Dynamische Formen der Planung

Traditionelle Planungsinstrumente, wie jährliche Budgets, bieten eine adäquate Grundlage für die Koordination in Unternehmen unter Bedingungen relativer Planungssicherheit. Mit ansteigender Unsicherheit und Turbulenz in der Umwelt eines Unternehmens wird es allerdings zunehmend schwieriger, solche starren Planungsinstrumente einzusetzen. Um flexibel auf sich derartig verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können, sind Unternehmen daher auf Instrumente angewiesen, die im Rahmen der Planung und der damit verbundenen Koordination unterschiedlicher Unternehmensbereiche einen gewissen Grad an Flexibilität zulassen. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass viele Unternehmen in den letzten Jahren begonnen haben, derartige dynamische Formen der Planung wie z.B. rolling forecasts oder ähnliche Instrumente einzuführen. Durch diese sollen unterjährig auftretende finanzielle und operative Herausforderungen nicht nur zeitnah diskutiert und adressiert, sondern auch leichter antizipiert werden. Ungeachtet ihrer praktischen Bedeutung haben solche dynamischen Formen der Planung in der bisherigen Controllingforschung jedoch nur wenig Aufmerksamkeit erlangt. Der dominante Forschungsfokus auf jährliche Budgets hat dazu geführt, dass sich die bestehende Literatur vorwiegend mit der Motivations- und Evaluierungsfunktion von Plänen beschäftigt hat, und weniger mit Planung als einem kontinuierlichen Prozess der Koordination. Insofern ist aus wissenschaftlicher Perspektive bis dato nur relativ wenig darüber bekannt, welche Möglichkeiten und Herausforderungen mit dynamischen Formen der Planung einhergehen. Das vorgeschlagene Forschungsprojekt soll diese Forschungslücke füllen. Im Speziellen soll es dabei helfen, die Funktionsweise dynamischer Formen der Planung besser zu verstehen und zu untersuchen, wie ManagerInnen und ControllerInnen im Planungsprozess mit dem Problem der Unsicherheit umgehen. Darüber hinaus soll untersucht werden, inwiefern dynamische Formen der Planung von Fragen der Leistungsbeurteilung beeinflusst werden. Zu diesem Zweck soll eine vergleichende empirische Analyse dreier Unternehmen, die vor kurzem dynamische Formen der Planung eingeführt haben, durchgeführt werden. In jedem der drei Unternehmen wird eine Tiefenfallstudie, basierend auf Interviews, ethnographischer Beobachtung undDokumentenanalyse,durchgeführt. Dieses Forschungsdesign ermöglicht es einerseits, ein tiefes Verständnis der Planungsprozesse in den einzelnen Unternehmen zu generieren und erlaubt andererseits, empirisch beobachtete Ähnlichkeiten und Unterschiede zur Theorieentwicklung heranzuziehen. Die qualitative Analyse der empirischen Erkenntnisse soll einer sozialwissenschaftlichen Theorietradition folgen und insbesondere auf der practice theory sowie der sensemaking perspective basieren. Insgesamt sollen die Ergebnisse des Forschungsprojektes zu einem besseren Verständnis dynamischer Formen der Planung beitragen und auf diesem Wege einen wichtigen wissenschaftlichen als auch praktischen Erkenntnisbeitrag leisten.

Budgets stellen einen zentralen Mechanismus zur Unternehmenssteuerung dar. Im traditionellen Sinne werden Budgets für die Dauer eines Geschäftsjahres erstellt und unterstützen Unternehmen bei der Planung, der Koordination und der Leistungsbeurteilung. Diese traditionelle Art der Budgetierung sah sich in der (jüngeren) Vergangenheit zunehmend starker Kritik ausgesetzt Kritiker bemängeln, dass solch eine Art der Budgetierung nicht auf die Anforderungen moderner Unternehmen eingehe (z.B. schnelllebige Märkte mit rasch wechselnden Anforderungen) und zudem eine Reihe dysfunktionaler Effekte hervorrufe (z.B. ineffiziente Nutzung von unternehmerischen Ressourcen, Manipulationen durch Manager und Managerinnen). Angetrieben von dieser Kritik konnte in der jüngeren Vergangenheit ein Trend hin zu dynamischen Formen der Planung beobachtet werden: Unternehmen führen Planungstätigkeiten nicht mehr nur einmal jährlich durch, sondern aktualisieren ihre Pläne unterjährig und erhöhen zudem die Interaktion und Kommunikation der beteiligten Akteure aus verschiedenen Unternehmensbereichen bei der Erstellung solcher Pläne. Das Forschungsprojekt Dynamische Formen der Planung nahm seinen Ausgangspunkt genau in dieser Beobachtung und untersuchte, wie Unternehmen solche Planungsformen nutzen, um bestehende Herausforderungen besser zu meistern, wie sie ihnen dabei helfen mit Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen umzugehen und wie sich solche Planungsformen auf Verantwortlichkeiten innerhalb der Unternehmen auswirken. Auf Basis mehrerer qualitativer Fallstudien konnte das Projekt neue Erkenntnisse hinsichtlich dynamischer Formen der Planung generieren. Die Ergebnisse des Projekts verdeutlichen vor allem, wie Manager durch ihre Interaktion im Planungsprozess ein gemeinsames Verständnis der Zukunft erarbeiten und Unsicherheit reduzieren können. Sie zeigen zudem, dass Ziele und Kennzahlen den Planungsprozess einerseits verbessern können, andererseits aber auch zu Konflikten zwischen Managern bzw. Unternehmensbereichen führen können. Insbesondere Kennzahlen zur Planungsgenauigkeit (Forecast Accuracy) erweisen sich als schwierig umzusetzen. Außerdem konnte durch das Projekt herausgearbeitet werden, inwiefern eine gesteigerte Dynamik in der Planung von jenen Personen wahrgenommen wird, welche Planungsprozesse koordinieren bzw. managen. Es zeigt sich dabei, dass dynamische Planung durchaus auch als Belastung wahrgenommen werden kann, da es eine Intensivierung des Planungsprozesses über das Jahr hinweg darstellt.