Wissenschaftsdisziplinen
Philosophie, Ethik, Religion (100%)
Keywords
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Scholastic Distinction,
Early Modern Rationalism,
Matter/Body,
Composition/Constitution
In unserem Umgang mit der Welt treffen wir permanent Unterscheidungen, etwa zwischen einer Katze und der Matte, auf der sie schläft, aber auch zwischen den Pfoten und dem Rest der Katze. Dass wir das tun, ist ganz natürlich, aber aus philosophischer Sicht problematisch: Was sind die Grundlagen dafür, dass wir solche Unterscheidungen treffen? Und wenn ein Ding aus so vielen und noch dazu aus so vielen unterschiedlichen Teilen besteht, inwiefern ist es dann überhaupt ein Ganzes? Und ist es noch dasselbe Ganze, wenn es einen dieser Teile verliert? An der Beantwortung dieser Frage hängt philosophisch insofern viel, als dass von ihrer Beantwortung etwa abhängt, was wir überhaupt als ein Ding fassen können oder auch als ein über die Zeit hinweg bestehendes Ding. Auch in der Geschichte der Philosophie ist dieses Problem an vielen Stellen zu finden und insbesondere die mittelalterlichen Philosophen haben diverse ausgeklügelte Systeme entwickelt, um alle möglichen Unterscheidungen, die wir sowohl im Alltag wie auch in der Wissenschaft antreffen, beherrschen zu können. Bei ihren Nachfolger:innen in der darauffolgenden frühen Neuzeit und im Rahmen des aufkommenden mechanistischen Weltbildes werden diese Theorien zwar nicht explizit übernommen, aber sie helfen uns besser zu verstehen, wie von nun an Einzeldinge, insbesondere Körper, überhaupt gedacht werden können. Als besonders interessant erweisen sich in diesem Kontext die frühneuzeitlichen Rationalist:innen, die einerseits darauf bedacht sind, grundlegende Eigenschaften von Körpern, wie Ausdehnung, begrifflich-konzeptuell zu fassen und dadurch zu metaphysischen und physikalische Theorien kommen, in denen Körper als solche eigentlich gar nicht oder nur sehr vage und beschwerlich als Individuen zu sehen sind. Aber anderseits sind diese Denker:innen ebenso dazu verpflichtet, zu erklären, wie diese Vorstellung von Körpern mit unserer Erfahrung, in der uns individuelle Körper nicht nur eindeutig gegeben sind, sondern auch eine große Rolle spielen, zu vereinbaren ist. Gerade dieser Gegensatz, so die These dieses Projekts, lässt sich unter Zuhilfenahme von Unterscheidungstheorien erläutern. Dadurch zeigt sich, dass frühneuzeitliche Rationalist:innen Körper auf zwei Arten denken: vom individuellen Ganzen (also das Ganze vor den Teilen denkend) sowie von seinen Teilen (also die Teile als Grundlage für das Ganze denkend) aus. Diese Betrachtungsweise zeigt zum einen, dass Denker:innen aus derselben Tradition, dem Rationalismus, zu erstaunlich unterschiedlichen Konzeptionen kommen, wie sich Körper überhaupt denken lassen, aber es zeigt uns darüber hinaus auch, wie wir heute Einzeldinge denken können und was es überhaupt heißt, ein Einzelding zu sein und zu bleiben.
- University of Toronto - 50%
- Humboldt-Universität zu Berlin - 50%