Lager in der sowjetischen Besatzungszone Österreichs
Encampment in the Soviet Occupation Zone in Austria
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (50%); Soziologie (50%)
Keywords
-
Soviet Occupation,
Austria,
Displaced Persons,
DP camps,
Migration,
Post-war Austria
Zu Kriegsende 1945 befanden sich rund 1,4 Millionen Displaced Persons (DPs), Flüchtlinge und Vertriebene in Österreich. Um Unterkünfte bereitstellen zu können, errichteten die alliierten Streitkräfte mehrere Arten von Lagern mit unterschiedlichen Funktionen. Zunächst geplant als provisorische und einfache Lösung, wurden die Lager oft zu langfristigen Institutionen und zu einem Provisorium, das lange funktionieren musste. Die sowjetische Besatzungszone im Nachkriegsösterreich die heutigen Bundesländer Niederösterreich und Burgenland, der nordöstliche Teil Oberösterreichs und mehrere Bezirke in Wien bildete hier keine Ausnahme. Die Unterbringung von DPs, Flüchtlingen und Vertriebenen ist bis heute ein weitgehend unerforschtes Forschungsdesiderat. Hier entstanden verschiedene Arten von Lagern für DPs, sowjetische Repatrianten und deutschsprachige Vertriebene. Die sowjetischen Planungen sahen diese Maßnahmen als streng befristet an alle DPs sollten so schnell wie möglich repatriiert, und deutschsprachige Vertriebene ins Nachkriegsdeutschland überführt werden. Alternativen wie die Auswanderung in ein Drittland oder ein Verbleib in Österreich wurden als ausgeschlossen angesehen. Dennoch scheinen einige dieser Einrichtungen länger als geplant bestanden zu haben. Das Projekt Encampment in der sowjetischen Besatzungszone zielt darauf ab, diese Forschungslücke zu schließen. Durch die Kombination der Forschungsfelder zu Zwangsmigrationen im und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie zur sowjetischen Besatzungszone werden die Orte und Praktiken der Lagerunterbringung selbst sowie die Nachnutzung von Lagerinfrastrukturen im Mittelpunkt stehen. Die Grundlage wird eine systematische topografische Bestandsaufnahme der dokumentierten Lager und Barackennachnutzungen schaffen. Anschließend folgt eine typologische Analyse der Merkmale, Funktionen und gesellschaftlichen/(bio-)politischen Ordnungen der ausgewählten Lager sowie eine Untersuchung derjenigen Abläufe und Verfahren, die mit den vielfältigen Unterbringungen verknüpft waren, wie etwa die Wege in die Lager und aus den Lagern. In einem dritten Schritt wird danach gefragt, welche Spuren die Lagerunterbringung bzw. die Nachnutzung vorhandener Lagerinfrastrukturen in der lokalen Erinnerung in ausgewählten Orten hinterlassen hat. Die Studie leistet damit einen wesentlichen Beitrag zu einem tieferen und differenzierteren Verständnis der empirischen Vielfalt von Lagerordnungen im Kontext einer transnational verschränkten Nachkriegsgeschichte, jenseits bisheriger thematischer Konstruktionen und mit konsequenter interdisziplinärer Ausrichtung. Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung und Professorin für europäische Zeitgeschichte an der Universität Graz, leitet dieses Projekt. Dieter Bacher (LBI für Kriegsfolgenforschung) übernimmt die Koordination und die Sammlung sowie Analyse insbesondere sowjetischer Materialien. Anne Unterwurzacher (Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung, FH St. Pölten) gibt Beiträge von sozialwissenschaftlicher Seite und legt einen besonderen Fokus auf die Erinnerungskultur. Zwei weitere wissenschaftliche Mitarbeiter werden Studien zu österreichischen und internationalen Archivdokumenten sowie Oral-History-Interviews durchführen. Das dreijährige Projekt ist am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung, Graz Wien Raas angesiedelt. Als nationale Forschungspartner fungieren das Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung der FH St. Pölten und die Universität Graz. www.bik.ac.at
- Ludwig Boltzmann Gesellschaft - 79%
- FH St. Pölten - 21%
- Anneliese Unterwurzacher, FH St. Pölten , assoziierte:r Forschungspartner:in