch den eigenen emotionalen Zustand von dem anderer Personen zu unterscheiden. Wenn selbstbezogene Emotionen mit Emotionen in Konflikt geraten, die andere betreffen, so wird die Empathie von egozentrischen Tendenzen beeinträchtigt. Dieses Phänomen wird als emotionaler egozentrischer Bias (EEB) bezeichnet. Frühere Untersuchungen zeigten, dass das Ausmaß des EEB über die Lebensspanne variiert. Kinder, Jugendliche und ältere Erwachsene zeigten dabei im Vergleich zu jungen Erwachsenen und Erwachsenen mittleren Alters einen höheren emotionalen Egozentrismus. In dieser Studie untersuchten wir daher die neuronalen Grundlagen dieser altersbezogenen Unterschiede, mit einem besonderen Fokus auf Jugendliche (15-18 Jahre) und ältere Erwachsene (65 Jahre), deren Gehirnprozesse wir mit jener einer Referenzgruppe jüngerer Erwachsener (21-31 Jahre) verglichen. Um die neuronalen Grundlagen des EEB zu untersuchen, griffen wir auf ein bewährtes experimentelles Paradigma zurück, welches ermöglicht, bei zwei Teilnehmer*innen gleichzeitig gegensätzliche Emotionen hervorzurufen und somit das Messen des egozentrischen Bias im emotionalen Bereich ermöglicht. Um die Hirnaktivität und Hirnstruktur zu messen, lagen die Teilnehmer*innen während der Durchführung der Aufgabe in einem MRT-Scanner. Anschließend wurde ein Mehrebenen- und Multimethoden-Neuroimaging-Ansatz angewandt, um ein umfassendes Verständnis der altersbedingten Veränderungen der neuronalen Basis des EEB zu erhalten. Die Analysen zielten dabei auf die Lokalisierung von Gehirnaktivitäten, deren sogenannte funktionelle Konnektivität, sowie auf altersbezogene Unterschiede in der Gehirnanatomie ab. Die Ergebnisse lieferten weitere Belege dafür, dass ältere Erwachsene emotional egozentrischer sind als jüngere Erwachsene, während sich bei Jugendlichen die Ergebnisse aus früheren Studien nicht bestätigen ließen. Die Ergebnisse der neuronalen Bildgebung zeigten, dass altersbedingte Unterschiede des EEB hauptsächlich mit altersbedingten Veränderungen der effektiven rSMG-Konnektivität assoziiert sind. Insbesondere bei älteren Erwachsenen ist ein höherer EEB mit einer niedrigeren Konnektivität des rSMG mit somatosensorischen kortikalen Arealen assoziiert. Diese Ergebnisse legen nahe, dass insbesondere im Alter eine intakte funktionale Konnektivität für eine optimale sozio-kognitive Funktion wichtig ist. Unsere Studie ist zudem eine der wenigen, die altersbedingte Unterschiede in der aufgabenbezogenen funktionellen Konnektivität des Gehirns während der sozio-affektiven Verarbeitung untersucht hat. Wir erwarten, dass dies weitere Forschungen anregen wird, die neue Einsichten in das Altern und dessen Effekte auf soziale Kognition und Verhalten eröffnen werden.
- Universität Wien - 81%
- Medizinische Universität Wien - 19%
- Christian Windischberger, Medizinische Universität Wien , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Carien Van Reekum, University of Reading - Großbritannien
Research Output
- 409 Zitationen
- 11 Publikationen
- 3 Disseminationen
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
- 1 Weitere Förderungen
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2023
Titel Age-related differences in interference control in the context of a finger-lifting task: an fMRI study DOI 10.1093/scan/nsad034 Typ Journal Article Autor Riva F Journal Social Cognitive and Affective Neuroscience Link Publikation -
2022
Titel The role of right supra-marginal gyrus and secondary somatosensory cortex in age-related differences in human emotional egocentricity DOI 10.1016/j.neurobiolaging.2022.01.002 Typ Journal Article Autor Riva F Journal Neurobiology of Aging Seiten 102-110 -
2019
Titel Age-related changes in human emotional egocentricity: evidence from multi-level neuroimaging DOI 10.1101/784215 Typ Preprint Autor Riva F Seiten 784215 Link Publikation -
2020
Titel Being mimicked affects inhibitory mechanisms of imitation DOI 10.1016/j.actpsy.2020.103132 Typ Journal Article Autor Rauchbauer B Journal Acta Psychologica Seiten 103132 Link Publikation -
2018
Titel Empathy decline at older age? DOI 10.18632/aging.101467 Typ Journal Article Autor Lamm C Journal Aging (Albany NY) Seiten 1182-1183 Link Publikation -
2017
Titel Are we really measuring empathy? Proposal for a new measurement framework DOI 10.1016/j.neubiorev.2017.10.009 Typ Journal Article Autor Coll M Journal Neuroscience & Biobehavioral Reviews Seiten 132-139 Link Publikation -
2018
Titel Age-related differences in the neural correlates of empathy for pleasant and unpleasant touch in a female sample DOI 10.1016/j.neurobiolaging.2017.12.028 Typ Journal Article Autor Riva F Journal Neurobiology of Aging Seiten 7-17 -
2021
Titel In amygdala we trust: different contributions of the basolateral and central amygdala in learning whom to trust DOI 10.1101/2021.05.03.442429 Typ Preprint Autor Sladky R Seiten 2021.05.03.442429 Link Publikation -
2021
Titel Basolateral and central amygdala orchestrate how we learn whom to trust DOI 10.1038/s42003-021-02815-6 Typ Journal Article Autor Sladky R Journal Communications Biology Seiten 1329 Link Publikation -
2020
Titel When differences matter: rTMS/fMRI reveals how differences in dispositional empathy translate to distinct neural underpinnings of self-other distinction in empathy DOI 10.1016/j.cortex.2020.03.009 Typ Journal Article Autor Bukowski H Journal Cortex Seiten 143-161 Link Publikation -
2017
Titel Imaging empathy and prosocial emotions DOI 10.1016/j.neulet.2017.06.054 Typ Journal Article Autor Lamm C Journal Neuroscience Letters Seiten 49-53
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2020
Link
Titel Austrian Parliament Science consulting Typ A formal working group, expert panel or dialogue Link Link -
2020
Link
Titel Covid-19 Consulting to Federal Agencies Typ A formal working group, expert panel or dialogue Link Link -
2020
Link
Titel Expert panel on Covid-19 Austrian Academy of Sciences Typ A formal working group, expert panel or dialogue Link Link
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2017
Titel Conference Award/International Association for the Study of Affective Touch (IASAT2017) Typ Research prize Bekanntheitsgrad Continental/International
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2019
Titel Unravelling the role of the opioid system in pain empathy Typ Other Förderbeginn 2019 Geldgeber Austrian Science Fund (FWF)