Wissenschaftsdisziplinen
Philosophie, Ethik, Religion (50%); Psychologie (50%)
Keywords
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Lacan,
Animal Philosophy,
Ethics,
Anthropocentrism,
Psychoanalsysis,
Ambivalences in Human-Animal-Relationship
Im Projekt werden die verschiedenen Formen des Anthropozentrismus sowie die Ambivalenzen im auf nichtmenschliche Tiere bezogenen Denken des Menschen mittels einer psychoanalytischen Methode analysiert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund einer aktuellen post-anthropozentrischen Debatte in der Tierethik und damit verbundenen Forschungsfeldern. In dieser Debatte herrscht keine Konsens darüber, ob Anthropozentrismus primär als ethisch-politisches Problem (die Annahme einer moralischen Höherstellung des Menschen), oder als epistemisches Problem (die Art und Weise, wie Menschen die Welt und andere Tiere wahrnehmen) zu betrachten ist. Der letzteren Annahme folgend, können auch die ambivalenten Beziehungen, die Menschen zu Tieren unterhalten, mit dem Anthropozentrismus in Verbindung gebracht werden: Die Tatsache, dass viele Menschen manche Tiere (Heimtiere) lieben, während sie gleichzeitig andere essen, weist darauf hin, dass Menschen ihre verschiedenen Beziehungen zu Tieren möglicherweise auf Basis verschiedener Modi ein- und desselben zugrundeliegenden anthropozentrischen Denkens her organisiert. Aus psychoanalytischer Perspektive bleibt in dieser Debatte eine zentrale Frage unbeantwortet: Auf welche Weise sind die anthropozentrischen und ambivalenten Denkmuster in Bezug auf nichtmenschliche Tiere mit unbewussten Prozessen und libidinösen Strukturen der menschlichen Psyche verbunden? Was ist die im psychoanalytischen Sinne ontologische und epistemische Grundbedingung des werdenden Subjekts, und wie ist diese mit den unbewussten Weisen verbunden, wie das Individuum seine unterschiedlichen Beziehungen zu Tieren genießt? Der interdisziplinäre Zugang zur Beantwortung dieser Fragen erfolgt über die Psychoanalyse Jacques Lacans. Dessen Theorie über die menschliche Subjektivität und Psychogenese ermöglicht es, das Phänomen des Anthropozentrismus und die Ambivalenzen in der Mensch-Tier-Beziehung im Kontext unbewusster Strukturen der menschlichen Psyche zu verstehen. Somit ist das Projekt der Versuch, das philosophische Problem des Anthropozentrismus durch die Entwicklung einer psychoanalytischen Methode zu erklären. Entsprechend der späten Lehre Lacans können die verschiedenen Weisen, wie sich Menschen auf Tiere beziehen und über diese denken, mit impliziten Strukturen assoziiert werden, welche unterschiedliche Modalitäten unbewussten Genießens und die möglichen Beziehungen des Subjekts zum Anderen zum Ausdruck bringen. Aber neben anthropozentrischen Denkmustern gründet sich auch der Anspruch auf eine Überwindung des Anthropozentrismus auf unbewussten phantasmatischen oder Genuss-bezogenen Aktivitäten des Subjekts. Durch eine Analyse dieser subjektiven Strukturen und Dynamikenwird die aktuelle philosophische Debatte zum Anthropozentrismus um eine wichtige neue Perspektive bereichert. Das Projekt wird darüber Einsicht geben, wie verschiedene implizite normative Ideen, welche die ambivalenten Beziehungen zu Tieren regulieren, mit unbewusstem Begehren und Genießen verknüpft sind. Dies ermöglicht ein besseres Verstehen der in der Tierethik diskutierten Probleme in der Mensch-Tier Beziehung.
Die inhaltliche Arbeit am Projekt wurde zum Zeitpunkt des offiziellen Projektabschlusses noch nicht beendet und wird aktuell noch fortgesetzt. Mit einer Beendigung der Arbeit ist bis Ende des Jahres 2018 zu rechnen. Folgende Zusammenfassung bezieht sich auf die bisherigen Ergebnisse des Projektes. Das Projekt bietet eine neue, psychoanalytische Perspektive auf die innerhalb der Tierethik diskutierte Frage, warum sich Menschen gegenüber verschiedenen Tieren augenscheinlich so ambivalent verhalten wieso wir z.B. manche Tiere essen, während wir gleichzeitig andere als Familienmitglieder betrachten. Unter Berücksichtigung der psychoanalytischen Subjekttheorie von Jacques Lacan wird im Rahmen des Projektes gezeigt: Das, was innerhalb der Tierethik als Ambivalenzen in der Mensch-Tier-Beziehung bezeichnet wird, ist auf Ambivalenzen oder Schwierigkeiten im Erleben des eigenen (unbewussten) Genießens zurückzuführen. Die Empfindungen oder Gedanken von Menschen gegenüber Tieren haben ihre Wurzeln im Unbewussten, das der späte Lacan als eine individuelle Verknotung von Sprache, Phantasie und körperlichem Erleben versteht (siehe Theorie des Borromäischen Knotens). Das Lacansche Tier bezeichnet daher in dieser Arbeit kein Tier an sich, sondern ist ein Ausdruck dessen, wie das Subjekt seine eigene Wirklichkeit konstituiert und wie es mit den Hindernissen in seinem Genießen und dem Mangel in seiner sprachlich strukturierten Existenz umgeht: In der liebevollen Beziehung zum Heimtier versucht das Subjekt seinem Genießen Sinn zu geben; im Fleischkonsum reduziert das Subjekt das Nutztier auf ein bloßes Objekt seines Genießens, fühlt sich aber dabei selbst zuweilen um sein Genießen gebracht; in der Faszination am Wildtier phantasiert das Subjekt unbewusst von einem ungezähmten Genießen, das gleichermaßen anziehend wie befremdlich wirkt. Die sogenannten Ambivalenzen in der Mensch-Tier-Beziehung verdeutlichen daher eigentlich, dass die vom Subjekt begehrte Beziehung nie glückt, nämlich mit dem Anderen wirklich Eins zu werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit tragen zu einem erweiterten Verständnis der Probleme in der Mensch-Tier-Beziehung bei, indem sie über den bestehenden Rahmen der Tierethik und angrenzender Forschungsbereiche hinausgehen. Nicht nur der moralische Anthropozentrismus in der Mensch-Tier-Beziehung (die Annahme einer moralischen Höherstellung des Menschen), sondern auch der Anspruch auf die Überwindung des Anthropozentrismus kann in Beziehung zum (unbewussten) Genießen und seinen Grenzen gesetzt werden. Die Ergebnisse des Projektes sind daher u.a. für Tierethik, Psychologie, Lacan Studies, Human Animal Studies und praktische Philosophie von Interesse.