Bunte Farbtöpfe und diverse Malutensilien auf braunem Tisch
Kunstbasierte Forschung wird vom FWF im Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK) gefördert. © Unsplash/Laura Adai

Das Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK) ist eine besondere Förderung des FWF, wie es sie in Europa nur selten gibt: Es geht darin um kunstbasierte Forschungsprojekte, um Wissenschaft, die künstlerische und wissenschaftliche Erkenntnisweisen und Methoden gleichberechtigt integriert.

„Mit dem Programm PEEK möchten wir die internationale Relevanz kunstbasierter Forschung erhöhen und die Erkenntnismöglichkeiten der beteiligten Forschungsdisziplinen erweitern. Die geförderten Projekte zeichnen sich daher immer durch einen besonders hohen Innovationsgrad aus“, sagt Christof Gattringer, Präsident des FWF.

Im Dezember 2023 wurden durch PEEK vier Projekte mit insgesamt 1,71 Millionen Euro gefördert, eines davon aus der Förderinitiative AI Mission Austria. Die vier Projekte integrieren zwölf verschiedene Disziplinen – von der Akustik über darstellende Kunst bis hin zu Machine-Learning und Quantenphysik. Insgesamt konnten im letzten Jahr 15 Projekte mit einem Volumen von 6,1 Millionen Euro gefördert werden, darunter zwei Projekte mit einer Co-Finanzierung der Länder Kärnten und Tirol im Rahmen der Matching-Funds-Initiative.

Die Projekte im Einzelnen

PHILOSOPHIE DER KUNST : KUNST DER PHILOSOPHIE

Porträtfoto Arno Böhler
Arno Böhler beschäftigt sich mit der Kunst in der Philosophie. © Universität Wien/Joseph Krpelan

Projektleitung: Arno Böhler
Forschungsstätte: Artistic Research Center (ARC) der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Disziplinen: Darstellende Kunst, Interkulturelle Philosophie, Kardiologie und Quantenfeldtheorie
Fördervolumen: 427.885,09 €

Das Herz als Repräsentation des körperlichen und sensitiven Wahrnehmens steht im Mittelpunkt dieses auf dreieinhalb Jahre angelegten Forschungsprojekts, bei dem ein Kardiologe, eine Quantenphysikerin, ein bildender Künstler, zwei Schauspieler:innen, eine Tänzerin, mehrere Philosoph:innen, ein Asienwissenschaftler und ein Musiker ein Forschungskollektiv bilden. Die Forschenden stammen aus den USA, Indien und Europa. In Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche und mit Aurobindo wird das interkulturelle Kollektiv in Workshops, Vorträgen, Gesprächen und öffentlichen Aufführungen an die Ursprünge der Abtrennung des Körperlichen, Affektiven und Künstlerischen von Wissenschaft und Philosophie erinnern und versuchen, beide Dimensionen wieder zu verbinden. Während der Forschung entsteht neben Performances ein gemeinsames Notizbuch mit Texten und Zeichnungen, das als Buch publiziert wird. „In der europäisch-westlichen Tradition der Wissenschaften und der Philosophie sind wir geübt darin, an Begriffen zu feilen, aber wir sind auf einer affektiven und körperlichen Ebene stumm: Die Wissenschaft tut so, als ob sie körperlos denken würde, obwohl in der griechischen Antike philosophisches Wissen noch als eine Lebensform begriffen wurde, die körperlich eingeübt werden muss. Unsere Forschung möchte daran erinnern, dass auch Wissenschaftler:innen ‚ein Herz haben‘, wie die Yoga-Philosophie sagt“, so der Philosoph Arno Böhler, der das Projekt leitet. Er ergänzt: „Diesem Herzen eignen nämlich ganz eigene Wissensformen.“ Die künstlerische Forschung, Arts-based Research, soll die verdrängte affektive Ebene wieder aktivieren, sichtbar machen und analysieren.

Spirits in Complexity

Porträtfoto Thomas Grill
Thomas Grill sucht nach den „Geistern“, die elektroakustische Musikinstrumente und Technologien beseelen. © Lisa Truttmann

Projektleitung: Thomas Grill
Forschungsstätten: Artistic Research Center (ARC) der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; Institut für Computational Perception der Johannes Kepler Universität Linz
Disziplinen: Komposition, Medienkunst, Machine-Learning, Technikethik
Fördervolumen: 448.840,14 €

Künstler:innen, Klangforscher:innen, Computerspezialist:innen und Medienethiker:innen werden sich in diesem kunstbasierten Forschungsprojekt unter der Leitung von Thomas Grill auf die Suche nach den „Geistern“ im metaphorischen Sinne machen, die elektroakustische Musikinstrumente und Technologien beseelen. Ein Ausgangspunkt für das mehrjährige Projekt war für die beteiligten Forscher:innen und Künstler:innen die Erkenntnis, dass elektronische Instrumente – oder genereller Klangtechnologien, darunter auch Software, deren Klangproduktion auf künstlicher Intelligenz beruht –einen Eigensinn haben und in diesem Eigensinn mitunter unzugänglich bleiben: „Viele dieser Technologien, mit denen wir arbeiten, sind bis zu einem gewissen Grad Black Boxes. Sie sind nicht völlig durchschaubar, sie bergen Geheimnisse“, erklärt Grill, der an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien den Universitätslehrgang für elektroakustische und experimentelle Musik leitet. Wie kann man sich diesen metaphorischen Geistern annähern? Statt den analytisch-technischen Weg der Messung zu gehen, wollen die Forschenden neue Wege ausprobieren, mit den Technologien in eine diskursive Beziehung zu treten und ihnen als beseelte Objekte zu begegnen. Vorbilder für diesen Zugang finden die Forschenden in indigenen Ontologien oder Ritualen im Umgang mit akustischen Musikinstrumenten. Die Forschenden werden sich unter anderem mit dem individuellen Leben einzelner elektroakustischer Instrumente befassen und der Veränderung ihres Klangcharakters im Lauf der Zeit nachgehen; die Umweltbedingungen verändern, in denen sich elektroakustische Instrumente entfalten; Feedback als Werkzeug subtiler Kontaktnahme untersuchen; Licht in die latenten Räume (latent spaces) von KI-Modellen bringen; Musiksysteme, die automatisch Musik generieren, künstlerisch nutzen und schließlich Kompositionen mit menschlichen und nichtmenschlichen Teilnehmenden schaffen. Das Kunstforschungsprojekt verspricht auf diese Weise Erkenntnisse, die auch den Umgang mit den KI-Systemen des Alltags inspirieren können. Thomas Grill: „Wenn KI-Systeme und die Techno-Monopole dahinter unser Leben so stark bestimmen, sollten wir uns nicht auf eine passive Nutzung zurückziehen, sondern selbst definieren, wie wir mit diesen Systemen umgehen, und aktiv und kritisch unser Leben mit ihnen gestalten.“

Einer kommenden Revolution gedenken

Ujjwal Kanishka Utkarsh in der PSK-Kassenhalle
Ujjwal Kanishka Utkarsh geht der Frage nach, ob man einer vielleicht noch kommenden Revolution gedenken kann. © FWF/Sylvia Fritsch

Projektleitung: Ujjwal Kanishka Utkarsh
Forschungsstätte: Institut für Kunst und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste Wien
Disziplinen: Bildende Kunst, Kulturanthropologie, Politische Geografie
Fördervolumen: 399.727,13 €

Kann man einer Revolution gedenken, die (vielleicht) noch kommt? Die Revolution, um die es in diesem kunstbasierten Forschungsvorhaben geht, begann 1927: Die Revolution der Dalit (unterste Gruppen der hinduistischen Gesellschaft), die die auf Kasten beruhende soziale Ordnung in Indien auch heute noch herausfordert. „Diese Revolution ist ein Prozess, der unabgeschlossen ist und wohl auch unabgeschlossen bleiben wird, eben weil es ein Prozess ist“, sagt der Filmemacher Ujjwal Kanishka Utkarsh, der das Forschungsprojekt über die Dalitbewegung initiiert hat, zum Titel des Vorhabens. Ungeachtet der Vollständigkeit oder Unvollständigkeit der Revolution wird der 20. März, an dem der Rechtsanwalt und spätere Arbeitsminister B. R. Ambedkar die erste öffentliche Kundgebung gegen soziale Diskriminierung in Mahad initiierte, dort jedes Jahr mit großem Pomp und Spektakel begangen. Es ging 1927 um das Recht der Dalit auf die Nutzung von öffentlichen Wasserquellen. Durch Ambedkar wurde daraus eine Bewegung gegen das Kastensystem, und der 14. April, Ambedkars Geburtstag, ist in Indien heute ein Staatsfeiertag. Die Forschenden werden der Erinnerung und dem Gedenken an Dr. B. R. Ambedkar und die Dalitbewegung nachgehen und dabei die Linearität von Erinnerung und (filmischem) Erzählen infrage stellen. Es soll neben Ausstellungen und Performances in Wien und in Mahad ein Film entstehen, der unter anderem auf Gesprächen mit Menschen beruht, die direkt oder indirekt mit den Ereignissen im März 1927 verbunden sind oder sich an Erzählungen über die Ereignisse erinnern. Die Forschenden und Künstler:innen stammen aus unterschiedlichen Disziplinen (Perfomance, Film und politische Geografie) und Kasten, haben unterschiedliche Nationalitäten (indisch, US-amerikanisch und mexikanisch) und Geschlechter. „Ich freue mich darauf, bei diesem Projekt die Disziplinengrenzen zu überschreiten. Wir sind oft genug in unseren jeweiligen Diskursen und Rhetoriken gefangen“, so Utkarsh.

Klang als Partitur

Porträtfoto Elisabeth Schimana
Elisabeth Schimana widmet sich dem relativ neuen Forschungsfeld Klang als Partitur. © Rainhard Mayr

Projektleitung: Elisabeth Schimana
Forschungsstätten: mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien mdw; Institut für Musikwissenschaft der Universität Graz; Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Disziplinen: Komposition, Musikwissenschaft, Akustik
Fördervolumen: 435.629,51 €

Wie interpretieren Musiker:innen Partituren, wenn diese nicht in schriftlicher Form als Noten vorliegen, sondern als Klang? Wie müssen Komponist:innen solche Klangpartituren formulieren, damit sie richtig interpretiert werden? Um Fragen wie diese zu beantworten, begeben sich die Forschenden um Elisabeth Schimana zunächst auf eine globale Spurensuche nach den Partituren, die es nur in akustischer Form gibt, und nach Komponist:innen, die mit diesen Partituren arbeiten. Aus dieser Recherche soll zum ersten Mal ein Überblick über die bisher unbekannten Akteur:innen und Audiopartituren entstehen. „Klang als Partitur ist ein relativ neues Feld, es gibt kaum Forschung dazu und international wenig Austausch“, sagt Elisabeth Schimana. Schimana ist Komponistin, forscht an der mdw und komponiert selbst mit Klangpartituren. „Bei Notationen und graphischen Systemen gibt es einen Medienwechsel vom Klang zur Schrift und umgekehrt“, erklärt sie. „Bei der Interpretation übersetzen Musiker:innen die visuellen Zeichen wieder in Klang. Dieser Interpretationsprozess ist gut erforscht, aber in Bezug auf Klangpartituren ist noch sehr wenig darüber bekannt, warum Musiker:innen sich wie für eine bestimmte Interpretation einer komplexen Audiopartitur entscheiden.“ Um diese Entscheidungsprozesse besser zu verstehen, gehen die Forschenden gemeinsam mit Komponist:innen in ein Kompositionslabor. Dort werden Komponist:innen unterschiedliche Methoden der Generierung und Interpretation von Audiopartituren experimentell erforschen und analysieren. Gestützt durch die Psychoakustik und die ästhetische Analyse der Musikwissenschaft lassen sich Rückschlüsse für die Komponierenden ziehen: Wie muss eine Partitur generiert werden, damit sie in einer bestimmten Weise interpretiert wird? Speziell die Psychoakustik sei eine noch wenig genutzte Analysemethodik in der Komposition, erläutert Schimana. „Wir können daher erwarten, viele neue Erkenntnisse zu gewinnen, die ohne diese Verbindung von Forschung und Kunst, in diesem Fall die Beteiligung von Musikwissenschaftler:innen, Psychoakustiker:innen, Musiker:innen und Komponist:innen nicht möglich wäre. Alle beteiligten Disziplinen und Künste werden viel voneinander lernen.“

Das FWF-Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK)

Das Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK) fördert innovatives Arts-based Research von hoher Qualität, wobei die künstlerische Praxis eine zentrale Rolle bei der Fragestellung spielt. Ziel ist die Erhöhung der Forschungskompetenz, der Qualität und des internationalen Rufs österreichischer Arts-based Researchers. Auch das Bewusstsein für Arts-based Research und dessen potenzielle Anwendung innerhalb der breiteren Öffentlichkeit wie auch innerhalb der wissenschaftlichen und künstlerischen Communitys soll gesteigert werden. Die maximale Laufzeit geförderter Projekte beträgt 48 Monate. 

Die Einreichung zum Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste ist laufend möglich.

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