Enkodierungsspezifität im bilingualen Inhaltslernen

Zweisprachiges bzw. mehrsprachiges Lernen stellt eine zentrale Herausforderung für das Bildungssystems dar. Zum einen gibt es zunehmend mehr Personen in Bildungssituationen, in denen die Unterrichtssprache nicht der Muttersprache entspricht (z.B. Kinder mit migrantischer Herkunft). Zum anderen gibt es starke Bemühungen, Mehrsprachigkeit etwa durch Content and Language Integrated Learning (CLIL) zu fördern. Beim CLIL werden nichtsprachliche Fächer, wie z.B. Mathematik, in einer Fremdsprache unterrichtet. In beiden Fällen wird von den Lernenden ein Sprachwechsel zwischen Lernen (bzw. Unterricht) und Wissensabruf (bzw. Anwendung) verlangt. Bisherige Forschungsergebnisse verweisen darauf, dass dieser Sprachwechsel mit schlechteren Leistungen einhergeht. Wenn bspw. bestimmte mathematische Inhalte in einer Fremdsprache gelernt, aber im Alltag in der Muttersprache genutzt werden, benötigen Lernende mehr Zeit und machen mehr Fehler beim Abruf und der Anwendung dieser Inhalte, als wenn in beiden Situationen die gleiche Sprache zum Einsatz kommt (z.B. Lernen und Abruf in der Muttersprache). Diese schlechteren Leistungen im Fall von abweichenden Lern- und Abrufsprachen werden als Sprachwechselkosten bezeichnet. Sprachwechselkosten wurden in bisherigen Studien hauptsächlich bei relativ einfachen mathematischen Inhalten, z.B. beim Lernen neuer Rechenaufgaben, untersucht. Folglich ist bisher beinahe nichts über Sprachwechselkosten bei anspruchsvolleren mathematischen Inhalten bekannt. Ebenso gibt es bisher kaum Befunde dazu, wie lange diese Sprachwechselkosten andauern (bzw. wie zeitlich stabil sie sind), wie sie sich auf anschließendes (darauf aufbauendes) Lernen auswirken, inwiefern sich Menschen unterschiedlicher Fähigkeiten im Ausmaß der Kosten unterscheiden, und auf welche mentalen Mechanismen diese Kosten zurückgeführt werden können. Diesen Fragen wird im vorliegenden Forschungsprojekt nachgegangen. Das dreijährige Projekt besteht aus zwei Arbeitspaketen. Im ersten Arbeitspaket werden Sprachwechselkosten beim Lernen einer neuen Rechenoperation und neuer Rechenfakten (ähnlich dem Einmaleins) untersucht. Im zweiten werden anspruchsvollere mathematische Lernaufgaben vorgegeben, in denen auch neue Begriffe gelernt werden. Jedes Arbeitspaket besteht aus zwei Studien, wovon eine die Frage nach der zeitlichen Stabilität und die andere nach den Auswirkungen auf anschließendes Lernen beleuchtet. Die Bedeutung unterschiedlicher Fähigkeiten auf das Ausmaß der Sprachwechselkosten und deren psychologische Ursachen werden in allen Studien untersucht. An den Studien nehmen zweisprachige (Deutsch-Englisch) Schüler/innen in CLIL-Programmen und Studierende unterschiedlicher Fächer teil. Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt liefern neue Erkenntnisse über die Bedeutung von Sprache beim Lernen, die nicht nur für Forscher/innen sondern auch für Praktiker/innen im Bereich des zweisprachigen bzw. mehrsprachigen Lernens (z.B. bei CLIL) interessant sind.