Wissenschaftsdisziplinen
Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (10%); Kunstwissenschaften (90%)
Keywords
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Computer Music,
Sound Art,
Speculative Aesthetics,
Experimental Systems,
Non-standard sound synthesis
Wir leben in einer Welt, in der sich die Art und Weise, wie wir miteinander, mit Objekten und Prozessen umgehen, dramatisch verändert. Allgegenwärtige und doch oft unbemerkte Algorithmen prägen unser Leben und bestimmen unsere Wahrnehmung und Kommunikation, unser Denkens und Handeln. Die Kunst und insbesondere die künstlerische Forschung hat die Möglichkeit, die diesen Algorithmen zugrunde liegenden Vorstellungen zu hinterfragen und sich mit der Technologie auf materieller, konzeptioneller und ästhetischer Ebene auseinanderzusetzen. Dies gilt auch für Klangsynthese-Technologien. Komponist:innen, Musiker:innen und Klangkünstler:innen nutzen und entwickeln Technologien, um ihre Werke zu produzieren. Sie stellen praktische und theoretische Beziehungen zwischen Technologie, Wahrnehmung und künstlerischer Praxis her. Technologie ist also nicht nur ein neutrales Werkzeug. Kunst kann als materielle Reflexion ihrer eigenen Produktionsmittel verstanden werden. Ein zentrales Ziel dieses Projekts ist es, eine "freie Beziehung" zwischen Kunst und Technologie herzustellen, und zwar weder durch konservative Ablehnung der Technologie noch durch unkritische Annahme der neuesten Werkzeuge, sondern durch die künstlerische Hinterfragung der digitalen Klangtechnologie "von innen". Dieses Projekt zielt darauf ab, digitale Klangsynthese künstlerisch zu hinterfragen, indem es technologische Standards destabilisiert. Dabei steht die Idee der Spekulation im Mittelpunkt, sowohl in methodischer als auch in ästhetischer Hinsicht. Spekulation betrifft das Wie, das Was und das Warum dieses Projekts, seine Methoden und seine Ziele. Für uns ist Spekulation nicht gleichbedeutend mit unbegründeten Vermutungen oder rein theoretischen Überlegungen, die sich von der konkreten Praxis oder Erfahrung entfernen. Vielmehr kann Spekulation als ein Oszillieren zwischen Erfahrung und Vorstellung verstanden werden, das für Prozesse charakteristisch ist, die neue Formen des Wissens hervorbringen. Wir wollen sensibel sein für die Art und Weise, in der unser Material unsere Konzeptualisierungen übersteigt. Wir glauben, dass die Klangsynthese ein spekulativer Knotenpunkt sein kann, an dem Technologie, Ästhetik und Experimentieren zusammenkommen. Dieses Projekt versucht, das Verhältnis von Ästhetik und Technologie im Bereich der Computermusik zu destabilisieren. Seine Ziele reichen von der Schaffung spekulativer Klangmodelle, die die Unterscheidung zwischen Synthese und Komposition aufheben, bis hin zur Entwicklung neuartiger Präsentationsformate, die das künstlerische Denken offenlegen. Wir sehen dieses Projekt als einen Versuch, ästhetische Potentiale der Klangsynthese für die künstlerische Praxis freizusetzen, die sonst unerkannt bleiben, verborgen durch technologische Standardgesten. In diesem Sinne ist die Spekulation in der Lage, induktive oder deduktive Prozesse zu überwinden und die Wechselbeziehung von Technologie und Ästhetik zu dynamisieren.
- Robert Höldrich, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz , nationale:r Kooperationspartner:in