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Der Malinche-Komplex. Conquista, Genus, Genealogien

Der Malinche-Komplex. Conquista, Genus, Genealogien

Claudia Leitner (ORCID: )
  • Grant-DOI 10.55776/D4064
  • Förderprogramm Buchpublikation
  • Status beendet
  • Bewilligungssumme 4.800 €

Wissenschaftsdisziplinen

Andere Geisteswissenschaften (40%); Soziologie (20%); Sprach- und Literaturwissenschaften (40%)

Keywords

    Literary Studies, Gender Studies, Cultural Anthropology, Postcolonial Studies, History Of Conscience, Cultural Studies

Abstract

La Malinche, eine junge indigene Frau, war in der von Allianzpolitik geprägten Eroberung Mexikos (1519-1521) die maßgebliche, zu mythischer Statur auflaufende Übersetzerin zwischen einheimischen Ethnien und spanischen Conquistadores. In Mexiko ist sie seit dem 19. Jahrhundert mit dem Makel des Verrats behaftet. 1942 bezeichnet Rubén Salazar Mallén mit dem "Malinche-Komplex" eine spezifische Form der Unterwürfigkeit gegenüber allem Fremdem, und 1950 schreibt der spätere Literaturnobelpreisträger Octavio Paz die "mexikanische Eva" als defekte Urmutter der heutigen, mestizischen Nation fest. Eingehend revidiert wird dieses Negativbild in der Aktualität durch poststrukturalistisch, feministisch und postkolonialistisch ausgerichtete Neubesetzungen, die mit Intensität die Fragen nach geschlechtlich und kolonial modalisierter Handlungs- und Bedeutungsfähigkeit aufwerfen. In Wissenschaft und Kunst, bei mexikanischen Autorinnen und Chicanas, aber auch Tzvetan Todorov und Stephen Greenblatt etwa erscheint La Malinche als Inbegriff der Bewegung und Vermittlung zwischen den Kulturen; Donna Haraway nähert sie gar dem Mythos des Cyborg an, einer hybriden Figur, die in einer transnationalen, von Informationstechnologien geprägten Welt subversive und grenzüberschreitende Formen des "access to the power to signify" exemplifiziert. Die vorliegende Studie untersucht diese Sinnangebote auf ihre historische Genese, ihre jeweiligen Reichweiten, ihre Relationierbarkeit untereinander sowie mit weniger bekannten Artikulationen kultureller Zugehörigkeit, wie sie sich aus Relektüren alter Schriften aus der Zeit der Conquista oder aber popularkultureller Manifestationen ergeben. In einer Vielzahl traditioneller Tänze Mesoamerikas treten Malinche-Figuren auf, und ihr Name ist Vegetation und topographischen Besonderheiten eingeschrieben. Der "Malinche-Komplex" umfaßt also weitaus mehr als den historisch spezifischen, psychoanalytisch unterlegten Ausdruck eines nationalkulturellen Mankos: Malinche ist vielfach transvaluierte Symbolfigur, diskursstützend eingesetzt in komplexen debattistischen Formationen wie etwa dem alten Streit "um die gerechten Gründe des Kriegs gegen die Indios" und der im 18. Jahrhundert zugespitzten Querelle d`Amérique; sie ist produktive Figur kolonialen Begehrens in den großen Narrativen abendländischer Sexualität und Subjektivität (Lawrence, Foucault) wie auch im umstrittenen Zugriff des "weißen" Feminismus auf "women of color"; sie ist Patronin und Heraldin autochthoner kultureller Bedeutungsmacht.

Forschungsstätte(n)
  • Stadt Wien - 100%

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