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Bibel und Historiographie in transkulturellen iberischen Gesellschaften, 8.-12. Jh.

Bible and Historiography in Transcultural Iberian Societies, 8th to 12th Centuries

Walter Pohl (ORCID: 0000-0002-6885-2248)
  • Grant-DOI 10.55776/P27804
  • Förderprogramm Einzelprojekte
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.05.2015
  • Projektende 30.04.2019
  • Bewilligungssumme 318.938 €
  • Projekt-Website

Wissenschaftsdisziplinen

Geschichte, Archäologie (60%); Philosophie, Ethik, Religion (40%)

Keywords

    Bible, Iberian Peninsula, Transcultural Exchanges, Historiography, Manuscript Research, Christianity

Abstract Endbericht

Das vorliegende Projekt behandelt den Gebrauch der Bibel im transkulturellen Umfeld der Iberischen Halbinsel im Zeitraum vom 8. bis zum 12. Jahrhundert. Um diesem Aspekt auf den Grund zu gehen, gilt es vor allem zwei Fragestellungen zu verfolgen: Inwiefern beeinflusste dieses Buch bzw. diese Bücher die Wahrnehmung des kulturellen und religiösen Anderen in al-Andalus und den christlichen Gebieten der iberischen Halbinsel? Und auf welche Weise beeinflussten die Konflikte und die Kontakte zwischen Christen, Muslimen und Juden die Überlieferung und den Gebrauch der Bibel? Zur Beantwortung dieser Fragen werden einerseits biblische Manuskripte aus dem genannten Zeitraum sowie deren Illustrationen, Randbemerkungen und Bezugnahmen zu anderen Texten detailliert untersucht. Andererseits wird der Gebrauch der Bibel in der Historiographie dieser Periode analysiert, wobei die Auseinandersetzungen und gegenseitigen Beeinflussungen der islamischen und christlichen Gebiete der iberischen Halbinsel den Schwerpunkt bilden. Studien im Vorfeld dieses Projektes haben bereits gezeigt, dass hier ausreichende und bislang wenig beachtete Belege vorliegen, die dazu beitragen werden, ein neues Bild dieser Thematik zu entwerfen, das weit über die Grenzen des Fachbereichs Beachtung und Widerhall finden wird. Die Bibel bot eine Matrix sowohl für Narrative als auch für Normen, die Wahrnehmung und Praxis für den Umgang mit Menschen anderer Kulturen und Bekenntnisse kanalisierte; dies ist insbesondere bei Christen, die unter muslimischer Herrschaft lebten, von großem Interesse. Die Übersetzung von Schlüsseltexten, deren Positionierung zwischen den politischen Gefilden und die Prozesse kultureller Übersetzung im weiteren Sinne bilden den Kontext des vorliegenden Projektes. Spannungen und Hybridität, stereotypische Behauptungen und Doppeldeutigkeiten charakterisieren den transkulturellen Bereich im Fokus dieses Projektes. Auf diese Weise werden Belege aus einer Randzone Europas zum Testfall für sich ändernde Einstellungen zu Heiligen Büchern sowie den kulturellen und politischen Auswirkungen dieses Prozesses. Das Projekt vereinigt minutiöse textliche und kodikologische Forschungsarbeit mit einem hochgradigen Interesse weit gefasster Fragen nach kulturellen Differenzen, Wandel und Austausch, nach den politischen Auswirkungen des religiösen Diskurses und nach der Signifikanz von Text und Kontext in einer normativen und kodifizierten heiligen Schrift. Eine Monographie des Senior Post-Docs in diesem Projekt wird all diese Stränge zusammenlaufen lassen. Die Projektleitung wird komparative Studien über den frühmittelalterlichen Gebrauch der Bibel in der Historiographie und der Identitätsbildung beitragen. Das Projekt ergänzt in enger Kooperation den SFB VISCOM: Visions of Community Comparative Approaches to Ethnicity, Religion and Empire in Christianity, Islam and Buddhism (400-1600 CE), das sich an ähnliche Fragen in anderen Zusammenhängen richtet und dessen Sprecher der Antragssteller ist. Somit stellt der vorliegende Projektantrag eine Gelegenheit dar, reiches Material aus dem transkulturellen Gebiet der iberischen Halbinsel in verwandte Forschungsarbeit am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien zu integrieren.

Im Großteil des Mittelalters war die Iberische Halbinsel zwischen Gebieten unter christlicher und unter islamischer Herrschaft geteilt. Das führte sowohl zu fruchtbarem Austausch als auch zu Konflikten und Vorurteilen. Im früheren Mittelalter, zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert, waren die christlichen Staaten beschränkt auf die Gebirgsgegenden im Norden der Halbinsel, während die Muslime die reicheren Regionen Iberiens beherrschten. Wie nahmen die Zeitgenossen diese Situation wahr? Das Projekt beruhte auf der Annahme, dass christliche Beobachter sich an der Bibel orientierten, um Antworten auf ihre oft beunruhigende Situation an der Grenze eines blühenden islamischen Gemeinwesens zu finden. Es setzte sich mit zwei Arten von Texten auseinander, in denen die Leser Erklärungen für die Probleme ihrer Zeit finden konnten. Erstens gibt es eine außerordentliche Zahl von Bibelhandschriften, die aus dem 8. bis 12. Jahrhundert noch erhalten sind. Eines der Ergebnisse des Projektes ist, dass in vielen von ihnen prophetische oder apokalyptische Texte beigefügt waren. Das entsprach der Haltung, dass übernatürliche Kräfte einen Einfluss auf zeitgenössische Ereignisse hatten. Zweitens untersuchte das Projekt Chroniken und andere historische Werke, die aktuelle Ereignisse berichteten oder eine entferntere Vergangenheit darstellten. Zitate, Vergleiche und Anspielungen aus der Bibel sind darin sehr verbreitet. Sie beziehen sich eher auf das Alte als auf das Neue Testament. Dadurch verknüpfen sie das sich ausbildende Königreich Asturien mehr oder weniger ausdrücklich mit dem Königreich Israel. Seine Herrscher werden als neuer Moses oder neuer David dargestellt. Sein Volk wird in dieser Sicht bestraft für die Sünden der Vorväter, oder für die eigenen, so wie einst Israel in der Bibel. Dieses selbsternannte Volk Gottes hoffte, durch eine Mischung von Verehrung Gottes und Gewalt gegen die Feinde Seine Gnade wieder zu erlangen. Am auffälligsten ist, dass die muslimischen Nachbarn kaum je mit ihren eigenen Namen genannt werden: selten Araber, niemals Berber oder Muslime, und manchmal Mauren (abgeleitet vom griechischen Wort für 'dunkel'). Im allgemeinen bekommen sie biblische Namen. Entweder waren diese von eher zweifelhaften meist weiblichen Charakteren im Alten Testament abgeleitet: Sarazenen, Ismaeliten oder Agarener - das bedeutete, dass sie als Verwandte des auserwählten Volkes Abrahams betrachtet wurden, aber als deutlich minderwertige. Oder sie erhielten Namen von Feinden Israels: Chaldäer, Babylonier oder Moabiter. So bekamen die Ereignisse eine Bedeutung in der Heilsgeschichte, die weit über das hinausging, was tatsächlich geschah. Mittelalterliche Autoren in Iberien suchten in ihren Werken nach der transzendentalen Bedeutung der Geschichte.

Forschungsstätte(n)
  • Österreichische Akademie der Wissenschaften - 100%

Research Output

  • 1 Zitationen
  • 8 Publikationen
Publikationen
  • 2023
    Titel Das neue Volk Gottes in Hispanien. Die Bibel in der christlich-iberischen Historiographie vom 8. bis zum 12. Jahrhundert
    DOI 10.52038/9783643511102
    Typ Book
    Autor Marschner P
    Verlag LIT Verlag
    Link Publikation
  • 2018
    Titel The Depiction of the Saracen Foreign Rule in the Prophetic Chronicle Through Biblical Knowledge
    DOI 10.1515/jtms-2018-0019
    Typ Journal Article
    Autor Marschner P
    Journal Journal of Transcultural Medieval Studies
    Seiten 215-239
  • 2018
    Titel Biblical Elements and the ›Other‹ in the Chronicon regum Legionensium
    DOI 10.1553/medievalworlds_no8_2018s66
    Typ Journal Article
    Autor Marschner P
    Journal Medieval Worlds
    Seiten 66-85
    Link Publikation
  • 2018
    Titel Disputed Identifications: Jews and the Use of Biblical Models in the Barbarian Kingdoms
    DOI 10.1484/m.diaspora-eb.5.116404
    Typ Book Chapter
    Autor Pohl W
    Verlag Brepols Publishers NV
    Seiten 11-28
    Link Publikation
  • 2015
    Titel Isidore and the gens Gothorum
    DOI 10.1484/j.at.5.109374
    Typ Journal Article
    Autor Pohl W
    Journal Antiquité Tardive
    Seiten 133-141
  • 2015
    Titel Bible and Historiography in Transcultural Iberian Societies, Eighth to Twelfth Centuries
    DOI 10.1515/jtms-2015-0028
    Typ Journal Article
    Autor Tischler M
    Journal Journal of Transcultural Medieval Studies
    Seiten 303-314
    Link Publikation
  • 2017
    Titel Quelques remarques sur Nicolas Maniacoria. À propos de l’édition critique de son « Suffraganeus Bibliothece »
    DOI 10.1484/j.rhe.5.113232
    Typ Journal Article
    Autor Tischler M
    Journal Revue d'Histoire Ecclésiastique
    Seiten 239-244
    Link Publikation
  • 2017
    Titel The Bible in Historical Perception and Writing of the Transcultural Iberian Societies, Eighth to Twelfth Centuries
    DOI 10.1553/medievalworlds_no5_2017s195
    Typ Journal Article
    Autor Tischler M
    Journal Medieval Worlds
    Seiten 195-220
    Link Publikation

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