Biomechanik von Blüten und Vibrationsbestäubung
Flower biomechanics and the buzz-pollination niche
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Technische Wissenschaften (30%); Biologie (50%); Maschinenbau (20%)
Keywords
-
Floral Functional Traits,
Niche Partitioning,
Plant Biomechanics,
Mechatronics,
Plant-Pollinator Networks,
Vibrational Pollen Release
Jahrzehnte der Forschung haben gezeigt, dass sich die große Vielfalt an Blütenpflanzen in Wechselwirkung mit unterschiedlichen Bestäubern entwickelt hat. Dazu wurden vor allem nahverwandte Pflanzenarten verglichen, die von unterschiedlichen Tieren (z.B. eine Art von Bienen, die andere von Kolibris) bestäubt werden und sich also sehr markant in ihren Blüten unterscheiden. In vielen Pflanzengruppen sind jedoch hunderte von Arten entstanden, die alle von der gleichen Tiergruppe (z.B. Bienen) bestäubt werden. Auch in solchen Pflanzengruppen kann eine große Blütenvielfalt auftreten, aber wie diese Blütendiversität in Anpassung an dieselbe Bestäubergruppe entsteht, ist bisher nicht erforscht. Vibrationsbestäubung durch Bienen stellt ein solches Bestäubungssystem dar, in dem tausende von Pflanzenarten von Bienen bestäubt werden. In den Blüten enthaltener Pollen, der sowohl der pflanzlichen Reproduktion als auch als Futter für die Bienen dient, kann nur freigesetzt werden, wenn Bienen die Blüten mit einer gewissen Frequenz und Bewegungsamplitude in Vibration versetzen. Viele vibrationsbestäubte Pflanzen weisen einen sehr ähnlichen Blütentyp mit zurückgeschlagenen Blütenblättern und kegelförmig angeordneten Staubblättern (in denen sich der Pollen befindet) auf, wie z.B. Tomaten, Kartoffeln oder Kiwi. In der großen tropischen Pflanzenfamilie der Melastomataceae (Schwarzmundgewächse) ist jedoch eine enorme Vielfalt an vibrationsbestäubten Blüten entstanden, bei denen sowohl kegelförmige Staubblätter, als auch komplex angeordneten Staubblätter mit auffälligen Staubblattanhängseln vorkommen. Inwieweit diese Blütendiversität Anpassungen an unterschiedliche Bienenarten darstellt, und welche Blütenmerkmale (z.B. Blütenduft, Blütenfarben, Pollenmenge, Blütengröße, biomechanische Vibrationseigenschaften der Blüten) für die Spezialisierung auf unterschiedliche Bienenarten relevant sind, ist jedoch unklar. In unserem Projekt kombinieren wir Ansätze der Bestäubungsbiologie und Blütenevolution (Agnes Dellinger, Uni Wien) mit Methoden der Mechatronik (Ernst Csencsics, TU Wien) um zu erforschen, wie sich Melastomataceae Blüten an vibrationsbestäubende Bienen angepasst haben. Hierzu werden wir Blüte-Bestäuber-Interaktionen gemeinsam mit lateinamerikanischen KollegInnen direkt in natürlichen Habitaten in Lateinamerika dokumentieren und mithilfe eines von uns konzipierten Vibrationssystems künstliche Blütenvibrationsexperimente durchführen. Weiters werden wir Blüten mittels Computertomographie strukturell untersuchen, und mittels Computersimulationen und 3D-Drucken die biomechanischen Eigenschaften der Blüten modellieren und nachstellen. Die Kombination bestäubungsbiologischer und mechatronischer Ansätze erlaubt es uns, sowohl ökologische Interaktionen als auch biologische Strukturen nach mechanistischen Prinzipien zu untersuchen. Da Vibrationsbestäubung bei etwa 10% der Blütenpflanzen, inklusive wichtiger Nutzpflanzen, auftritt, erwarten wir sowohl wesentliche Erkenntnisse für die Grundlagenforschung, als auch unmittelbar anwendungsrelevante Ergebnisse für die Agrarwirtschaft.
- Georg Schitter, nationale:r Kooperationspartner:in
- Ernst Csencsics, Technische Universität Wien , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Stefan Dötterl, Universität Salzburg , nationale:r Kooperationspartner:in
- Jürg Schönenberger, Universität Wien , nationale:r Kooperationspartner:in
- Vinicius Lourenco Brito, Universidade Federal de Uberlandia - Brasilien
- Alejandro Zuluaga Trochez - Kolumbien