Die deliberative Wende im Nanotechnologie Politikfeld
The deliberative turn in nanotechnology policy
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Sozialwissenschaften (20%); Politikwissenschaften (80%)
Keywords
-
Public Deliberation,
Nanotechnology,
Policy-oriented Learning,
France,
Germany,
UK
Maßnahmen zur Förderung von Bürgerbeteiligung und öffentlichem Diskurs gehören heute zum Standardrepertoire von technologiepolitischen Schwerpunktprogrammen, die ethische Probleme aufwerfen oder die Befürchtung wecken öffentliche Kontroversen auszulösen. Wie ist es zu dieser deliberativen Wende in der Technologiepolitik gekommen? Die Studie erklärt diesen Vorgang modellhaft und überprüft diese Erklärung anhand von Diskurs- und Beteiligungsverfahren im Politikfeld Nanotechnologie über einen Zeitraum von 15 Jahren in den Ländern Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Als wichtigste empirische Quellen fungieren dabei umfangreiche Interviews mit Schlüsselakteuren, ferner relevante Dokumente und Pressetexte. Die Studie kombiniert drei Aspekte: eine nationale Perspektive, transnationale Diffusion und Politik-Lernen. (1) Meist vollziehen sich öffentliche Debatten und Beratungen zur Nanotechnologie in verschiedenen Ländern in unterschiedlicher, oft landestypischer Weise. Daher ist zu klären, wie nationale Kontextbedingungen, etwa politische Kulturen, diese Praktiken formen. (2) Trotz nationaler Unterschiede ist die deliberative Wende aber auch ein länderübergreifender Trend, vollzieht sich also simultan in verschiedenen Ländern. Dies wiederum läßt sich mit transnationaler Diffusion erklären, also damit dass Länder Ideen und Praktiken voneinander oder internationalen Fachdiskussionen übernehmen. Wie vollziehen sich solche Diffusionsprozesse? (3) Das Konzept des Politik-Lernens schließlich faßt die deliberative Wende als Lernprozeß auf, in dem Lehren aus öffentlichen Kontroversen in der Vergangenheit gezogen werden. Wie aber lernt Politik? Aus der einschlägigen Literatur gelangt zentral der Advocacy Coalition-Ansatz (Sabatier / Jenkins) zur Analyse von Politiklernen zur Anwendung. Aus diesem und weiteren analytischen Modellen werden sechs Hypothesen zur Erklärung der deliberativen Wende abgeleitet. In deren Zentrum steht das Konzept der Advocacy Koalition, einer heterogenen, durch ein gemeinsames politisches Anliegen lose verbundenen Akteursgruppe. Das Zustandekommen der deliberativen Wende erklärt sich aus dem Wechselspiel zweier solcher Koalitionen, von denen eine primär an Technologieförderung interessiert ist, währen die andere, weniger einflußreiche Gruppe auf ethische Reflexion und eine demokratische Öffnung der Technologiepolitik drängt und so zur Triebkraft der deliberativen Wende wird. Das Modell geht ferner davon aus, dass Advocacy Koalitionen zwar hauptsächlich auf nationaler Ebene aktiv, jedoch auch mit trans- und supranationalen Diskursen und Akteursnetzwerken verbunden sind - vor allem über Institutionen der Europäischen Union. Das wiederum spielt eine wichtige Rolle in Diffusionsprozessen. Weitere Hypothesen beziehen sich auf die Strategien, die zur Durchsetzung ihrer deliberativen Agenda eingesetzt werden sowie die Möglichkeiten und Grenzen von Politik-Lernen. Die Studie geht von der Annahme aus, dass sich aus der Analyse deliberative Prozesse in jüngerer Vergangenheit realistische Erwartungen über deren zukünftige Entwicklung im technologiepolitischen Entscheidungsfeld gewinnen lassen. Von hoher Relevanz ist sie damit vor dem Hintergrund der vielfach geäußerten Forderung nach einer Demokratisierung von Politiken technischer Innovation.
Das vorliegende Projekt beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit Kontroversen um neue Technologien von nationalstaatlichen Arenen dominiert werden oder aber sich durch Prozesse transnationaler Diffusion und supranationaler Integration über Länder hinweg angleichen. Als Technologien standen dabei die Gentechnik und die Nanotechnologie im Vordergrund. Für die Bewegung gegen die Gentechnik konnte die Dominanz und Spezifität nationaler Arenen umfassende Protestanalysen bestätigt werden. Im Fall der Nanotechnologie blieben Debatten weitgehend auf spezialisierte politiknahe Sphären beschränkt. Was an diesen wiederum auffällt ist die starke transnationale Diffusion progressiver politischer Diskurse, in denen die Sozialwissenschaften selbst eine wichtige Rolle einnehmen. Geprägt sind diese Diskurse ferner von Wellen oft überzogener Erwartungen, plakativ auch als Hypes bezeichnet. Für die Gentechnik konnten aus Vorprojekten gewonnene, umfassende Datensätze analysiert werden. Im Politikfeld Nanotechnologie wurden neue qualitative und quantitative Datensammlungen durchgeführt und Kooperationen initiiert.
- Stadt Wien - 100%
Research Output
- 17 Zitationen
- 7 Publikationen
- 8 Disseminationen
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
- 2 Weitere Förderungen
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2017
Titel Atoms, bytes and genes. Public resistance and techno-scientific responses DOI 10.1080/14742837.2017.1279965 Typ Journal Article Autor Seifert F Journal Social Movement Studies Seiten 369-370 -
2017
Titel Rezension: Gestaltungsmacht der Wissenschaftspolitik? DOI 10.14512/tatup.26.3.74 Typ Journal Article Autor Seifert F Journal TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis Seiten 74-75 Link Publikation -
2017
Titel MEASURING THE EUROPEANIZATION OF THE ANTI-GM MOVEMENT: EVIDENCE FROM FIVE EU COUNTRIES* DOI 10.17813/1086-671x-20-3-363 Typ Journal Article Autor Seifert F Journal Mobilization: An International Quarterly Seiten 363-383 -
2020
Titel National specificity and convergence in the European anti-GM movement: the cases of Austria, Germany, France, Spain and the UK DOI 10.1080/13511610.2020.1766950 Typ Journal Article Autor Seifert F Journal Innovation: The European Journal of Social Science Research Seiten 511-532 Link Publikation -
2019
Titel Nanotechnology. Democratising a Hyped-Up Technology?; In: Nanotechnology. Regulation and Public Discourse. Typ Book Chapter Autor Seifert F Verlag Rowman & Littlefield Seiten 227-246 -
2018
Titel Nanotechnologie. Technologiehype und Demokratisierungsbemühungen. Typ Journal Article Autor Seifert Journal SWS-Rundschau Seiten 153-172 -
2021
Titel Hype After Hype: From Bio to Nano to AI DOI 10.1007/s11569-021-00399-3 Typ Journal Article Autor Seifert F Journal NanoEthics Seiten 143-148 Link Publikation
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2019
Titel "Aktivitäten und Motive von Feldzerstörungsakteuren" Workshop "Genome Editing für die Landwirtschaft in Deutschland und Europa - Rahmenbedingungen für Feldforschung mit genomeditierten Pflanzen" Univ. Hannover (10.05.2019) Typ A formal working group, expert panel or dialogue -
2017
Link
Titel Die Graswurzeln der Anti-Gentechniker (17.12.2017 ) Typ A magazine, newsletter or online publication Link Link -
2020
Link
Titel Die Grenzen akademischen Zweifels (14.10.2020) Typ A magazine, newsletter or online publication Link Link -
2020
Link
Titel Die Grenzen des Zweifels in der Wissenschaft (14.10.2020) Typ A press release, press conference or response to a media enquiry/interview Link Link -
2021
Link
Titel Wissenschaft als Belehrung (23.5.2021) Typ A magazine, newsletter or online publication Link Link -
2017
Titel Radiointerview Ö1 Dimensionen Magazin (14.12.2017 ) Typ A press release, press conference or response to a media enquiry/interview -
2020
Link
Titel Pandemie als Realexperiment (13. 4. 2020) Typ A magazine, newsletter or online publication Link Link -
2017
Link
Titel Vortrag "Die Gefahren der Gentechnik. Real? Aberglaube? Oder ist alles einfach nur sehr kompliziert?" Workshop Die Skeptiker, Wien (13.2.2017) Typ A talk or presentation Link Link
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2021
Titel Special Issue Nanoethics Typ Appointed as the editor/advisor to a journal or book series Bekanntheitsgrad Continental/International
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2019
Titel ELSA-GEA Project, Presentation on GMO Field Destructions Typ Travel/small personal Förderbeginn 2019 Geldgeber German Federal Ministry of Education and Research -
2020
Titel VDI Jahrestagung Technikwenden Presentation Nanotechnology Verschachtelter Hype Typ Travel/small personal Förderbeginn 2020