Rückenmarkstimulation: Nachhaltige Effekte bei Spastizität

Spastizität, ein Hauptgrund für schwerwiegende Beeinträchtigungen nacheiner Querschnittsverletzung, kann die verletzungsbedingt bereits verminderte Willkürmotorik der Betroffenen noch weiter entscheidend reduzieren, Schmerzen verursachen und Unabhängigkeit und Lebensqualität negativ beeinflussen. Eine Linderung der Spastizität bei gleichzeitiger Stärkung der Restmobilität stellt eine große Herausforderung an die Rehabilitation bei Querschnittslähmung dar. Eine Behandlungsmethode, die sich in der Vergangenheit gut bewährt hat, ist die elektrische Rückenmarkstimulation durchimplantierte Elektroden. Das Prinzip bestehtdarin,die verletzungsbedingt fehlende oder eingeschränkte Kontrolle des Rückenmarks unterhalb der Verletzung durch das Gehirn durch elektrische Reize teilweise auszugleichen und so die Verarbeitung von Nervensignalen auf Rückenmarksebene zu normalisieren. Auf Grund ihres invasiven Charakters und der hohen technischen Voraussetzungen wird die Methode jedoch nur sehr selten zur Behandlung von Bewegungsstörungen eingesetzt. Durch die Entwicklung einer Stimulationstechnik über Klebeelektroden auf der Körperoberfläche unter maßgeblicher Beteiligung von Dr. Ursula Hofstötter, Medizinische Universität Wien, die auf österreichischer Seite als Leiterin des aktuellen Projektes fungiert, wurde die Anregung derselben Nervenstrukturen wie mit den implantierten Elektroden möglich, jedoch gänzlich nicht-invasiv. Machbarkeitsstudien (Co-Leitung: Dr. Ursula Hofstötter) lieferten bereits vielversprechende Ergebnisse über die möglichen Behandlungseffekte bei Querschnittspatienten. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass bereits eine einmalige Stimulation für 30 Minuten Spastizität für mehrere Stunden erfolgreich kontrollieren kann. In einem der Patienten konnte weiters gezeigt werden, dass die wiederholte Anwendung der Technik zu einer Summation der positiven Effekte auf Spastizität und Restwillkürmotorik führen kann und dass mit fortlaufender Behandlung die Wirkung die Stimulationsanwendung um viele Tage überdauern kann. In Kooperation mit dem Schweizer Paraplegiker Zentrum Nottwil und der Projektleiterin auf Schweizer Seite, Dr. Angela Frotzler, widmet sich die aktuelle Studie erstmals gezielt diesen Langzeiteffekten der nicht-invasiven Rückenmarkstimulation bei wiederholter Anwendung. Bei 32 Patienten mit inkompletter Querschnittsverletzung soll die Wirkung der Stimulation als Heimtherapie über 6 Wochen auf Spastizität und motorische Funktionen und die Nachhaltigkeit der Effekte nach Ende der Therapieanwendung untersucht werden. Parallel dazu soll erstmals auch gezielt der Einfluss der Stimulation auf neuronale Mechanismen im Rückenmark, die mit der Entstehung von Spastizität assoziiert werden, untersucht werden. Bewährt sich die nicht-invasive Rückenmarkstimulation als Heimtherapie mit nachhaltigen Therapieerfolgen, so hat sie das große Potential, vielen Betroffenen zu Gute zu kommen und individuell optimierte Behandlungsergebnisse zu erzielen.