Steuerfaktoren für das Auftreten von Arthrospira fusiformis

Im abflusslosen Ostafrikanischen Grabenbruch entstanden einige hochkonzentrierte Sodaseen, die zu den weltweit am meisten alkalischen Ökosystemen zählen. Ein Charakteristikum ist die enorme Dichte an Phytoplankton, welches von Arthrospira fusiformis dominiert wird. Diese Cyanobakterien stellen die primäre Energiequelle für das Nahrungsnetz in den Seen dar. Darüber hinaus sind sie die einzige Nahrung der Zwergflamingos, die die Salzseen zu Hunderttausenden bevölkern. Die hohe Biomasse von A. fusiformis ist für die Stabilität des Ökosystems essentiell, dennoch kommt es immer wieder zu plötzlichen Zusammenbrüchen der Algenblüten. Dieses bis dato ungeklärte Phänomen wird mit dem vorliegenden Projekt näher untersucht. Im Zuge der Studie werden zwei unterschiedliche Seentypen in Kenia beprobt, nämlich der sehr seichte, täglich durchmischende Lake Nakuru, welcher in den 1960-iger Jahren mit planktivoren Fischen (Oreochromis) besetzt wurde und der fischfreie, über längere Zeiträume geschichtete Lake Bogoria. Neben der Erhebung von (i) physikalisch-chemischen Basisdaten werden (ii) Änderungen der Planktonzusammensetzung untersucht und (iii) die Vitalität des Phytoplanktons mittels Fluoreszenzverfahren überprüft. Im Besonderen werden (iv) Bakterio- und Virioplanktonabundanzen dokumentiert und (v) der Frage nachgegangen, inwieweit Cyanophagen am Zusammenbruch der Algenblüten beteiligt sind. Mit Hilfe multivariater statistischer Verfahren werden schließlich biotische und aboitische Variablen simultan verschnitten, um Steuerfaktoren für das Auftreten von Arthrospira zu extrahieren.

Im ostafrikanischen Grabenbruch sind einzigartige Sodaseen zu finden, die als Flamingoseen bekannt sind. Sie sind als die Ökosysteme mit der weltweit größten Produktivität gelistet und weisen auch höchste Bakterien- und Virendichten auf. Die hohe Phytoplanktondichte ist im Wesentlichen auf die fädige, spiralig gewundene Blaualge Arthrospira fusiformis zurückzuführen (Synonym Spirulina platensis), die allerdings von Zeit zu Zeit Zusammenbrüche erfährt, die bislang nicht ausreichend erklärt werden konnten. Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich das vorliegende Projekt, in welchem erstmals Vireninfektionen beobachtet werden konnten, die mit dem Zusammenbruch der Algenpopulationen zusammenfielen. Zusätzlich steuern die Lichtverfügbarkeit und Konsumentenabundanzen das Auftreten dieses Taxons. Arthrospira zeigt typische morphologische Ausprägungen. Zellen mittlerer Größe und lange, lockere Spiralen sind am häufigsten anzutreffen. Fluoreszenzmessungen wiesen lockere Spiralen als vitalsten Morphotyp aus. Diese morphologische Ausprägung wurde durch gute Phosphorverfügbarkeit, Wind, höhere Temperaturen und Leitfähigkeiten gefördert. Große, dichte Spiralen traten bei größerer Dichte von Fraßfeinden und erhöhten Virenbefall auf, weite Spiralen bei starken Turbulenzen. Die vorliegende Studie konnte erstmals charakteristische morphologische Ausprägungen in freier Natur nachweisen und quantifizieren. Im Zuge des Projektes konnte auch ein Kaskadeneffekt der Nahrungskette untersucht werden. Wir konnten nachweisen, dass die Abwanderung von Flamingos auf vermindertes Nahrungsangebot zurückzuführen ist, deren Hauptnahrung A. fusiformis darstellt. Der Zusammenbruch dieser Algen ist wiederum durch Cyanophagen verursacht. Wir konnten somit zeigen, dass Vireninfektionen an der Basis der Nahrungskette in einer bottom-up Kaskade die Zahl von warmblütigen Endkonsumenten bestimmt. Wir erwarten, dass unsere Ergebnisse weitere Untersuchungen über vireninduzierte Kaskadeneffekte in aquatischen Nahrungsketten anregen. Die Morphologie von A. fusiformis dürfte als Indikator für die biologische Stabilität in Sodaseen geeignet sein, weil diese Änderungen der Morphologie sehr auffällig sind und mit einem Wechsel der Umweltbedingungen einhergehen. Neben der potentiellen Vireninfektion ist dieses Ergebnis für die kommerzielle Verwendung von Spirulina-Farmen in der industriellen Verwertung von Interesse. Cyanotoxine können als Ursache für auftretende Flamingo-Massensterben ausgeschlossen werden. Unsere Untersuchungen konnten die Schlüsselrolle, die Arthrospira für die ökologische Funktionsfähigkeit in diesen Systemen hat, deutlich zeigen. Die Ergebnisse sind zudem für das Management dieser hochsensiblen Ökosysteme von großem Interesse.