Musik als Lebensaffirmation
Music as life-affirmation
Wissenschaftsdisziplinen
Kunstwissenschaften (55%); Philosophie, Ethik, Religion (45%)
Keywords
-
Life-Philosophy,
Music Aesthetics,
Life-Paradigm,
Affirmation,
Value,
Absolute Music
In den letzten beiden Jahrzehnten hat das Interesse an der Lebensphilosophie als eigenständiger Bewegung in der Geschichte der Philosophie vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts stark zugenommen. Die Musikästhetik der Lebensphilosophie blieb jedoch unerforscht. Das Projekt Musik als Lebensaffirmation. Der Wert der Musik in der Lebensphilosophie soll diese Forschungslücke füllen. Lebensphilosophie, so die leitende Hypothese des Projekts, sieht in der Musik das intimste Paradigma des Lebens; Instrumentalmusik und Leben werden als isomorph gedacht. Zur Überprüfung dieser Hypothese muss die Musikästhetik der Lebensphilosophie rekonstruiert werden durch (a) die Untersuchung der Einsichten exemplarischer Philosophen in Harmonie, Melodie, Rhythmus und Klang, und (b) ein Herausarbeiten der Beziehung der Musik zur philosophischen Kategorie des Lebens. Der methodologische Fokus richtet sich auf zwei Aspekte: (a) die Auffassung der Musik als Medium des Ausdrucks menschlicher Gefühle, Stimmungen und anderer Lebensphänomene, sowie (b) das zeitgenössische Musikparadigma des 19. Jahrhunderts, d. i. die reine, instrumentale, so genannte absolute Musik, die zum Gegenstand des Streits zwischen der romantischen Musikästhetik und dem musikästhetischen Formalismus wurde. Weiterhin werden wir nach der Bedeutung der Musik als Lebensaffirmation fragen und untersuchen, ob und wie diese Auffassung mit Kompositionen und Programmen der Musik des 19. und 20. Jahrhunderts korrespondiert. Drei Werke sollen als Beispiele dazu dienen: Wagners Tristan, Nielsens 4. Symphonie und Delius Messe des Lebens. Als Leitfaden in historischer und systematischer Perspektive werden zeitgenössische Auffassungen des Affirmationsbegriffs sowie das Leben als ästhetische Idee der Musik dienen. Abschließend sollen die Vorteile einer lebensphilosophischen Perspektive für die Geschichte der Musikästhetik erwogen werden; dies könnte neues Licht auf den Status der Kategorie der absoluten Musik werfen. In letzter Konsequenz soll das Projekt daher auch einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Zukunft der klassischen Musik leisten.
Das Projekt untersuchte die Musikästhetik der Lebensphilosophie als eigenständiger Bewegung in der Philosophiegeschichte vom Ende des 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, d.h. von der Frühromantik bis zur Entstehung der Philosophischen Anthropologie. Die Projekthypothese lautete, dass es von einer lebensphilosophischen Musikästhetik die Rede sein kann, denn alle Lebensphilosophen teilen zwei Auffassungen: a) einen Isomorphismus zwischen reiner Instrumentalmusik, der sogenannten absoluten Musik und Leben, b) die Funktion der Musik als Lebensaffirmation. Das Projekt demonstrierte, wie die Vertreter der Lebensphilosophie zum Isomorphismus von Musik und Leben kommen, indem sie einerseits durch Kritik und Aneignung formalistische und expressive Perspektiven über Musik synthetisieren und andererseits das Leben als die inklusivste ästhetische Idee der Musik betrachten. Reine Instrumentalmusik ist analog zur inneren Form von Emotion zu denken und daher als diejenige Kunst zu betrachten, die dem Leben am nächsten steht, da das Leben ursprünglich als Emotion erscheint. Es wurde analysiert, wie die Lebensphilosophen negative Merkmale von Instrumentalmusik und Emotion wie Ineffabilität, Surplus und Inkommensurabilität umkehren, um eine positiv besetzte Analogie zwischen Musik und Leben zu gewinnen. Zudem wurde untersucht, wie die lebensphilosophische Ästhetik sich vom ästhetischen Diskurs des Schönen distanziert und absolute Musik mit beiden Variationen des Erhabenen, dem Dynamischen und dem Mathematischen, assoziiert. Die praktische Konsequenz des Isomorphismus von Musik und Leben ist, dass die Musik als Lebensaffirmation fungiert. Für die Lebensphilosophie ist Affirmation das bessere Wort für Ausdruck, aber während Ausdruck deskriptiv ist, hat Affirmation einen proaktiven Charakter. Zudem suchte das Projekt verschiedene Formen von Affirmation bei den Vertretern der Lebensphilosophie zu identifizieren. Dazu wurde David Pugmires Unterscheidung zwischen fünf Formen von Affirmation eingesetzt: 1) Identifizierung, 2) Konsolidierung, 3) Reorientierung, 4) Initiierung und 5) Transfiguration. Das Projekt führte zu dem Ergebnis, dass bei allen Lebensphilosophen mindestens eine von diesen Formen von Affirmationen anzutreffen ist. Demzufolge liegt für die Lebensphilosophie der Wert der Musik in ihrer Fähigkeit, das Leben zu affirmieren.