Chaos und Risiken für die Erde durch stellare Vorbeigänge
Chaotic streams and risks for Earth due to passing stars
Wissenschaftsdisziplinen
Physik, Astronomie (100%)
Keywords
-
N-Body Dynamics,
Sph Collision Simulations,
Chaos,
Passing Star
In rund 1,3 Millionen Jahren wird ein Stern die äußerste Region unseres Sonnensystems, die Oortsche Wolke, durchqueren. Die dabei auftretenden gravitativen Wechselwirkungen führen nicht nur zu Chaos in dieser Region, sondern sind auch Auslöser für Kometenströme in Richtung Sonne und erhöhen damit das Risiko von Kometeneinschlägen auf der Erde. Diese Vorgänge werden im Rahmen dieses FWF- Projekts eingehend untersucht, mit dem Ziel, die erhöhte Kollisionswahrscheinlichkeit mit der Erde abzuschätzen. Die wissenschaftliche Arbeit dieses Projekts lässt sich in folgende drei Studien unterteilen. VORBEIZIEHENDE STERNE Die europäische Weltraummission GAIA hat gezeigt, dass sich der Stern Gliese 710 (ein K-Stern) in Richtung Sonnensystem bewegt und dabei in einer Entfernung zwischen 600 Mrd. und 1800 Mrd. Kilometern von der Sonne die Oortsche Wolke durchqueren wird. Diese äußerste Region des Sonnensystems ist bekannt als Reservoir von Milliarden von Kometen. Es ist daher anzunehmen, dass dieser stellare Fly-by Kometenströme in Richtung Sonne entfacht, die die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen auf der Erde signifikant erhöhen. Dabei wurden bei der Sterndurchmusterung von GAIA die massearmen Sterne (M-Stern) nicht beobachtet, diese sind aber in Sonnenumgebung mit rund 90 Prozent bei weitem in der Mehrzahl. Im Rahmen dieses Projekts sollen auch die M-Sterne und die noch kleineren Braunen Zwerge in die Studie der stellaren Fly-bys einbezogen werden, um auch deren Auswirkung auf das Impaktrisiko auf der Erde abzuschätzen. CHAOS AM RANDE DES PLANETENSYSTEMS Das Chaos, das durch den stellaren Fly-by im äußeren Sonnensystem entsteht, betrifft vorwiegend die Kometen der Oortschen Wolke und des Kuiper Gürtels. Durch numerische Simulationen wird gezeigt, wie sich das Chaos in Richtung inneres Sonnensystem weiter entwickelt und welchen Einfluss die Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun dabei haben. Besondere Beachtung schenken wir den großen Objekten des Kuiper Gürtels (wie Sedna oder Eris), die hinsichtlich Bahnstabilität untersucht werden, um das Störpotential für den äußersten Planeten im Sonnensystem abzuschätzen. Auch der noch unentdeckte Planet 9 wird dabei ins Visier genommen. KOLLISIONEN VON KOMETEN UND ASTEROIDEN Kometenströme, die durch den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter ziehen, können zu Kollisionen zwischen Kometen und Asteroiden führen. Diese Ereignisse sollen in diesem Projekt simuliert werden,um das Zusammenspiel von Kollisionen und Bahndynamik zu untersuchen. Außerdem wird überprüft, ob die bisweilen unentdeckten kleineren Asteroiden, die erst mittels Large Synoptic Survey Teleskop LSST (auch bekannt als Rubin Observatory) beobachtet werden können, zusätzlich die Kollisionswahrscheinlichkeit auf der Erde beeinflussen.
Da die Sterne unserer Galaxie (Milchstrasse) auf unterschiedlichen Umlaufbahnen das galaktische Zentrum umkreisen, kann es immer wieder zu nahen Begegnungen von Sternen kommen. Auch unsere Sonne wird in 1,29 mio. Jahren einen stellaren "Besucher" bekommen. Noch ist der Stern Gliese 710 rund 62 Lichtjahre von uns entfernt und kann nur mit Teleskopen im Sternbild Schlange beobachtet werden. In 1,29 mio. Jahren wird er nur 10500 Astronomische Einheiten (AE) oder 1,57 Billionen km von der Sonne entfernt sein. Die Planeten des Sonnensystems werden dabei nicht gestört. Unseren Berechnungen zufolge müsste sich Gliese 710 bis zu 80 AE der Sonne nähern, um die Bahn des äußersten Planeten Neptun (bei ~30 AE) zu destabilisieren. Dennoch wird Gliese 710 das Sonnesystem stören, da er die Oort'sche Wolke durchqueren wird . Die Oort'sche Wolke ist bekanntlich das Reservoir von langperiodischen Kometen (Umlaufperioden > 200 Jahre) und erstreckt sich im Anschluss an den Kuiper Gürtel bis 100000 AE (~15 Mrd. km). Aufgrund diverser Studien ist anzunehmen, dass sich in diesem Bereich bis zu 1 Billion Kometen befinden, die auf unterschiedlichen Bahen (meist sehr exzentrisch und zum Teil auch hyperbolisch) die Sonne umlaufen. Für die Dauer des Fly-bys (ca. 64000 Jahre) wird Gliese 710 unser zweiter Stern im Sonnensystem sein und entlang seiner Bahn Millionen von Kometen stören, so dass diese entweder in Richtung Sonne und damit in Richtung Erde ziehen oder in den intergalaktischen Raum entweichen. Dieses Projekt hat das Fly-by Szenario von Gliese 710 erstmals mittels N-Körper Simulationen studiert und Folgendes konnte gezeigt werden: Angenommen alle 16 AE ist ein Komet und wir betrachten die Störung nur im Einflussbereich von Gliese 710 entlang seiner Bahn (mit Radius von 8152 AE), worin somit rund 220 mio. Objekte verteilt sind, dann wird ca. die Hälfte der Kometen von Gliese 710 in den interstellaren Raum katapultiert und 66600 Kometen werden in Richtung inneres Sonnensystem gelenkt. Davon gelangen 4900 Kometen sofort in den für uns beobachtbaren Bereich (innerhalb der Jupiterbahn), wovon 20 Kometen ihre sonnennächste Position nahe der Erdbahn haben. Allerdings sind diese Bahnen mehr oder weniger stark geneigt zur Erdbahn, wodurch mögliche Kollisionen mit den terrestrischen Planeten eher unwahrscheinlich sind. Weiters werden über Millionen von Jahren immer wieder langperiodische Kometen ins innere Sonnensystem kommen, aber aufgrund ihrer unterschiedlichen Bahnen treten diese nicht als Kometenschwarm in Erscheinung, sondern als Einzelerscheinungen. Abschließend sei noch angemerkt, dass sich die Bahnen von Sonne und Gliese 710 nach der Begegnung in 1,29 mio Jahren geringfügig ändern werden. Da diese Änderung von den Sternmassen (Gliese 710 hat 60 % der Sonnenmasse) und der Fly-by Distanz abhängen, ist die Verschiebung der Sonnenbahn nur geringfügig (<50 AE das ist die Distanz Sonne-Pluto).
- Technische Universität Graz - 100%
- Christoph Schäfer, Eberhard-Karls-Universität Tübingen - Deutschland
- Daniel Hestroffer, Observatoire de Paris - Frankreich
- Marc Fouchard, Université de Lille 1 - Frankreich
- Kleomenis Tsiganis, Aristotle University of Thessaloniki - Griechenland
- Nikolaos Georgakarakos, New York University - Abu Dhabi - Vereinigte Arabische Emirate
- Siegfried Eggl, University of Washington - Vereinigte Staaten von Amerika
Research Output
- 20 Zitationen
- 13 Publikationen
- 2 Datasets & Models
- 1 Software
- 3 Disseminationen
- 3 Weitere Förderungen
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2024
Titel Perturbations of trans-Neptunian objects due to Gliese 710’s passage DOI 10.5194/epsc2024-1358 Typ Other Autor Loibnegger B -
2024
Titel Collision outcomes due to planetesimal and planetary embryo interactions in inclined binary star systems DOI 10.1017/s1743921323004751 Typ Journal Article Autor Pilat-Lohinger E Journal Proceedings of the International Astronomical Union -
2022
Titel The effect of the passage of Gliese 710 on Oort cloud comets DOI 10.1017/s1743921321001381 Typ Journal Article Autor Loibnegger B Journal Proceedings of the International Astronomical Union -
2022
Titel On the scattering and dynamical evolution of Oort cloud comets caused by a stellar fly-by DOI 10.1017/s1743921321001332 Typ Journal Article Autor Clees S Journal Proceedings of the International Astronomical Union -
2022
Titel Dynamical Evolution of TNOs after a stellar encounter DOI 10.5194/epsc2022-1165 Typ Other Autor Loibnegger B -
2021
Titel Protoplanet collisions: Statistical properties of ejecta DOI 10.1093/mnras/stab2951 Typ Journal Article Autor Crespi S Journal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Seiten 6013-6022 Link Publikation -
2023
Titel GANBISS: a new GPU accelerated N-body code for binary star systems DOI 10.1007/s10569-023-10147-2 Typ Journal Article Autor Zimmermann M Journal Celestial Mechanics and Dynamical Astronomy Seiten 33 Link Publikation -
2021
Titel Protoplanet Collisions: Statistical Properties of Ejecta DOI 10.48550/arxiv.2110.02977 Typ Preprint Autor Crespi S -
2022
Titel GANBISS: A new GPU accelerated N-body code for Binary Star Systems DOI 10.21203/rs.3.rs-2382947/v1 Typ Preprint Autor Zimmermann M Link Publikation -
2022
Titel Building Terrestrial Planets: Why results of perfect-merging simulations are not quantitatively reliable approximations to accurate modeling of terrestrial planet formation DOI 10.48550/arxiv.2201.06702 Typ Preprint Autor Haghighipour N -
2022
Titel Building Terrestrial Planets: Why Results of Perfect-merging Simulations Are Not Quantitatively Reliable Approximations to Accurate Modeling of Terrestrial Planet Formation DOI 10.3847/1538-4357/ac4969 Typ Journal Article Autor Haghighipour N Journal The Astrophysical Journal Seiten 197 Link Publikation -
2022
Titel Residual neural networks for the prediction of planetary collision outcomes DOI 10.1093/mnras/stac2933 Typ Journal Article Autor Winter P Journal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Seiten 1224-1242 Link Publikation -
2022
Titel Residual Neural Networks for the Prediction of Planetary Collision Outcomes DOI 10.48550/arxiv.2210.04248 Typ Preprint Autor Winter P
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2023
Link
Titel Planetary collision data set DOI 10.1093/mnras/stac2933 Typ Database/Collection of data Öffentlich zugänglich Link Link -
2023
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Titel Machine learning (ML) models for collision treatment DOI 10.1093/mnras/stac2933 Typ Computer model/algorithm Öffentlich zugänglich Link Link
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2023
Link
Titel GANBISS DOI 10.1007/s10569-023-10147-2 Link Link
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2022
Titel Visiting researcher Typ Research grant (including intramural programme) Förderbeginn 2022 Geldgeber Observatory of Paris -
2025
Titel ISSI Team "LIFE-OSS" Typ Travel/small personal Förderbeginn 2025 Geldgeber International Space Science Institute (ISSI) -
2023
Titel Mobility programme (Austria-France) Typ Travel/small personal Förderbeginn 2023 Geldgeber Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research