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Aggregationsmechanismen bei brutpflegenden Fischen

Mechanisms of breeding aggregations in fish

Richard H. Wagner (ORCID: )
  • Grant-DOI 10.55776/P20401
  • Förderprogramm Einzelprojekte
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.05.2008
  • Projektende 30.04.2013
  • Bewilligungssumme 300.122 €

Wissenschaftsdisziplinen

Biologie (100%)

Keywords

    Colony, Public Information, Breeding Aggregation, Mate Choice, Cichlid Fish, Predation

Abstract Endbericht

Die Aggregation von Brutterritorien ist ein weitverbreitetes Phänomen im Tierreich, doch fehlen bisher Experimente, die die Verdichtungsmechanismen ergründen. Neue Erkenntnisse in der zoologischen Aggregationsforschung deuten darauf hin, dass den unterschiedlichsten Verdichtungsformen wie Brutkolonien, Fischschulen und Vogelschwärmen auf Futtersuche gleichartige Prozesse zu Grunde liegen. Das Potential, verschiedenste Aggregationsformen miteinander zu vereinen, hat das neu aufkommende Konzept der frei verfügbaren Informationen. Auf einem laufenden FWF-Projekt aufbauend, hat diese Studie das Ziel zwei Hypothesen der Aggregationsbildung mit neuartigen Experimenten zu untersuchen: 1) Die klassische aber weiterhin ungelöste Hypothese, dass die Verdichtung von Brutterritorien Schutz vor Räuber bietet. 2) Die neuere "verborgene Balzarena" Hypothese, die besagt dass sexuelle Selektion zur Verdichtung brütender Tiere beiträgt. Indem wir Hypothesen, die ursprünglich für Vögel aufgestellt wurden, an Fischen testen, möchten wir die Allgemeingültigkeit von Aggregationsmechanismen über phylogenetische Grenzen hinweg untersuchen. Wir kombinieren unterschiedliche Versuchsbedingungen, indem wir sowohl kontrollierte Verhaltensexperimente im Aquarium, als auch Experimente im natürlichen Habitat durchführen. Wir konnten bereits zeigen, dass Stichlingsweibchen die Männchen, deren Nestterritorien nahe den Territorien von attraktiven Männchen liegen, bevorzugen, eine Voraussage der "verborgenen Balzarena" Hypothese. Wir werden nun prüfen, ob Männchen ihren Fortpflanzungserfolg erhöhen können, wenn sie sich nahe eines attraktiven Männchens niederlassen. Beim monogamen Buntbarsch, Neolamprologus caudopunctatus, welcher in dichten Kolonien brütet, werden wir außerdem zwei unterschiedliche Mechanismen der Koloniebildung untersuchen: 1) Brutpflegende Fische profitieren von frei verfügbarer Informationen über Räuberattacken dadurch dass Nachbarbrutpaare ihre eigenen Nachkommen warnen. 2) Brutpaare lassen sich nahe bei weiteren Brutpaaren nieder, um die zukünftige Chance, einen besseren Partner zu finden, zu erhöhen. Die Untersuchung dieser zwei gegensätzlichen Modelsysteme erlaubt uns, die Allgemeingültigkeit der Mechanismen, zur Bildung unterschiedlichster Brutaggregationen beitragen, zu ermitteln.

Die Frage, warum Tiere in riesigen Kolonien brüten, beschäftigt Ökologen schon seit Jahrzehnten. Dabei versteht man unter Kolonien Ansammlungen von Brutplätzen, die der Jungenaufzucht dienen. Die gängigste Hypothese zur Erklärung solcher Kolonien stammt aus den 1930er Jahren und geht davon aus, dass Tiere, die in Kolonien leben, von vermindertem Raubdruck in großen Gruppen profitieren. Obwohl diese Idee seit damals Gegenstand intensiver Forschung ist, gibt es überraschenderweise bis heute keine Studie, die Koloniebildung experimentell untersucht. Grund hierfür ist vermutlich, dass sich Vögel die in diesem Forschungsgebiet vorherrschenden Modelltiere nicht für experimentelle Manipulationen ihrer Brutkolonien eignen. Um dieses Problem zu umgehen, haben wir stattdessen Fischkolonien im 16 000 l-fassenden ringförmigen Aquarium unseres Institutes etabliert. Dazu wurden 16 männliche und 16 weibliche Buntbarsche (Neolamprologus caudopunctatus) in das Aquarium eingesetzt, wo sie die Möglichkeit hatten, sich zu verpaaren, Nester zu bauen und Eier zu legen. Innerhalb von zwei Jahren wurden so insgesamt 14 Kolonien untersucht, bei denen wahlweise Fressfeinde im Aquarium anwesend oder nicht anwesend waren. Wir stellten fest, dass Fische in Kolonien mit Raubdruck ihre Nester signifikant dichter nebeneinander bauten als jene in Kolonien ohne Fressfeinde. Mit dieser Studie gelang es uns erstmals experimentell nachzuweisen, dass die Anwesenheit von Fressfeinden eine treibende Kraft für Koloniebildung sein kann.In Kombination mit den Experimenten im Aquarium unter kontrollierten Bedingungen erforschten wir die Buntbarsche auch in ihrem natürlichen Lebensraum, dem Tanganjikasee im Süden Afrikas. Mit Hilfe der Kartierung des Gebietes und der Gewinnung zahlreicher DNA-Proben von Familien innerhalb einer Kolonie mit 126 Nestern, gelangten wir zu neuen bedeutenden Erkenntnissen bezüglich des Verhaltens dieser kolonielebenden Tierart. Um die Verwandtschaftsverhältnisse der einzelnen Fische zueinander festzustellen, wurden im Genetiklabor unseres Institutes DNA-Analysen durchgeführt. Dabei fanden wir heraus, dass es im Gegensatz zu den meisten sozial monogamen Vogelarten beim Buntbarsch N. caudopunctatus keine ehebrecherischen Verpaarungen gibt, als deren Folge das Weibchen Jungtiere eines fremden Männchens zur Welt bringen würde. Unsere DNA-Analysen zeigten vielmehr das verbreitete Auftreten von Adoptionsfällen. Entsprechend fanden wir in der Mehrzahl der Nester zusätzlich zu den eigenen Nachkommen auch Jungtiere, die mit keinem der Elternteile verwandt waren. Erstmals ist es uns mit dieser Studie außerdem gelungen, gleich mehrere (12) adoptierte Larven ihren genetischen Eltern zuzuordnen, wobei in einigen Fällen die Distanz zwischen dem Geburtsnest und dem Nest der Adoptiveltern erstaunlich groß war (maximal 40 m). Bei der hohen Dichte an Raubfeinden rund um die Kolonie ist es sehr unwahrscheinlich, dass kleine Jungfische diese Strecke unversehrt allein zurücklegen können. (Umgelegt auf den Menschen wäre es so, als ob ein Kleinkind ohne Unfall eine Großstadt durchqueren könnte.) Tatsächlich legen weitere Analysen die Vermutung nahe, dass die Larven stattdessen im Maul ihrer Eltern transportiert werden (ein Verhalten, das bei dieser Tierart bekannt ist), um dann in fremden Nestern entlassen zu werden, wo sie sich mit dem Nachwuchs der Adoptiveltern vermischen.Ein derart selbstloses Verhalten wirkt vorerst wie ein Widerspruch zu Darwins Ideen, die besagen, dass Organismen ihren eigenen Reproduktionserfolg maximieren sollten und keinerlei evolutionären Vorteil davon hätten, fremde Jungen aufzuziehen. Allerdings gibt es für Adoption eine Erklärung, wonach der eigene Nachwuchs aufgrund des sogenannten Verdünnungseffektes innerhalb einer großen Gruppe weniger wahrscheinlich Fressfeinden zum Opfer fällt. Ähnlich unserem Kolonie-Experiment lassen auch die Erkenntnisse aus der Adoptions-Studie vermuten, dass Raubdruck eine der treibenden Kräfte für Koloniebildung ist und dass sich dafür im Tierreich unterschiedliche Verhaltensanpassungen entwickelt haben.

Forschungsstätte(n)
  • Veterinärmedizinische Universität Wien - 100%

Research Output

  • 379 Zitationen
  • 10 Publikationen
Publikationen
  • 2019
    Titel Experimental evidence of a sexually transmitted infection in a wild vertebrate, the black-legged kittiwake (Rissa tridactyla)
    DOI 10.1093/biolinnean/blz009
    Typ Journal Article
    Autor Van Dongen W
    Journal Biological Journal of the Linnean Society
    Seiten 292-298
    Link Publikation
  • 2012
    Titel Reduction in Predator Defense in the Presence of Neighbors in a Colonial Fish
    DOI 10.1371/journal.pone.0035833
    Typ Journal Article
    Autor Schädelin F
    Journal PLoS ONE
    Link Publikation
  • 2012
    Titel Nonrandom brood mixing suggests adoption in a colonial cichlid
    DOI 10.1093/beheco/ars195
    Typ Journal Article
    Autor Schaedelin F
    Journal Behavioral Ecology
    Seiten 540-546
    Link Publikation
  • 2012
    Titel Exploring novelty: a component trait of behavioural syndromes in a colonial fish
    DOI 10.1163/156853912x634430
    Typ Journal Article
    Autor Martins C
    Journal Behaviour
    Seiten 215-231
    Link Publikation
  • 2015
    Titel Mate choice and genetic monogamy in a biparental, colonial fish
    DOI 10.1093/beheco/arv011
    Typ Journal Article
    Autor Schaedelin F
    Journal Behavioral Ecology
    Seiten 782-788
    Link Publikation
  • 2010
    Titel Do invertebrates have culture?
    DOI 10.4161/cib.3.4.11970
    Typ Journal Article
    Autor Danchin É
    Journal Communicative & Integrative Biology
    Seiten 303-305
    Link Publikation
  • 2010
    Titel Sexually transmitted bacteria affect female cloacal assemblages in a wild bird
    DOI 10.1111/j.1461-0248.2010.01542.x
    Typ Journal Article
    Autor White J
    Journal Ecology Letters
    Seiten 1515-1524
    Link Publikation
  • 2013
    Titel Age-related differences in the cloacal microbiota of a wild bird species
    DOI 10.1186/1472-6785-13-11
    Typ Journal Article
    Autor Van Dongen W
    Journal BMC Ecology
    Seiten 11
    Link Publikation
  • 2014
    Titel Sex biases in kin shoaling and dispersal in a cichlid fish
    DOI 10.1007/s00442-014-3079-3
    Typ Journal Article
    Autor Van Dongen W
    Journal Oecologia
    Seiten 965-974
  • 2014
    Titel Preen secretions encode information on MHC similarity in certain sex-dyads in a monogamous seabird
    DOI 10.1038/srep06920
    Typ Journal Article
    Autor Leclaire S
    Journal Scientific Reports
    Seiten 6920
    Link Publikation

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