Das infrastrukturelle Umfeld der Höhensiedlung Thunau
The infrastructural enviroment of the hillfort of Thunau
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Naturwissenschaften (20%); Geschichte, Archäologie (80%)
Keywords
-
Frühmittelalter,
Gräberfeld,
Flachlandsiedlung,
Siedlungsraum,
Höhensiedlung,
Landschaftsnutzung
Im Rahmen der archäologischen Erforschung der befestigten Höhensiedlung von Thunau am Kamp wurde bereits des öfteren, auf das bedeutende, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannte frühmittelalterliche Gräberfeld im Tal hingewiesen. Im Rahmen von Grabungen und Notbergungen konnten bis 1986 immer wieder z. T. bereits zerstörte Bestattungen aber auch erste Siedlungsreste dokumentiert werden. Vorerst blieb aber das Hauptinteresse auf die mehrphasige befestigte Höhensiedlung auf dem "Schanzberg" beschränkt. Erst im Jahr 2004 wurde aufgrund von Bauvorhaben wieder verstärktes Augenmerk auf die archäologische Situation im Tal gelegt. Neben zwei Gräberfeldausschnitten mit knapp 40 Bestattungen konnten nun auch großflächige, gut erhaltene Siedlungsteile (Grubenhäuser, Gruben, Ofenbefunde sowie ein Töpferofen) dokumentiert werden, die bis zum Ufer des Kamp reichen. Der Besiedlungsschwerpunkt liegt hier, wie auch auf der befestigten Höhensiedlung im 9. bis 10. Jahrhundert n. Ch., allerdings konnten auch die anderen, vom "Schanzberg" bekannten Zeitstufen in geringerem Umfang nachgewiesen werden (v. a. späte Bronzezeit und späte Eisenzeit). Von wissenschaftlichem Interesse ist hier das den Funden nach höchstwahrscheinliche Weiterleben der ländlichen Ufersiedlung bis ins 11. Jahrhundert sowie zeitlich anschließende Befunde aus dem Spätmittelalter. Das besagte Grabungsareal ist also als Bindeglied im Prozess der Herrschaftsverschiebung von der Höhensiedlung auf dem "Schanzberg" zur hochmittelalterlichen Burg der Babenbergermarkgrafen auf dem "Schlossberg" zu erkennen. Diese erfolgversprechende Ausgangssituation soll auch den Grundstock für das beantragte Projekt bilden. Einerseits ist in diesem Rahmen auf die, in der Literatur noch weitgehend stiefmütterlich behandelten ländlichen Ansiedlungen des Frühmittelalters einzugehen, andererseits soll auch die historische Situation (Herrschaftsverschiebung) nicht vernachlässigt werden. Das beantragte Projekt selbst beinhaltet sowohl archäologische Ausgrabungen sowie deren umfassende Auswertung (archäologisch, naturwissenschaftlich, historisch). Als zeitlicher Rahmen sind drei Jahre (=36 Monate) mit durchschnittlich 10 Grabungsmitarbeitern während der drei Sommermonate vorgesehen. Die Auswertung erfolgt ganzjährig. Als Grabungsfläche wurde aus mehreren Beweggründen die Ackerparzelle 98/1 ausgewählt. Einerseits handelt es sich bei dem Grundstück um eine der letzten größeren, noch nicht bebauten und auch von der neuzeitlichen Terrassierung noch nicht in Mitleidenschaft gezogenen Flächen im Ortsgebiet der heutigen Thunau, andererseits ist hier die Grenze zwischen dem Gräberfeld und dem Siedlungsbereich zu vermuten. Als weiterer triftiger Grund ist auch die geplante Parzellierung und Umwidmung des Grundstückes auf Bauland anzuführen, was eine problemlose Forschungsgrabung in absehbarer Zeit unmöglich machen und ebenso die partielle Zerstörung der letzten großflächiger erfassbaren Siedlungsbefunde bedeuten könnte.
Das Ziel des Projektes "Das infrastrukturelle Umfeld der Höhensiedlung Thunau" (P 20009-G02) bestand in der archäologischen Untersuchung eines Ausschnittes der noch weitgehend unbekannten Talsiedlung von Thunau am Kamp. Aufgrund der noch spärlichen Befundsituation wurde vorerst von einer "einfachen, ländlich strukturierten Siedlung" am Fuß des bekannten ur- und frühgeschichtlichen Burgwalles auf dem "Schanzberg" ausgegangen. Diese Annahme änderte sich im vorgestellten Forschungsprojekt (November 2007 bis Oktober 2010) grundlegend. Die Dichte und Art der Befunde sowie das Fundmaterial sprechen nun vielmehr für ein eng an die frühmittelalterliche Befestigung gebundenes, sog. "Suburbium". Diese mehrphasige, produktionsorientierte Vorstadtsiedlung, bildete die Schnittstelle zwischen dem agrarischen Hinterland im "Horner Becken" und dem Herrschaftszentrum auf dem "Schanzberg". Eine derartig neue Ausgangssituation hilft nun ein wesentlich komplexeres Bild des protourbanen Zentrums von Thunau am Kamp zu entwerfen. Ähnliche Dreiteilungen in Vorburg, Hauptburg mit Herrenhof und Suburbium sind u. a. auch aus zeitgleichen böhmischen und mährischen Zentren bekannt. Die als Suburbium neu interpretierte Talsiedlung liegt in einer natürlichen Kesselsituation zwischen dem Steilabbruch des "Schanzberges" ( 120 m tiefer), dem "Goldberg" sowie dem Kampfluss und zerfällt in drei Nutzungsareale. Das erste davon ist das ausgedehnte Gräberfeld des 9. und 10. (11.?) Jh., an das die eigentliche zeitgleiche Siedlung anschließt, auf die das Hauptinteresse des vorgestellten Projektes gelegt wurde. Bis knapp ans heutige Kampufer reicht schließlich noch ein 2004 und 2005 untersuchtes "Gewerbegebiet" ohne Wohnfunktion. Die Siedlung selbst zeichnet sich vor allem durch Gebäude mit Wohnfunktion aus und zeigt nur in seltenen Fällen Überschneidungen mit dem Bestattungsplatz. Während die Gräberfeldbereiche der Jahre 2008 bis 2010 durch Beackerung weitgehend zerstört waren, zeigten sich die Siedlungsbefunde durch starke Erosionsüberlagerungen hervorragend erhalten. Vor allem sind Grubenhäuser zu nennen, die grob in zwei chronologische Phasen unterteilt werden können. Dazwischen lagen auch ebenerdige Gebäude in Pfosten- und Schwellenbautechnik. Als außergewöhnliche Befunde sind zwei Gräben zu werten, die ihren Ausgang bei einem nahen Bachbett nehmen. Eine Interpretation als künstliche Wasserläufe für den Antrieb von mechanischen Vorrichtungen des 10. Jh. (Mühle, Schleifmühle) liegt hier nahe. Unmittelbar im Norden davon konnten ein Schmiedebereich und zahlreiche Backöfen ergraben werden. Speichergruben und weitere Grubenobjekte runden das übliche Spektrum einer frühmittelalterlichen Siedlung ab. Mehrere lieblose Siedlungsbestattungen geben z. Z. noch Rätsel auf. Im Fundmaterial der Talsiedlung zeichnen sich unterschiedliche Einflüsse ab, die einerseits ins bayerische Ostland an der Donau sowie in den böhmisch - mährischen Raum verweisen. Gerade aus diesen Gründen ist an eine Mittlerfunktion des Zentralortes an der Kamptalroute zwischen den besagten Regionen zu denken, was auch seine verhältnismäßig isolierte Lage erklären könnte. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit sind vor allem die neue Dauerausstellung "30.000 Jahre Siedlungsraum Gars" sowie Kulturführungen für interessiertes Publikum und Schulklassen anzuführen.
- Universität Wien - 100%
Research Output
- 21 Zitationen
- 1 Publikationen
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2015
Titel Posterior archaeomagnetic dating: An example from the Early Medieval site Thunau am Kamp, Austria DOI 10.1016/j.jasrep.2014.12.002 Typ Journal Article Autor Schnepp E Journal Journal of Archaeological Science: Reports Seiten 688-698 Link Publikation