Erdgasabhängigkeit in Österreich, 1940-2010
Unearthing Momentum. Natural Gas in Austria, 1940–2010
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Naturwissenschaften (20%); Andere Technische Wissenschaften (40%); Geschichte, Archäologie (40%)
Keywords
-
Natural Gas,
Austria,
Energy History,
Environmental History,
History of Technology
1968 unterzeichnete Österreich als erstes westliches Land einen Erdgasliefervertrag mit der UdSSR. Seither wurde das Erdgasnetz trotz Krisen und Umbrüchen zu einer Transitdrehscheibe des paneuropäischen Erdgashandels ausgebaut. Dies bescherte Österreich eine im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Abhängigkeit von russischen Gasimporten. Eine fundierte historische Analyse des Phänomens der Erdgasabhängigkeit steht indes aus, wenngleich die öffentlichen Debatten, auch hinsichtlich der dringend nötigen Dekarbonisierung der Energieversorgung, auf einen großen Bedarf verweisen. Das Projekt setzt hier an. Es analysiert, wie Erdgas im 20. Jahrhundert zu einem zentralen Faktor regionalen Wirtschaftens wurde. Im Zentrum stehen die seit dem Zweiten Verstaatlichungsgesetz etablierten Landesgasversorger, die ostösterreichische Erdgasvorkommen nutzten, um kleinräumige Erdgasnetze auf- und laufend auszubauen. Immer größere Erdgasvolumina wurden vertrieben und neue Abnehmer*innen aus Industrie, Energiewirtschaft und den Haushalten ins Erdgasnetz integriert. Landesgasversorger traten als Vermittler*innen zwischen den Behörden, nationalen und internationalen Import- und Exportunternehmen sowie den Endverbraucher*innen auf. Ihre Unternehmensstrategien waren geprägt von geopolitischen Ereignissen, Umwelt- Energie- und Wirtschaftspolitik sowie den Präferenzen der Konsument*innen. Das Projekt kombiniert polithistorische, umwelt- sowie technikhistorische Perspektiven. Konzeptuell basiert das Projekt auf Ideen der hidden integration of Europe durch Infrastruktur, die durch einen räumlich-volumetrischen Ansatz ergänzt werden. Horizontale und territoriale Integration von Erdgasnetzen sind demnach untrennbar mit dem Management unterirdischer Prozesse und Räume durch die Erdgasversorger verbunden, so die Arbeitshypothese. Voraussetzung ist die Mobilisierung von Wissensbeständen der Bodenkunde, Geologie, Ökologie, der Materialwissenschaften und des Ingenieurwesens. Die horizontale Integration erfordert hingegen die Kooperation von Erdgasversorgern mit Behörden, politischen Gruppierungen, Grundbesitzer*innen, Interessens- und Industrievertretern. Der Fokus auf drei Untersuchungsregionen erlaubt es, unterschiedliche Teilstücke des paneuropäischen Erdgasverbundsystems in verschiedenen Kulturlandschaftstypen Österreichs und der europäischen Nachbarregionen abzubilden. Methodisch werden Archivforschung, Expert*inneninterviews und Medienanalysen mit deskriptiver Statistik und räumlichen Analysen mittels eines geografischen Informationssystems (GIS) kombiniert. Durch den interdisziplinären Zugang wird das Projekt das Wissen zu einem weitgehend übersehenen Aspekt der europäischer Energiegeschichte erweitern und kann darüber hinaus Orientierungswissen für die angestrebte Dekarbonisierung liefern. Die Projektergebnisse werden in Form von begutachteten Publikationen, Fachvorträgen und einem Buchmanuskript zugänglich gemacht.
- Universität Wien - 100%
- Helmuth Trischler, Deutsches Museum - Deutschland