Praktiken und Poetiken der Extraktion
Practices and Poetics of Extraction
Wissenschaftsdisziplinen
Philosophie, Ethik, Religion (30%); Sprach- und Literaturwissenschaften (70%)
Keywords
-
Extraction,
India,
Geology,
German Romanticism,
Colonialism,
Mining
Die Auswirkung menschlichen Handelns auf die Natur ist heute so tiefgreifend, dass sie sich bereits in die geologischen Schichten der Erde eingeschrieben hat. Einige Wissenschafter:innen sprechen daher von einem neuen Erdzeitalter, dem Anthropozän, also dem Zeitalter des Menschen oder jener menschheitsgeschichtlichen Epoche, in der die aktive Gestaltung der physischen Erdoberfläche das determinierende Moment darstellt. Verschiedene Merkmale können den Beginn dieser Epoche markieren: von der Ablagerung radioaktiver Isotope seit den ersten Atomtests über den geologisch nachweisbaren Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxids seit Beginn der Industrialisierung bis hin zum durch den Menschen herbeigeführten Massensterben von Flora und Fauna. Gemeinsam ist all diesen Merkmalen jedoch, dass ihnen umfangreiche Praktiken der Extraktion zu Grunde liegen, also der Entnahme oder des Abbaus von Rohstoffen wie Kohle, Erdöl, Plutonium oder Lithium. Das hier vorgestellte Projekt geht nun von der Annahme aus, dass sich mit der historischen Ausweitung extraktivistischer oder im doppelten Sinne ausbeuterischer Praktiken verstanden sowohl als Ausbeutung von Mensch und Tier als auch als Ausbeutung natürlicher Rohstoffe eine spezifische Ideologie des Extraktivismus ausbildete. Sie ist geprägt von einem Verständnis von Natur als etwas, aus dem sowohl Wissen als auch materielle Ressourcen gewonnen oder eben extrahiert werden können. Um die Ausbildung dieses spezifischen Naturverständnisses als Bedingung der Möglichkeit extraktivistischer Praktiken zu beleuchten, untersucht das Projekt den Zusammenhang zwischen der Entwicklung bergbaulicher und geologischer Wissenschaften einerseits sowie der literarischen Beschäftigung mit dem Bergbau und dem Mensch-Natur-Verhältnis andererseits. Ziel ist es, extraktivistische Poetiken, also literarische Entwürfe oder Darstellungsweisen, zu explizieren und sie in ihrem Wechselverhältnis mit Praktiken der Extraktion zu untersuchen. Inwiefern sich also auch hier Sprache und Handeln gegenseitig bedingen zeigt das Projekt anhand zweier Beispiele auf: Zum einen an der deutschen Romantik und ihre Geologie- und Bergwerksbegeisterung im frühen 19. Jahrhundert und zum anderen an der Verdrängung alternativer Epistemologien oder Wissensweisen physischer Natur (also der Erde und ihrer Struktur) im Zuge der britischen Kolonialherrschaft in Indien und der damit einhergehenden Ausbeutung indischer Rohstoffe. Die wissenschaftlichen und literarischen Texte, die im Rahmen des Projekts untersucht werden, sind überwiegend auf Deutsch, Englisch, Hindi und Urdu verfasst.
- Universität Wien - 100%
- Karin Harrasser, Freunde und Freundinnen des IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften , nationale:r Kooperationspartner:in
- Anna Echterhölter, Universität Wien , nationale:r Kooperationspartner:in
- Sebastian Felten, Universität Wien , nationale:r Kooperationspartner:in
- Albrecht Koschorke, Universität Konstanz - Deutschland
- Peter Schnyder, Université de Neuchâtel - Schweiz
- Pratik Chakrabarti, University of Houston - Vereinigte Staaten von Amerika
- Milinda Banerjee, University of St. Andrews - Vereinigtes Königreich