Adaptive Wiederverwendung: Kreativität in Südasien
Adaptive Reuse: Aspects of Creativity in South Asian History
Wissenschaftsdisziplinen
Sprach- und Literaturwissenschaften (100%)
Keywords
-
Adaptive Reuse,
Sanskrit literature,
Creativity,
Indian philosophy,
Indian religions,
South Asian cultural history
Adaptive Reuse ist ein wichtiges theoretisches Konzept aus dem Bereich der Architektur. Dort bezeichnete es die Verwendung eines teilweise umgebauten Gebäudes zu anderen Zwecken als denen seiner ursprünglichen Errichtung. Im vorliegenden Band wird dieses Konzept zum ersten Mal auf ein weiteres Spektrum kulturellen Schaffens übertragen, nämlich auf die Komposition von Texten und auf die Kreation neuer Konzepte und Rituale. Am Anfang des Bandes erklären die Herausgeber ihr Verständnis von Adaptive Reuse und die innovative Verwendung des Begriffs in kulturwissen- schaftlichen Kontexten. Sie unterscheiden zwischen simple re-use und adaptive reuse als den beiden idealtypischen Formen der Wiederverwendung. Dabei bezeichnet simple re-use die Wiederaufnahme einer vorherigen Verwendung, die ohne starke Zweckänderung erfolgt. Ein Gegenstand wird einfach wiederverwendet, weil er leicht verfügbar ist. Adaptive Reuse impliziert hingegen mehr. Das wiederverwendende Subjekt verfolgt eine klare Absicht, wie etwa das Prestige, die Glaubwürdigkeit oder die Autorität seines neu geschaffenen Werkes zu vermehren. Daher müssen wiederverwendete Bestandteile erkennbar sein. Adaptive Reuse geht im Idealfall mit einer stark veränderten Nutzung einher, und die Wiederverwendung ist nicht primär ökonomisch motiviert. Die zwölf Hauptkapitel des Bandes sind thematisch in vier Abschnitte gegliedert. Der erste Abschnitt Adaptive Reuse of Indian Philosophy and Other Systems of Knowledge besteht aus den fünf Fallstudien von Philipp Maas, Himal Trikha, Ivan Andrijanic, Yasutaka Muroya und Malhar Kulkarni, die den adaptive reuse vormoderner südasiatischer philosophischer und grammatischer Texte in Sanskritwerken der Philosophie, Grammatik und Poesie behandeln. In allen Fällen schafft adaptive reuse neue Formen und Inhalte innerhalb eines durch die jeweiligen Traditionen vorgegebenen Rahmens, in dem sich das Prestige der Quelle im wiederverwendenden Werk spiegelt. Im zweiten Abschnitt, Adaptive Reuse of Tropes analysieren Elena Mucciarelli und Cristina Bignami das Motiv des Wagens in vedischen, mittelelterlichen und zeitgenössischen Werken und Ritualen. Dabei übertragen sie das Konzept des adaptive resue auf verschiedene religiöse Kontexte. Die Kapitel des dritten Abschnitts Adaptive Reuse of Untraced and Virtual Texts von Daniele Cuneo, Kiyokazu Okita, Elisa Freschi und Cezary Galewicz behandeln wiederum philosophische und religiöse Texte, wobei sie den adaptive reuse von heute verlorenen oder virtuellen Quellen in den Blick nehmen. Die Wiederverwendung virtueller Texte liegen, so stellt sich in diesen Studien heraus, ist häufig durch ded Wunsch motiviert, Innovationen in etablierten Traditionen zu stützen. In einigen Fällen strahlte im Laufe der Zeit das Prestige der wiederverwendenden Werke auf die angeblich wiederverwendeten Quellen aus. Den Schluß des Bandes im vierten Abschnitt Reuse from the Perspective of the Digital Humanities bildet das Kapitel von Sven Sellmer, der computergestützte Methoden zur Identifikation möglicherweise wiederverwendeter Textpassagen in der epischen Literatur vorstellt, die ansonsten unidentifizierbar blieben.