Wissenschaftsdisziplinen
Biologie (50%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (50%)
Keywords
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Bog bilberry,
Vaccinium uliginosum,
Toxicity,
Safety,
Phytochemistry,
Biodiscovery
Die Rauschbeere (Vaccinium uliginosum L.) ist eine wildwachsende Beerenart, die in Mittel-, Nordeuropa, Sibirien und Nordamerika verbreitet ist. Während sie in einigen Ländern regelmäßig gegessen, gesammelt und zu Marmeladen und Getränken verarbeitet wird, gibt es anderswo (besonders in Mitteleuropa) die mündlichen Überlieferungen ihrer besonderen Toxizität. Besonders ersichtlich ist dies durch die volkstümlichen Namen: Rauschbeere oder Schwindelbeere im Deutschland und Österreich, in der Slowakei "šialenica" - "verrückte Beere", Tschechien "blinkavka" - "Brechbeere", Polen "opilki" "Trunkelbeere". Diese Volksmärchen variieren manchmal sogar in der gleichen Gegend, von einem Dorf zum anderen. Bis heute gibt es keinen systematischen Versuch, dieses Rätsel wissenschaftlich zu lösen. Eine Theorie besagt, dass die toxischen Wirkungen auf einen parasitären Pilz namens Monilinia megalospora zurückzuführen sind, der die Pflanze besiedelt, die Beeren infiziert und seine giftigen Stoffwechselprodukte an die Früchte abgibt. Aber auch diese Theorie ist noch nicht ausreichend erforscht. Ziel dieses Projekts ist, dieses Enigma erstmals kontrolliert und detailliert anzugehen. Mehrere Proben von Rauschbeerfrüchten aus ganz Mitteleuropa sowie aus Skandinavien und Alaska werden in Zusammenarbeit mit lokalen Instituten gesammelt. Ausgewählt werden sowohl Standorte, in denen die Rauschbeere als essbar gilt, als auch Regionen, in denen sie als giftig bezeichnet und gemieden wird. In weiteren Verlauf werden die Beerenextrakte in ihre Inhaltsstoffe zerlegt und auf potenziell toxische Substanzen wie Alkaloide oder Terpenoide untersucht. Alle neu entdeckten Inhaltsstoffe werden isoliert und ihre chemische Struktur wird mittels Kernspinresonanz (NMR) identifiziert. Die Proben der verschiedenen Standorte werden miteinander verglichen, um zu sehen, ob es regionale Unterschiede im Gehalt der Wirkstoffe gibt und ob dies irgendwie auf das Vorhandensein von Monilinia-Schimmel zurückzuführen ist. Die Extrakte, ihre Fraktionen und alle isolierten Inhaltsstoffe werden im Nematoden- Tiermodell Caenorhabditis elegans auf ihre Toxizität getestet. Jeder Stoff, der die Lebensdauer dieses mikroskopisch kleinen Wurms erheblich verkürzt, kann als potenziell schädlich angesehen werden. Diese Stoffe werden mithilfe von virtuellen Vorhersagen weiter experimentell untersucht, um ihre Auswirkungen auf den menschlichen Körper vorherzusagen. Zusammengenommen sollen uns diese Ergebnisse eine Antwort auf die Frage geben, ob die Rauschbeere essbar oder potenziell schädlich ist und deshalb gemieden werden sollte.
Ziel dieses Projekts war, eine jahrhundertealte Frage zu beantworten: Sind Rauschbeeren (Vaccinium uliginosum L.) essbar oder verursachen sie Vergiftungen und Halluzinationen? Um das Thema detailliert zu untersuchen, wurde zunächst eine Literaturrecherche durchgeführt. Dabei wurden Berichte über die Toxizität von Heidelbeeren kritisch analysiert und auf Primärquellen (teilweise Jahrhunderte alt) zurückgegriffen. Die Texte wurden aus verschiedenen Sprachen übersetzt. Wir verglichen die Meinungen von Einheimischen weltweit und schlugen mögliche Erklärungen für dieses Phänomen vor. Diese Übersichtsarbeit wurde in Vanekov et al., 2024 (10.3389/ftox.2024.1358840) veröffentlicht. Der erste Schritt des experimentellen Teils bestand in der Sammlung von Rauschbeeren als Analysematerial. Dank der Unterstützung unserer Kooperationspartner in Finnland, Norwegen und Alaska erstreckte sich die Probensammlung über zwei Kontinente und sieben Länder. Dies ermöglichte einen umfassenden Vergleich der phytochemischen Zusammensetzung der Früchte. Die Fruchtproben wurden ausführlich chemisch analysiert, um mögliche toxische Verbindungen wie Alkaloide, Sesquiterpene oder Diterpene nachzuweisen. Im Zuge dieser Analyse wurden mehrere Triterpene aus den Früchten isoliert, die zwar nicht als toxisch gelten, aber dennoch einen neuen Befund für die Art und die Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae) darstellen. Die vollständige Analyse dieser Triterpene befindet sich derzeit im Begutachtungsverfahren. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Projekts sind in Vanekov et al. 2025 (10.3390/plants14172645) zusammengefasst. In dieser Publikation untersuchen wir die in der oben genannten Übersichtsarbeit aufgestellten Theorien und beantworten sie mithilfe modernster Methoden: In keiner der Beerenproben aus aller Welt wurden toxische Verbindungen gefunden. Bei den Toxizitätstests an Zellen und Caenorhabditis elegans wurden keine negativen Auswirkungen beobachtet. Die Theorie eines parasitären Pilzes erschien ebenfalls unwahrscheinlich, da sich die infizierte Probe toxikologisch nicht von den gesunden Beeren unterschied. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass die Beeren schnell gären und dabei Alkohol bilden, der für die Rauschwirkung verantwortlich ist. Wir testeten die Gärfähigkeit der Beeren unter verschiedenen Bedingungen, was jedes Mal zu messbaren Alkoholkonzentrationen führte. Wir schließen daraus, dass die Berichte über die toxische Wirkung der Rauschbeere mit modernen wissenschaftlichen Methoden nicht bestätigt werden konnten. Alternative Erklärungen sind möglich, beispielsweise Missverständnisse, versehentlicher Verzehr einer anderen Pflanze/Beere oder individuelle Unverträglichkeiten. Darüber hinaus identifizierten wir während der Probenentnahme zwei genetisch unterschiedliche Populationen von Rauschbeeren in Mitteleuropa. Eine Studie zur Kartierung ihres Vorkommens in den zentralen Westkarpaten befindet sich derzeit im Begutachtungsverfahren. Weitere wichtige Projektergebnisse umfassen mehrere Kongressbeiträge, Medienarbeit und mehrere Master- und Bachelorarbeiten, von denen sich einige noch in der Entwicklung befinden.
- Universität Wien - 100%
- Judith Maria Rollinger, Universität Wien , Mentor:in
- Laura Jaakola, University of Oulu - Norwegen
- Patricia S. Holloway - Vereinigte Staaten von Amerika
Research Output
- 35 Zitationen
- 5 Publikationen
- 2 Datasets & Models
- 3 Disseminationen
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2025
Titel Bog bilberry ( Vaccinium uliginosum L.) and the enigma of its alleged toxicity DOI 10.17660/actahortic.2025.1440.6 Typ Journal Article Autor Redl M Journal Acta Horticulturae -
2025
Titel The Bog Bilberry Enigma: A Phytochemical and Ethnopharmacological Analysis of Vaccinium uliginosum L. Fruits in Regard to Their Alleged Toxicity DOI 10.3390/plants14172645 Typ Journal Article Autor Vaneková Z Journal Plants Seiten 2645 Link Publikation -
2025
Titel Qualitative and semi-quantitative screening of triterpenes in Vaccinium uliginosum L. fruits using supercritical fluid chromatography DOI 10.1016/j.phytol.2025.103799 Typ Journal Article Autor Rollinger J Journal Phytochemistry Letters -
2024
Titel Vaccinium uliginosum L. (bog bilberry) and the search for its alleged toxicity: a review DOI 10.3389/ftox.2024.1358840 Typ Journal Article Autor Vaneková Z Journal Frontiers in Toxicology Seiten 1358840 Link Publikation -
2022
Titel Bilberries: Curative and Miraculous – A Review on Bioactive Constituents and Clinical Research DOI 10.3389/fphar.2022.909914 Typ Journal Article Autor Vaneková Z Journal Frontiers in Pharmacology Seiten 909914 Link Publikation
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2025
Titel Invited lecture: UPJS Kosice Typ A talk or presentation -
2023
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Titel University news interview titled: "Alaska blueberries are good for you. Right?" Typ A press release, press conference or response to a media enquiry/interview Link Link -
2023
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Titel Invited lecture: 17th European Women Pharmacists' Meeting Typ A talk or presentation Link Link