Wiener PälastinenserInnen: Die Österr.-Paläst. Begegnung

Abstract (Deutsch) Wichtigste Ziele der Einwanderung von PalästinenserInnen nach Europa waren in den 1960er Jahren Deutschland und zwischen etwa 1980 und 1990Skandinavien. Seit der Ära Bruno Kreiskys spielte jedoch Wien eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung und Förderung einer palästinensischen Zivilgesellschaft wie auch eines sekularen palästinensischen Nationalismus. In den letzten zehn Jahren wurde die palästinensische Gemeinschaft in Wien offiziell von acht palästinensisch-österreichischen Einrichtungen repräsentiert und von elf anderen arabischen und dreizehn österreichischen Institutionen direkt unterstützt. Auch religiöse Einrichtungen ziehen PalästinenserInnen an und erheben Anspruch auf das vielstimmige Konzept einer palästinensischen Sache. Dennoch fehlen wissenschaftliche Untersuchungen zur Thematik nahezu völlig. Wie durchdringen Nationalismus, Ethnizität und Religion transnationale palästinensische Netzwerke, die auf die österreichisch palästinensische Begegnung treffen? Überkreuzen sich diese Einflüsse, und wenn, dann auf welche Weise? Wie beeinflusst Europa und insbesondere Wien die Beziehungen zwischen diesen Variablen?

Das Forschungsprojekt behandelte die österreichisch-palästinensische Begegnung am Beispiel von bereits länger in Österreich etablierten Communities, kürzlich eingetroffenen palästinensischen Flüchtlingen aus Syrien sowie pro-palästinensischen österreichischen AktivistInnen. Das unterschiedliche soziale Gruppen übergreifende Verstehen von Vorstellungen und Werten besaß dabei Priorität. Die Forschung zielte auch auf einen zweifachen Beitrag zur Fachliteratur ab: Zu Migration/erzwungener Migration, zu Integrations- und Mobilitäts-Studien, sowie zur palästinensischen Nationalität/Identität, sozialer Zugehörigkeit und der palästinensischen Diaspora. Der Terminus Begegnung/Encounter ersetzt dabei die enge Fokussierung auf Integration und gemeinschaftsbezogene Studien durch einen breiteren Fokus auf das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Weltbilder und sozialer Praktiken: Wie sind Österreich, Europa und der arabisch geprägte Nahe Osten miteinander verbunden, inwieweit werden Weltbilder und soziale Praktiken durch diese Begegnung geformt und wie sind PalästinenserInnen und pro-palästinensische österreichische AktivistInnen dadurch betroffen. Diese Begegnung ist definiert durch wechselseitige Darstellungen und Weltsichten sowie religiöse, ethnische und politische Beziehungen. Die durchgeführte Feldforschung fokussierte auf palästinensische zivilgesellschaftliche Institutionen in Österreich sowie auf von ÖsterreicherInnen geleiteten Institutionen mit dem Ziel der Repräsentanz oder Unterstützung von PalästinenserInnen. Dazu kam an Individuen und Institutionen im Nahen Osten durchgeführte Feldforschung zum symbolischen und praktischen Ausmaß der Begegnung. Der Sommer der Migration, in dem zahlreiche Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nach Europa kamen, bedeutete für das Projekt eine tiefgreifende analytische Neukonfiguration der sozialen Lage. Die meisten PalästinenserInnen in Österreich waren nicht offiziell als Flüchtlinge gekommen wie nunmehr PalästinenserInnen aus Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien; dies bedeutete eine Steigerung der Opferrolle als Flüchtlinge und eine Stärkung der Beziehungen mit anderen AraberInnen in Österreich. Die Forschungsergebnisse weisen auf eine komplexe Beziehung zwischen den österreichischen und den palästinensischen imaginierten Gemeinschaften hin: Beide beeinflussen Schlüsselsektoren der jeweils anderen Gemeinschaft. Dieser Einfluß bringt politische und kulturelle Annäherungen mit sich, die im Gegenzug wechselseitig Ideale, Werte und Einstellungen schärfen, wobei die Beziehung zwischen sozialen Akteuren dieses Encounters eine asymmetrische ist. Darstellungen der palästinensischen Agenda verkörpern, über Nationalität hinausgehend, auf universelle Weise Werte, Ideale und Einstellungen. Insbesondere der Begriff der Humanität trug zusammen mit politischen Idealen zur Ausprägung der österreichisch-palästinensischen Begegnung bei. Beide Gemeinschaften, PalästinenserInnen und ÖsterreicherInnen, sind einander sehr ähnlich in der Verkörperung humanitärer Prinzipien Palästina dabei als ein Anliegen und Österreich/Europa als dessen Verfechter.