Pflanze-Bodentier Interaktionen in Grasland-Ökosystemen

Ein besseres Verständnis der Auswirkungen funktioneller Pflanzengruppen auf Nahrungsketten im Boden sowie Dichte und Diversität von Bodenorganismen verschiedener trophischer Ebenen ist ein Gebot der Stunde in der modernen ökologischen Forschung. Zur Beantwortung dieses großteils unbearbeiteten Forschungskomplexes werden neun Ackerbrachen unterschiedlichen Alters (drei 2-, 7- und 12- jährige Brachen) in einem zwei- faktoriellen Design mit den Faktoren funktionelle Pflanzengruppen (Leguminosen, Gräser, Kräuter) und Brachenalter (2, 7, 12 Jahre) in einem Blockdesign untersucht. Die ausgewählten Tiergruppen erfüllen Schlüsselfunktionen hinsichtlich Streuabbau und Nährstoffkreislauf (Collembolen) bzw. Prädation von oberirdisch lebenden Herbivoren und Boden bewohnenden Sekundärzersetzern (Staphyliniden). Zudem sind beide Tiergruppen in Agrarökosystemen sehr artenreich und stehen in einer engen Räuber-Beute-Beziehung zueinander; dies ermöglicht es zu untersuchen, ob sich die Auswirkungen der funktionellen Pflanzengruppen durch das Bodennahrungsnetz hindurch "fortpflanzen" (z. B.: Anwesenheit von Leguminosen erhöhte Dichte an Collembolen? erhöhte Dichte an Staphyliniden?). Folgende Hypothesen werden aufgestellt: 1) Die Anwesenheit von Leguminosen erhöht die Abundanzen der Collembolen innerhalb der einzelnen Nahrungsgilden. 2) Die Anwesenheit von Leguminosen führt zu einer erhöhten mikrobiellen Biomasse, wodurch die Dichten von Collembolen und deren Antagonisten (Staphyliniden) erhöht werden (bottom-up-effect). 3) Dichte und Diversität von Collembolen und Staphyliniden nehmen mit dem Alter der Ackerbrachen zu. Zudem nehmen wegen des abnehmenden Einflusses vorangegangener Störungen die Unterschiede in der Dichte und Diversität von Collembolen und Staphyliniden zwischen den funktionellen Pflanzengruppen mit dem Brachenalter zu. Zur Überprüfung der Hypothesen werden zwei innovative Ansätze gewählt: A) Durch das Ausgraben einzelner Pflanzen samt der Erde kann die mit der Wurzel assoziierte mikrobielle Biomasse sowie Dichte und Diversität der wurzel-assoziierten Fauna verschiedener funktioneller Pflanzengruppen bestimmt werden (neuer "micro-scale approach"). B) Zur Analyse der potentiellen Nahrungskette "funktionelle Pflanzengruppen Collembolen Staphyliniden" werden die d15N and d13C-Werte der verschiedenen funktionellen Pflanzengruppen sowie der dominanten Collembolen und Staphyliniden ermittelt, um Nahrungs-Konsumenten-Beziehungen aufzuzeigen. Grundsätzlich sollen neue Erkenntnisse über die Bedeutung verschiedener funktioneller Pflanzengruppen für das Bodennahrungsnetz gewonnen werden, wobei wir uns auf die Reaktion einer bestimmten Nahrungskette innerhalb des Bodennahrungsnetzes konzentrieren (funktionelle Pflanzengruppen Collembolen Staphyliniden).

Der neue Mikroskala-Ansatz dieses Projektes deutet darauf hin, dass die Bodentiergemeinschaften von Ackerbrachen stark durch die Anwesenheit einzelner Pflanzenarten beeinflusst werden (z. B. durch das Gras Taube Trespe). In dieser Freilandstudie wurden die Dichten der Springschwänze, Raub-und Schildkrötmilben, Hornmilben und verschiedener Bodenmakrofaunagruppen in neun Ackerbrachen unterschiedlichen Alters im Rahmen eines faktoriellen Designs untersucht (Faktor Pflanzenart: Saat-Luzerne als Leguminose, Gemeiner Löwenzahn als krautige Pflanze, Taube Trespe als Gras), Faktor Altersklasse: A1: 2-3/3-4, A2: 6-8/7-9, A3: 12-15/13-16 jährig abhängig vom Untersuchungsjahr 2008/2009). Die Dichten der streufressenden Makrofauna (Schnurfüßer, Landasseln und Regenwürmer), Springschwänze und Raub- und Schildkrötmilben (räuberische Milben) waren in den Gras-Proben signifikant höher als in den Löwenzahn- und Luzerne-Proben. Dies deutet darauf hin, dass die Springschwänze und die streufressende Makrofauna vermutlich von der großen Menge an Feinwurzeln in den Gras- Proben profitiert haben, was wiederum zu hohen Dichten der räuberischen Milben geführt hat, die sich von Springschwänzen ernähren. Dieser Gras-Effekt unterstreicht die Bedeutung von ökologischen Feldstudien, die sich auf die Mikroskala einzelner Pflanzenarten konzentrieren. Das Alter der Brachen hatte keinen (Springschwänze, Raub-und Schildkrötmilben) oder nur einen mäßigen Einfluss (Schnecken, räuberische Käfer) auf die Dichte der untersuchten Bodentiergruppen, was vermutlich z. T. an der Heterogenität der untersuchten Versuchsstandorte lag. Die Isotopen-Messungen der ?13C und ?15N Signaturen der untersuchten Pflanzen-und Tierarten(taxa) gaben uns einen Einblick in das Bodennahrungsnetz der untersuchten Brachen. Dieses Nahrungsnetz umspannt 2-3 Ernährungsstufen und beginnt mit typischen Streufressern (Doppelfüßer). Die anderen Tiergruppen bilden eine Art Kontinuum ohne klare Abgrenzung, beginnend mit Sekundärzersetzern/Pilzfressern (z.B. Springschwänze), danach folgen z.B. allesfressende Ameisen (z.B. Lasius sp.). An der Spitze des Nahrungsnetzes stehen die Räuber (z.B. verschiedene Kurzflügelkäfergattungen). Ein wichtiger Aspekt ist, dass die gemessenen ?13C und ?15N Werte der Ameisengattungen (Lasius, Myrmica und Solenopsis ) auf eine Nischendifferenzierung hinweisen, wobei die Gattungen ein unterschiedliches Ausmaß an räuberischer Ernährung zeigen, was die Resultate anderer Studien unterstützt. Weiterhin ist interessant, dass die ?13C Werte des Spross/Blattmaterials, der Wurzeln, der Doppelfüßer, der Springschwanzgattung Lepidocyrtus und der Ameisengattungen Lasius, Myrmica und Solenopsis in den jungen Brachen (A1) höher waren als in den alten (A2), was uns ermöglicht, separate (getrennte) Nahrungsketten innerhalb unsers Versuchsansatzes zu identifizieren.Insgesamt erscheint es aus ökologischer Sicht sinnvoll innerhalb der landwirtschaftlich geprägten Marchfeld-Region Brachen unterschiedlichen Alters inklusive der untersuchten Pflanzenarten weiterhin beizubehalten und zu etablieren. Diese Maßnahme schützt die Zusammensetzung und Vielfalt der Bodentiergemeinschaften und die Struktur des Bodennahrungsnetzes (siehe die aufgeführten Isotopenanalysen).