Elly Tanaka erhält den FWF-Wittgenstein-Preis 2025

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner und FWF-Präsident Christof Gattringer übergaben heute den mit 1,9 Millionen Euro dotierten FWF-Wittgenstein-Preis an Elly Tanaka, die damit ihre Forschung auf globalem Spitzenniveau weiterentwickeln wird. Insgesamt bringt der FWF durch das Wittgenstein- und das ASTRA-Programm Forschungsvorhaben mit einem Volumen von rund 24 Millionen Euro ins Rollen.
„Ich bin sehr dankbar, den Wittgenstein-Preis des Österreichischen Wissenschaftsfonds zu erhalten. Diese Anerkennung würdigt die Anstrengungen vieler Mitglieder meines Labors in der Vergangenheit und beflügelt unsere zukünftigen Ambitionen. Die Auszeichnung fällt in eine aufregende Phase der Regenerationsforschung, in der neue Entdeckungen unser Verständnis von Gewebereparatur und Plastizität rasch wandeln. Der FWF-Wittgenstein-Preis wird es mir ermöglichen, in die nächste Generation von Wissenschaftler:innen zu investieren und jungen Forschenden im Labor den nötigen Freiraum und die Ressourcen zu geben, um herauszufinden, wie Erkenntnisse vom Axolotl auf Säugetiersysteme übertragen werden können. Ich freue mich auf die Fortschritte, die daraus entspringen werden – nicht nur in unserem Labor, sondern in der breiteren Gemeinschaft der Regenerationsbiologie weltweit. Diese Auszeichnung würdigt die harte Arbeit der Wissenschaftler:innen in meinem Labor, der wissenschaftlichen Community am Vienna BioCenter, unserer Kolleg:innen in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der breiteren Life-Science-Community in Österreich, die in den letzten Jahren unglaublich stark geworden ist“, so Elly Tanaka.
„Mit Elly Tanaka zeichnen wir eine Forscherin mit den höchsten Ehren aus, die Forschung im besten Sinne neu denkt: exzellent, interdisziplinär und mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Ihre Arbeit steht exemplarisch für das Potenzial der Grundlagenforschung, medizinische Innovationen – konkret im Bereich der Regenerationsforschung – anzustoßen und neue wissenschaftliche Perspektiven zu eröffnen. Es freut mich besonders, wenn Frauen in wissenschaftlichen Strukturen nicht an gläserne Decken stoßen. Elly Tanaka konnte durch ihre bahnbrechende Arbeit zeigen, wie viel Innovationskraft entsteht, wenn Frauen in Wissenschaft und Forschung die Ressourcen und die Freiheit bekommen, Großes zu leisten. Ich gratuliere auch den 18 FWF-ASTRA-Preisträger:innen sehr herzlich und werde ihre weitere Arbeit mit Spannung verfolgen“, so Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner.
„Mit Elly Tanaka zeichnet die internationale Jury eine Pionierin der Grundlagenforschung aus, die seit Anbeginn ihrer Karriere wissenschaftliches Neuland betritt und Mechanismen erforscht, die in Zukunft die Medizin revolutionieren können. Sie ist eine enorme Bereicherung für den Wissenschaftsstandort und versteht es, ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben“, würdigt FWF-Präsident Christof Gattringer die diesjährige Preisträgerin. „Zudem möchte ich den 18 Forschenden, die mit den ersten FWF-ASTRA-Preisen attraktive Perspektiven in Österreich erhalten, ebenso herzlich gratulieren. Ziel unserer Programmreform war es, die Chancen für Postdocs fairer zu verteilen. Die thematische Vielfalt und die ausgewogene Beteiligung von Frauen zeigen, dass sich die FWF-ASTRA-Preise in diesem hochkompetitiven Bereich positiv auswirken.“
„Der Wittgenstein-Preis für Elly Tanaka ist hochverdient. Tanaka ist eine exzellente Wissenschaftlerin und eine Pionierin der Regenerationsbiologie. Ihre Forschung an den Axolotl macht sie durch ihre anschaulichen Erklärungen und das ansprechende Forschungsobjekt auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Die Akademie der Wissenschaften konnte Tanaka voriges Jahr als Direktorin des ÖAW-Instituts für Molekulare Biologie gewinnen. Ich gratuliere ihr sehr herzlich zu der Auszeichnung und bin gespannt, wohin uns ihre Erkenntnisse noch führen werden“, so Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Elly Tanaka: Neue Wege in der Regenerationsmedizin entdecken
Elly Tanaka ist eine international führende Expertin auf dem Gebiet der Regeneration komplexer Körperstrukturen. Als Modellorganismus dient ihr der mexikanische Schwanzlurch Axolotl, der über bemerkenswerte Regenerationsfähigkeiten verfügt: Er kann binnen weniger Wochen fast jeden Teil seines Körpers nachwachsen lassen. Diese außergewöhnliche Fähigkeit macht den Salamander zum Star der Regenerationsforschung.
Elly Tanaka hat mit ihrer Forschung entscheidend dazu beigetragen, den Axolotl ins Rampenlicht der wissenschaftlichen Forschung zu rücken: Ihr Labor entwickelte genetisch veränderte Tierlinien für eine weltweite Community von Axolotl-Forschenden, passte molekulare Werkzeuge so an, dass sie auch auf Axolotl angewendet werden konnten, und entschlüsselte das äußerst komplexe Axolotl-Genom, das damals das größte bekannte Genom eines Tieres war. Ehemalige Student:innen und Postdoktorand:innen von Elly Tanaka leiten heute Forschungsgruppen in Forschungszentren auf der ganzen Welt, und ihr Labor und ihre Axolotl-Kolonie mit mehr als 240 transgenen Tierlinien dienen als Drehscheibe und Anlaufstelle für die weltweite Regenerationsforschung. Ihre Pionierarbeiten haben seit den 1990er-Jahren maßgeblich zur Etablierung des Axolotls als Labortier beigetragen. Vor allem aber hat Elly Tanaka bahnbrechende Entdeckungen zu den molekularen und zellulären Grundlagen der Regeneration gemacht. Dazu gehören die Entdeckung, dass bestimmte Zelltypen zu Beginn der Regeneration dedifferenzieren, um stammzellähnliche Eigenschaften zu erwerben, die Identifizierung von Molekülen, welche die Regeneration von Gliedmaßen auslösen und steuern, und zuletzt ein molekularer Signalweg, welcher der Positionsspeicherung regenerierender Gewebe zugrunde liegt. Nachwachsende Körperteile müssen ihre Position im Axolotl-Körper genau kennen, um die richtige Struktur für eine bestimmte Stelle zu regenerieren. Diesen lang gesuchten Code, der den Zellen ihre Position verrät und dadurch den Körperteilen ihre Identität verleiht, konnte die Forschungsgruppe um Tanaka Anfang des Jahres entschlüsseln. Im Fachjournal Nature konnten die Wissenschaftler:innen zeigen, dass Zellen beim Verlust einer Gliedmaße ein Signal einschalten, das über eine Seite der nachwachsenden Struktur ausstrahlt und damit die Position codiert.
Tanakas Forschung beschränkt sich jedoch nicht auf Salamander. Ausgehend von ihren Erkenntnissen über den Axolotl geht sie der Frage nach, warum Säugetiere im Laufe der Evolution ihre Regenerationsfähigkeit verloren haben. Ihre Arbeit dient darüber hinaus als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Strategien zur Regeneration oder zum Ersatz von Säugetiergewebe. Auch für die Humanmedizin ergeben sich daraus vielversprechende Möglichkeiten. So konnte ihr Forschungsteam etwa menschliche embryonale Stammzellen dazu bringen, Netzhautgewebe einschließlich retinalen Pigmentepithels (RPE) zu bilden. Das RPE ist die Pigmentschicht der Netzhaut (Retina). Tanaka verwendet diese Zellen, um nach potenziellen Medikamenten zu suchen, die jene Defekte in den RPE-Zellen beheben könnten, die zu fortschreitender Erblindung führen. Die Wissenschaftler:innen untersuchen weiters die Regeneration des Axolotl-Herzens nach einer Verletzung sowie die Neubildung neuronaler Schaltkreise. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft Anwendung in der Humanmedizin finden.
Über Elly Tanaka
Elly Tanaka wurde in Boston, Massachusetts, geboren. Die heute 59-Jährige studierte Biochemie an der University of California in San Francisco, USA, und an der Harvard University in Boston, USA. Nach einem Forschungsaufenthalt am Ludwig Institute for Cancer Research in London, UK, gründete sie 1999 ihr eigenes Labor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. 2008 wurde sie Professorin am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden, dessen Direktorin sie später wurde. Von 2016 bis 2024 war Tanaka Senior Group Leader am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Seit 2024 ist sie Wissenschaftliche Direktorin am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Vienna BioCenter.
Tanaka publiziert regelmäßig in hochkarätigen Fachjournalen und erhielt für ihre Arbeit unter anderem bereits zwei mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotierte Advanced Grants sowie im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit mehreren Partnern einen rund 10 Millionen Euro schweren „Synergy Grant“-Förderpreis des Europäischen Forschungsrates (ERC). Bereits vor der Auszeichnung mit dem FWF-Wittgenstein-Preis förderte der FWF ihre Arbeiten über viele Jahre hinweg.
Elly Tanaka wurde vielfach ausgezeichnet und ist Mitglied der European Molecular Biology Organization (EMBO), der Leopoldina, der ÖAW und der US National Academy of Sciences. 2020 erhielt sie den FEBS-EMBO-Preis für Frauen in der Wissenschaft, der herausragende Mentor:innenschaft und wissenschaftliche Leistungen würdigt. Anfang 2025 ehrte die Leopoldina sie mit der Schleiden-Medaille, die für hervorragende Erkenntnisse auf dem Gebiet der Zellbiologie vergeben wird.
Weitere Informationen zur Forschung von Elly Tanaka am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW finden Sie hier. Mehr zur vielbeachteten Publikation „Molecular basis of positional memory in limb regeneration“ in der Zeitschrift Nature finden Sie hier.
Jurybegründung: Bahnbrechende Beiträge zur Regenerationsforschung
„Elly Tanaka erhält den FWF-Wittgenstein-Preis für ihre bahnbrechenden Beiträge zum Verständnis der Regeneration von Geweben. Zu einer Zeit, als diese Prozesse als zu komplex für eine molekulare Analyse galten, wandte sie genetische und bildgebende Verfahren auf den Axolotl-Salamander an. Sie erkannte den Wert seiner ungewöhnlichen Biologie und begann als Erste, Rückschlüsse für die fehlende Regeneration in anderen Organismen zu ziehen. Ihre Erkenntnisse haben bereits heute enorme Auswirkungen auf die internationale Regenerationsforschung. Darüber hinaus bildet sie zahlreiche junge Forschende aus und sie ist eine exzellente Wissenschaftskommunikatorin“, so die internationale FWF-Jury.
Die ASTRA/Wittgenstein-Jury besteht aus 16 internationalen, in ihrem Fach führenden Spitzenforscher:innen. Vorsitzender der Jury ist Lino Guzzella, ehemaliger Präsident der ETH Zürich. Auf der FWF-Website finden Sie die Mitglieder der ASTRA/Wittgenstein-Jury.
FWF-Wittgenstein-Preis: Österreichs höchstdotierter Wissenschaftspreis
Der FWF-Wittgenstein-Preis richtet sich an exzellente Forscher:innen aller Fachdisziplinen. Die mit 1,9 Millionen Euro dotierte Auszeichnung unterstützt die Forschung des:der Preisträger:in und garantiert Freiheit und Flexibilität bei der Durchführung. Forschende können so ihre Forschungstätigkeit auf international höchstem Niveau vertiefen.