Keramik & Transformation im römisch-byzantinischen Limyra
Pottery and Transformation in Roman and Byzantine Limyra
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Naturwissenschaften (10%); Geschichte, Archäologie (80%); Mathematik (10%)
Keywords
-
Roman pottery,
Byzantine pottery,
Regionalism,
Lycia,
Ancient economy,
Archaeometry
Bei Reisen in andere Regionen und Länder, betreten wir andere Welten. Die Landschaft ändert sich, die Menschen sprechen andere Dialekte oder Sprachen, sie kleiden sich anders, sie essen anders und auch das Geschirr sieht anders aus. Auch wenn wir alle in einer einzigen Welt leben, bietet jeder Ort dieser Welt also etwas Einzigartiges. In der Vergangenheit war das nicht anders, und genau damit beschäftigen wir Archäologen uns. Durch das Ausgraben und die Analyse von menschlichen Hinterlassenschaften wollen wir verstehen, wo und wie die Menschen damals lebten, arbeiteten, dachten und wie sie sich selbst und ihre Gesellschaftsformen im Verlauf der Geschichte veränderten. Betrachten wir als Beispiel die antike Stadt Limyra, die in Lykien in der heutigen Südwesttürkei gelegen ist. In den letzten Jahren hat ein Team von Archäologen unter Federführung des ÖAI/ÖAW zahlreiche Gebäudereste und Zeugnisse der materiellen Kultur ausgegraben, also Artefakte wie Münzen, Dachziegel und Keramikscherben. In der römischen Welt wurden Keramikerzeugnisse an vielen Orten hergestellt und fanden vielfältig Verwendung. Die Menschen haben Becher zum Trinken verwendet, Pfannen zum Kochen und Öllampen zur Beleuchtung ihrer Häuser. Die Funktionen haben sich kaum verändert. Aber in Form und Dekor der Keramikerzeugnisse, und oftmals von ihrer Herkunft her, lassen sich Unterschiede auf regionaler wie anderer Ebene feststellen. Und tatsächlich gilt das auch heute noch, was ein einfacher Blick auf unser Geschirr und das unserer Großeltern zeigt. Oder man denke daran, dass es vor 500 Jahren keinen Kaffee in Europa gab und deshalb keine Kaffeetassen. Keramikgefäße erzählen uns also etwas über lokale Traditionen, aber auch über Gesellschaften. Innerhalb des Projekts Keramik und Wandel im römisch-byzantinischen Limyra (FWF-Lise Meitner Programm M 3170-G) werden nun Keramikgefäße analysiert, die von dort stammen und in die Zeit zwischen dem 3. und 8. Jh. n. Chr. datieren. Die Gefäße werden dabei zunächst unter dem Aspekt des Wandels betrachtet, was auch den Wandel von Limyra selbst wie jenen der umgebenden Welt reflektiert. So unterscheidet sich beispielsweise ein Großteil der Keramikerzeugnisse des 3. Jh. n. Chr. und dem 6. Jh. n. Chr. deutlich von Aussehen und Herkunft her. Wir wissen allerdings, dass solche Veränderungen nicht Zufall passieren (man erinnere sich an die Kaffeetassen). Daher interessieren uns genauer Zeitpunkt und Ursachen für die Veränderungen von Form, Dekor oder Herkunft. Geschahen diese nur auf lokaler Ebene? Hat vielleicht ein Töpfer etwas Neues ausprobiert? Oder gab es einen großräumigeren Wandel, der sich auch auf Limyra ausgewirkt hat? Ein weiterer Gedanke des Projekts besteht schließlich darin, einen großen Teil der Keramik aus Limyra trotz des beschriebenen Wandels als einzigartig zu erweisen und lokale Traditionen aufzuzeigen. Das Studium einfacher Scherben aus Limyra wird also dazu beitragen, Limyra und seinen BewohnerInnen wieder Leben einzuhauchen.
Keramikfragmente werden jedes Jahr millionenfach an antiken Stätten gefunden und sind aufgrund ihrer Haltbarkeit, Wiedererkennbarkeit und anderer Aspekte eine äußerst wertvolle Quelle für Informationen über die Art und Weise, wie die Menschen in der Vergangenheit lebten, kochten, aßen, glaubten, handelten und bauten. Mit anderen Worten: Töpferwaren wurden in praktisch allen Bereichen des täglichen Lebens verwendet. Das vom FWF geförderte Projekt "Keramik & Transformation im römisch-byzantinischen Limyra" dauerte von Dezember 2021 bis November 2023 und konzentrierte sich auf die antike Stadt Limyra, die im südöstlichen Lykien (südliches Kleinasien) liegt. Genauer gesagt wollte ich in diesem Projekt keramische Muster vom dritten bis zum siebten/achten Jahrhundert n. Chr. anhand von Keramik rekonstruieren, die bei älteren, aber vor allem auch bei jüngeren Ausgrabungen in Limyra gefunden wurde. Die Schaffung eines solchen grundlegenden Rahmens ist von entscheidender Bedeutung, da wir für die meisten antiken Stätten nur sehr wenig über langfristige Keramikmuster wissen. Während sich die grundlegenden Funktionen der Töpferwaren in Limyra im Laufe dieser fünf bis sechs Jahrhunderte nicht änderten, taten dies viele andere Dinge, und ich wollte insbesondere verstehen, was sich innerhalb dieser Muster änderte, wann dies geschah und warum! Diese Fragen konzentrierten sich auf Veränderungen und Kontinuitäten in der Typologie (welche Form hatten die Töpfe, und wann/warum kamen neue Formen auf?), der Herkunft (wo wurden sie hergestellt?) und im Verhältnis (wie viel kam woher, wann und was wurde transportiert?). Dieser Rahmen, der ein Ziel an sich darstellt, ermöglicht es jedoch auch, die Funktionsweise und den Wandel der Stadt Limyra während der römischen und byzantinischen Zeit zu untersuchen. Ein Großteil der gefundenen Keramik wurde in Lykien hergestellt, während Tafelgeschirr (zum Servieren, Essen und Trinken) und vor allem Amphoren (Transport-/Lagergefäße) aus dem gesamten Mittelmeerraum und dem Schwarzmeergebiet importiert wurden. So sind heute beispielsweise Amphoren aus Spanien und Portugal bekannt, in denen Fischsaucen transportiert wurden, die in der Antike ein wichtiges Handelsgut und Geschmacksträger waren. Was die Rekonstruktion der Stadtgeschichte von Limyra betrifft, so gibt es beispielsweise im dritten Jahrhundert n. Chr. Anhaltspunkte für eine größere Umstrukturierung der Weststadt, möglicherweise aufgrund weit verbreiteter Unruhen in Teilen des Römischen Reiches. Etwas später, im späten dritten oder frühen vierten Jahrhundert n. Chr., weist Keramik aus einer großen Schüttung Spuren eines großen Brandes auf, der in der Nähe gewütet haben muss und die Keramik so stark beschädigte und zerbrach, dass die Menschen sie wegwerfen mussten. Der vielleicht tiefgreifendste Wandel vollzog sich im siebten Jahrhundert n. Chr., als die Weststadt von Limyra ihre "klassische" Pracht verloren hatte und Keramik aus neuen Quellen importiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Limyra offenbar nicht mehr im Herzen des Oströmischen Reiches, sondern wurde geografisch an den Rand gedrängt: Die jahrhundertealten Keramikmuster begannen sich aufzulösen und eine neue historische Realität brach an.
- Jeroen Poblome, Katholieke Universiteit Leuven - Belgien
- John Lund, The National Museum of Denmark - Dänemark
- Paul Reynolds, University of Barcelona - Spanien
- Erkan Dündar, Akdeniz University - Türkei
Research Output
- 5 Publikationen
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
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2023
Titel Pottery Study in Limyra in 2022: an Overview Typ Journal Article Autor Bes Journal Anatolia Antiqua Seiten 209-215 -
2023
Titel A Rare Stamp in the Collection. A Late Roman Amphora 1 Stamp found in Limyra (Lycia, Turkey); In: Rei Cretariae Romanae Fautorum Acta 47 Typ Book Chapter Autor Bes Verlag Archaeopress Seiten 133-140 -
2023
Titel Similarity Matrices of Lyciennes Kaolinitiques from Limyra as a Means of Seriation and Chronology Modelling Typ Journal Article Autor Bes P.M. Journal Anatolia Antiqua Seiten 216-221 -
2022
Titel Kind of Magic. An Unusual Impression on an Early Byzantine Ampulla (Late Roman Unguentarium) from Limyra Typ Journal Article Autor Bes Journal Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien Seiten 65-88 -
2022
Titel Overland Connections. Roman-Period Ceramic Exchange between Limyra (Lycia) and Sagalassos (Pisidia), Southwest Asia Minor Typ Journal Article Autor Bes Journal HEROM. Journal on Hellenistic and Roman Material Culture Seiten 17-32
-
2023
Titel Invitation to the Academic Seminar of the Bulgarian Academy of Sciences-National Archaeological Institute with Museum Typ Personally asked as a key note speaker to a conference Bekanntheitsgrad National (any country)