Dissipative Normalformen im Lagrange Problem
Dissipative normal forms in the Lagrange problem
Wissenschaftsdisziplinen
Mathematik (60%); Physik, Astronomie (40%)
Keywords
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Dynamical Systems,
Normal Form Theory,
Exponential Stability,
Dissipative Restricted Three Body Problem,
Lagrangian Points,
Celestial Mechanics
In der vorliegenden Projektbeschreibung beschreiben wir die Methodik, mit der es möglich ist, das eingeschränkte Dreikörperproblem mit dissipativen Kräften mit der Theorie der Normalformen zu untersuchen. Während die Anwendung von Normalformen in konservativen dynamischen Problemen bereits ein etabliertes Fachgebiet ist, wurde das dissipative eingeschränkte Dreikörperproblem noch nicht ausreichend mit diesen Methoden untersucht. Neue Erkenntnisse ([1],[2]) haben uns ermöglicht, die Normalformtheorie um die Anwendung auf dissipative, ursprünglich Hamiltonische Systemen zu erweitern und die exponentielle Stabilität der Wirkungsvariablen von einer Klasse von konservativen Differentialgleichungssystemen zu zeigen. Der vorliegende Antrag beschreibt, wie es möglich ist, diese Theorien auf die Anwendung auf das eingeschränkte Dreikörperproblem mit dissipativen Kräften zu erweitern und ein Stabilitätstheorem in der Nähe der Stabilitätspunkte des Sonne-Jupiter- und Erde- Mond- Systems zu prüfen. Beide Modelle stellen einen wichtigen Beitrag sowohl für die Grundlagen, als auch Angewandte Forschung dar. Mit den zu Verfügung gestellten Werkzeugen wird es zudem möglich sein, die Dynamik von planetaren, extrasolaren Planetensystemen unter zu Hilfenahme der Theorie von Normalformen zu untersuchen. Folgende Schwerpunkte werden in dem vorliegenden Forschungsvorhaben behandelt: 1.) Herleitung eines Modells der Bewegung in der Umgebung der Lagrange Punkte L4, L5 im eingeschränkten Dreikörperproblem unter Einwirkung von dissipativen Kräften, deren Ursache Gasreibung oder Poynting-Robertson Reibung sind. 2.) Berechnung der dissipativen Normalform der Bewegung für resonante und nicht-resonante Anfangsbedingungen. Adaptierung der Theoreme, die in [1], [2] entwickelt wurden, um exponentielle Stabilität zu zeigen. Erstellen eines Computerprogramms zur Durchführung der hierfür notwendigen Berechnungen. 3.) Herleitung eines lokal gültigen Stabilitätstheorems, welches in der Umgebung der Lagrange Punkte des Sonne-Jupiter und Erde-Mond Systems gültig ist. Abschätzung der Stabilitätszeiten und Stabilitätsregion in Abhängigkeit der Systemparameter und Angabe der Bedingungen für die spezielle Form der dissipativen Kräfte. Die Notwendigkeit des vorliegenden Forschungsvorhabens ist gegeben: dissipative Kräfte finden sich überall in der Natur. Deren Einwirkung auf die Langzeitstabilität von dynamischen Problemen, die sich in unserem Sonnensystem finden kann daher nicht vernachlässigt werden. Die genaue Kenntnis des Wechselspiels der konservativen und dissipativen Kräfte erlaubt Beides: die Natur um uns besser zu verstehen, als auch die Anwendungen in der Weltraumforschung, zu ermöglichen und zu verbessern. [1] A. Celletti, C. Lhotka: "Stability for exponential times in nearly-Hamiltonian systems: the non-resonant case", preprint 2011 [2] A. Celletti, C. Lhotka: "Stability times in nearly-Hamiltonian systems: the resonant case", preprint 2011
In der vorliegenden Studie wurde die Stabilität von kleinen Himmelskörpern im Lagrange-problem unter dem Einfluss von nicht-gravitativen Kräften bestimmt. Das Lagrangeproblem ist ein spezieller Fall des eingeschränkten 3-Körperproblems (z.B. Sonne-Erde-Mond), bei dem sich ein Körper kleiner Masse in der Nähe von den Gleichgewichtspunkten der gravitativen Kräfte der Körper bewegt (z.B. Sonne-Jupiter-Trojaner Asteroid). Das Problem der Dynamik ist von Bedeutung für die Bestimmung der korrekten Position von speziellen Weltraumteleskopen, und ein grundlegendes dynamisches Modell für die mathematische Beschreibung der Bewegung von natürlichen Himmelskörpern jeglicher Art. Die Kräfte, welche in diesem System auftreten können werden in gravitative Kräfte und nicht-gravitative Kräfte unterteilt. Während erstere aus einem Potential abgeleitet werden können, ist dies für nicht-gravitative Kräfte nicht immer möglich. Nicht-gravitative Kräfte, die in unserem Sonnensystem auftreten, sind meist auf die Interaktion der elektromagnetischen Strahlung der Sonne (oder des Zentralsterns) mit einem Himmelskörper zurückzuführen. In den meisten Fällen der Anwendung können diese 'dissipativen' Kräfte vernachlässigt werden, jedoch führt diese Vereinfachung für kleinere Himmelskörper, wie z.B. Staub, Meteoroiden, kleine Asteroiden oder Weltraumfahrzeuge mitunter zu falschen Voraussagen. Es ist daher sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung in der Weltraumtechnik wichtig, die Auswirkung jener dissipativen Kräfte auf die Bewegung der Himmelskörper besser zu verstehen. In der vorliegenden Studie wurde insbesondere der nicht gravitative Effekt der elektromagnetischen Strahlung auf die Bewegung von Staubteilchen, die so gennante Poynting-Robertson 'Reibung', sowie der Effekt von Reibungskräften (z.B. in einer planetaren Wolke) auf die Bewegung von masselosen Teilchen eingehend untersucht. Die Studie basiert auf analytischen und numerischen Methoden der Mathematik, es war jedoch notwendig eine bestehende Theorie der Normalformen derart zu adaptieren, sodass sie auch auf nicht-gravitative Kräfte angewendet werden kann. Die Adaption war Teil des Projekts, und wurde erfolgreich durchgeführt. Es wurde zudem mit Hilfe von numerischen Simulationen gezeigt, dass die Bewegungen, welche im rein gravitativen Problem stabil sind, unter Hinzunahme der dissipativen Kräfte instabil werden. Nur unter sehr speziellen Voraussetzungen ist es möglich, so genannte 'temporäre' Stabilität in der Bewegung der Teilchen zu finden. Die notwendige Bedingung für derartige Stabilität wurde mit Hilfe analytischer Methoden bestimmt, die Langzeitstabilität konnte aber nicht, wie angenommen, mit der Theorie der Normalformen, bestimmt werden, da die Voraussetzungen der Theorie nicht erfüllt waren. Besonders hervorzuheben ist jedoch die neue Erkenntnis, dass temporäre Stabilität, im Fall von Poynting-Robertson Reibung, nicht nur außerhalb der Bahn eines störenden Planeten stattfindet, sondern auch innerhalb der Umlaufbahn des störenden Planeten möglich ist. Dies ergänzt Aussagen früherer Studien. Die Auswirkung dieser Erkenntnis auf weitere Wissenschaftsdisziplinen sollte auf jeden Fall eingehend untersucht werden.
Research Output
- 59 Zitationen
- 5 Publikationen
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2015
Titel The effect of Poynting–Robertson drag on the triangular Lagrangian points DOI 10.1016/j.icarus.2014.11.039 Typ Journal Article Autor Lhotka C Journal Icarus Seiten 249-261 Link Publikation -
2015
Titel Effective stability around the Cassini state in the spin-orbit problem DOI 10.48550/arxiv.1510.06521 Typ Preprint Autor Sansottera M -
2014
Titel Effective stability around the Cassini state in the spin-orbit problem DOI 10.1007/s10569-014-9547-6 Typ Journal Article Autor Sansottera M Journal Celestial Mechanics and Dynamical Astronomy Seiten 75-89 Link Publikation -
2014
Titel Transient times, resonances and drifts of attractors in dissipative rotational dynamics DOI 10.48550/arxiv.1401.4378 Typ Preprint Autor Celletti A -
2014
Titel Transient times, resonances and drifts of attractors in dissipative rotational dynamics DOI 10.1016/j.cnsns.2014.01.013 Typ Journal Article Autor Celletti A Journal Communications in Nonlinear Science and Numerical Simulation Seiten 3399-3411 Link Publikation