Vorschulalter: Entwicklung von Händigkeit und Sprache
Pre-School Age: Development of Hand Laterality and Language
Wissenschaftsdisziplinen
Klinische Medizin (60%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (40%)
Keywords
-
Pre-School Age,
Development,
Hand Preference,
Language,
Lateralization,
EEG
Beim geplanten Projekt handelt es sich um die Fortsetzung einer engmaschigen longitudinalen Studie zur normalen Entwicklung der Motorik und der Sprache mit dem Ziel, neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Handpräferenz, der Lateralisierung der Sprache sowie den Zusammenhang beider zu erlangen. Die an der Langzeitstudie teilnehmenden 30 sich optimal und weniger optimal entwickelnden Kinder wurden bis dato sechzehn Mal zu verschiedenen Fragestellungen der motorischen Entwicklung und der Sprachentwicklung untersucht. Im geplanten Projekt soll der Fokus auf dem Vorschulalter liegen. Lateralität, im Sinne einer Seitenpräferenz, entwickelt sich schon sehr früh. Handpräferenz läßt sich meist schon bei dreijährigen Kindern erkennen, kann sich aber noch bis ins Alter von acht bis elf Jahren ändern bzw. stabilisieren. Die Händigkeit ist auf Grund ihrer Implikation für die Lateralisierung von Gehirnfunktionen sowie für die klinische Praxis von größter Relevanz. Auch im Rahmen der Sprachentwicklung ist das Erreichen von sprachlichen `Meilensteinen`, wie etwa die ersten produktiven Wörter, sehr variabel. Es ist aber von höchster klinischer Wichtigkeit, Störungen der Sprache möglichst früh zu erkennen, um entsprechende therapeutische Maßnahmen zu setzen. Sprachverständnis, Produktion, Lexikonentwicklung, grammatische Verarbeitung oder auch Prosodie sind im Gehirn unterschiedlich repräsentiert und zunächst bilateral angelegt. Die Dominanz der linken Hemisphäre für bestimmte sprachliche Bereiche etabliert sich erst im Kleinkindalter oder später (bis zum Schulalter). Im Rahmen der geplanten Studie sollen die individuellen Entwicklungsverläufe der Handpräferenz für vertraute aber auch unbekannte motorische Abläufe, die Lateralisierung für spezifische Sprachaufgaben, wie zum Beispiel dem Bilder-Benennen sowie die Beziehung zwischen beiden untersucht werden. Darüber hinaus sollen lexikalische, grob- und feinmotorische Entwicklung, sowie die neurologische Entwicklung als ergänzende Fragestellungen behandelt werden. Im Rahmen des geplanten Projekts sollen 30 Kinder mit 5 1/2 und 6 1/2 Jahren mittels verschiedener altersspezifischer motorischer- , neurologischer- und Sprachtests sowie Event-Related Brain Potentials (ERP) und EEG-Kohärenz-Analysen untersucht werden. Vor allem letztere sind nicht-invasive Techniken zur Feststellung von Entwicklungsunterschieden in der Organisation der Gehirnaktivität, zum Beispiel der Lateralität der Sprache aber auch die Handdominanz betreffend, die sich speziell für die Durchführung bei Kindern eignen.
Das FWF Project P16984-B02 (Vorschulalter: Entwicklung von Händigkeit und Sprache) ist Teil eines umfassenden Langzeit-Forschungsprojektes zur normalen und beeinträchtigten motorischen Entwicklung und des Spracherwerbs. Ziel dieser Studie ist es, mehr über die frühkindlichen grob- und feinmotorischen Fertigkeiten, die Sprache und die Kognition sowie deren Zusammenhänge zu verstehen. Um diese Fragen zu klären, haben wir 62 Kinder 19mal von ihrer Geburt bis ins Schulalter mit entsprechenden Methoden und Tests untersucht. Um den frühkindlichen Wortschatz im Detail zu erheben, haben wir ein entsprechendes Verfahren aus dem Amerikanischen adaptiert und für das Österreichische Deutsch weiterentwickelt. Entsprechend dem Alter des Kindes gibt es vier verschiedene "Austrian Communicative Development Inventories" zur Erhebung der Kommunikationsentwicklung. Die Angaben der Eltern mithilfe dieser Listen stimmen mit den Ergebnissen von direkten Untersuchungen über kommunikative Fähigkeiten überein. Dies gilt sowohl für frühkindliches Wortverständnis als auch für die Wortproduktion. Die frühkindliche Wortproduktion ist umso differenzierter je besser das elterliche Bildungs- und Berufsniveau ist. Erstgeborene Kinder sprechen in der Regel früher und mehr. Mädchen und Buben unterscheiden sich in ihrer Sprachentwicklung nicht. Wenn vor oder während der Geburt eines Kindes Komplikationen aufgetreten sind und das Neugeborene eine intensive medizinische Behandlung benötigte, resultiert dies häufig in einer verzögerten Sprachentwicklung. Kinder mit einem geringen Wortschatz im zweiten Lebensjahr nennt man "Late Talker". Für gewöhnlich holen Late Talker ihre Sprachentwicklungsverzögerung bis ins Vorschul- bzw. Schulalter auf, zeigen aber leichte neurologische Abweichungen: Ungeschicklichkeit in der Bewegungskoordination, der Balance und der Feinmotorik. Dieselben Kinder entwickeln auch später ihre Handpräferenz. Feinmotorische Fähigkeiten während des Vorschul- und Schulalters können bereits durch eine Analyse von Bewegungen im Säuglingsalter vorhergesagt werden. Säuglinge, die in ihren ersten Lebensmonaten nicht altersgerecht strampeln, haben ein hohes Risiko für eine spätere Bewegungsstörung. Dies gilt für Kinder, die vor oder während oder unmittelbar nach ihrer Geburt eine Hirnschädigung erworben haben, aber auch für bestimmte genetische Erkrankungen. Die Art und Weise, wie Säuglinge nach einem Gegenstand greifen, erzählt bereits viel über die spätere Händigkeit. Auf der anderen Seite, sind einzelne Tests für den Handgebrauch, wie z.B. Stifte in eine gelochte Holzplatte stecken oder einen Turm bauen, für das Testen von Händigkeit wenig geeignet. Diese Aufgaben werden über viele Jahre variabel durchgeführt und hängen nicht mit der Händigkeit im Vorschul- und Schulalter zusammen. Händigkeit lässt sich daher nur über eine große Anzahl von altersspezifischen Tests bestimmen.
- Fabrizio Ferrari, University of Modena and Reggio Emilia - Italien
- Giovanni Cioni, Università degli Studi di Pisa - Italien
- Arend F. Bos, University of Groningen - Niederlande
Research Output
- 358 Zitationen
- 9 Publikationen