Wissenschaftsdisziplinen
Andere Geisteswissenschaften (25%); Sprach- und Literaturwissenschaften (75%)
Keywords
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History of Work and Leisure,
History of Education and Creativity,
German Literature,
Theory of the Modern Novel,
Creative Economies,
Cultural Studies
Die vergessenen Ursprünge der Kreativökonomie. Eine literaturwissenschaftliche Studie widmet sich dem klassischen Bildungsroman und Bildungsinstitutionen. Wann und wo begann das, was wir heute als Kreativökonomie bezeichnen ein Sozial- und Wirtschaftssystem, in dem Innovation und Selbstverwirklichung im Mittelpunkt stehen? Sie werden vom Einzelnen gefordert und als erfüllend betrachtet. Bislang wurden ihre Ursprünge oft auf künstlerische Avantgarde-Bewegungen wie den Sturm und Drang oder die Romantik und in soziale Nischen zurückgeführt. Diese Studie hinterfragt diese gängige Sichtweise und lenkt die Aufmerksamkeit auf einen anderen, bisher wenig beachteten Bereich: Bildungsromane und Bildungseinrichtungen aus dem 18. bis 19. Jahrhundert. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen zum einen Institutionen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten. Sie werden hier nicht nur als Orte des Wissenstransfers verstanden, sondern auch als Wissensräume, in denen jungen Menschen bewusst freie Zeiten eingeräumt wurde Zeit, in der durch kulturtechnische geleitete Materialumwandlung Neues entstehen konnten. Die Arbeit zeigt, dass diese Freiräume entscheidend für die Entwicklung der modernen Idee des kreativen, sich selbst optimierenden Individuums, aber auch der modernen Gesellschaft waren. Aus ihnen leitet die Studie die forschungsleitenden Konzepte der Kreativitätsszene und der freien Zeit her. Der andere, der Hauptschwerpunkt der Arbeit liegt dann auf der Anwendung der Terminologie an den Bildungsromanen dieser Zeit beispielsweise von Johann Wolfgang Goethe, Novalis, Joseph von Eichendorff, Adalbert Stifter und Gottfried Keller. Bislang wurden diese vor allem als literarische Klassiker verehrt oder aber als Werke einer hegemonialen Kultur in ein kritisches Licht gerückt. Die Studie zeigt jedoch, dass diese Romane nicht nur die Utopie vom kreativen Menschen mitprägten, sondern die Bedingungen, Möglichkeiten und auch Grenzen kreativer Individualität reflektieren und hinterfragen. Sie liefern damit wichtige Impulse für eine Kontextualisierung und Korrektur unserer heutigen Vorstellung von Kreativität. Die Arbeit verbindet Literaturwissenschaft, Kulturgeschichte und Soziologie. Mit präzisen Textanalysen und einem diskurshistorischen Zugang untersucht sie, wie sich kulturelle Vorstellungen von Kreativität und Bildung über die Jahrhunderte entwickelt haben und welche Rolle Bildungseinrichtungen und -romane dabei spielten. Neu an der Studie ist, dass sie Bildungsromane in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang u. a. als Impulsgeber für soziale, kulturelle und ökonomische Innovation und als dessen Korrektive stellt. Damit leistet die Arbeit nicht nur einen Beitrag zur Literaturwissenschaft, sondern auch zur Debatte um die Rolle und Bedeutung von Bildung und Literatur in einer sich kreativ verstehenden und Kreativität oft missverstehenden Gesellschaft.
- Universität Innsbruck - 100%