Transnationaler Schulbau

In der Nachkriegszeit wurde der Stellenwert der Bildung grundlegend verändert. Im Osten und Westen kam zu einer Bildungsexpansion. Auch Schulgebäude wurden neu konzipiert. Statt großen, in sich abgeschlossenen, mehrstöckigen Schulbauten errichtete man niedrige, pavillonartige Schulhäuser inmitten von Grünflächen. 1951 wurde im Rahmen der Union Internationale des Architectes (UIA) die Schulbaukommission gegründet. Die Kommission setzte auf den internationalen Austausch bei der Gestaltung und technischen Lösungen für Schulbauten. Die Schulbaukommission der UIA führte vergleichende Untersuchungen im globalen Norden und Süden durch und entwickelte übergreifende Grundsätze für den Bau und die Gestaltung von Schulen, die von den Delegierten in ihrem nationalen Kontext vermittelt wurden. UIA Schulbaukommission begründete neue Wege des gegenseitigen Wissensaustauschs. In bisheriger Forschung wurde die transnationale Konzeption des Neuen Schulhauses, mit der UIA Schulbaukommission als transnationaler Agentur und den nationalen Delegierten als Vermittler zwischen transnationalem und lokalem Umfeld noch nicht untersucht. In diesem Projekt wird die Funktionsweise der UIA-Schulbaukommission untersucht, um Erkenntnisse über kollaborativ organisierte Produktion des Schulraumes zu gewinnen. Der konzeptionelle Rahmen dieser Studie ist die transnationale Geschichte. Die Methoden umfassen Archivrecherche, qualitative Inhaltsanalyse und vergleichende Analyse. Der Schwerpunkt unserer Forschung liegt auf der UIA Schulbaukommission und drei ihrer Mitgliedsstaaten Österreich, Deutsche Demokratische Republik und Slowenien (in der Nachkriegszeit Teil Jugoslawiens). Wir werden die wichtigsten Konstruktionsweisen analysieren und die Prozesse der Standardisierung und Normierung untersuchen. Indem die transnationale Ebene und die drei abgegrenzten Gebietseinheiten gleichzeitig untersucht werden, werden Prozesse und Akteure bei wechselseitigen Bestimmung von Standards, Erprobung von Bautechniken und Weiterentwicklung Schulgebäudetypologien aufgedeckt. Neben Beschreibung von wichtigen Akteuren und Prozessen bei transnationaler Konstruktion von Bildungsräumen werden auch normativen Rahmen und Materialität der Bildung berücksichtigt.

Internationale Organisationen wie die UNESCO, das Internationale Bildungsbüro (IBE) und später die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) prägten die Bildungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie unterstützten reformpädagogischen Ansätze und ermutigten die Länder der Welt, ihre Schulsysteme zu expandieren. Spätestens in den 1960er-Jahren galt Bildung allgemein als treibende Kraft für Entwicklung und Modernisierung - und der Schulbau wurde zu einem zentralen Bestandteil dieser Vision. Neben den großen intergouvernementalen Organisationen spielte auch das kleine, jedoch einflussreiche Union Internationale des Architectes (Internationale Architektenunion, UIA) mit seiner Commission des Constructions Scolaires (Schulbaukommission, CCS) eine wichtige Rolle. Während des Kalten Krieges setzte sich die CCS für die internationale Zusammenarbeit im Bereich des Schulbaus ein. Das Projekt untersuchte die Geschichte der CCS zwischen 1951 und 1979. Aus einer transnationalen Perspektive untersuchte das Projekt, wie Ideen zu Bildung und Schularchitektur über geopolitische Grenzen hinweg verbreitet und an unterschiedliche nationale und regionale Kontexte angepasst wurden. Drei Fallstudien gaben dabei vertiefte Einblicke in diesen Austausch: Die erste Fallstudie untersuchte den Einfluss der CCS und des UNESCO-Programms für technische Hilfe auf den Schulbau im sozialistischen Jugoslawien in den 1950er-Jahren. Die zweite Fallstudie befasste sich mit Österreich in den 1960er-Jahren, wo die Architekten Wilhelm Schütte und Lukas Lang die Ideen der CCS weiterentwickelten, während die von der OECD eingeführte neue Bildungsplanung die nationale Schulbaupolitik prägte. Die dritte Fallstudie beleuchtete die Arbeit des CCS-Delegierten Helmut Trauzettel, der als wichtiger Vermittler internationaler Schulbauideen in der DDR wirkte. Diese Fallstudien zeigen, dass der internationale Austausch einen nachhaltigen Einfluss auf die Gestaltung von Schulen in den jeweiligen Ländern hatte. Gleichzeitig wurden die praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse, die in den einzelnen Ländern gewonnen wurden, von den internationalen Organisationen - einschließlich der CCS - oft nicht vollständig wahrgenommen. Das Projekt machte deutlich, wie Architekten, Pädagogen und Ökonomen im Kontext des Internationalismus einen eigenständigen Ansatz für den Schulbau entwickelten und mithilfe von Normen, Standardisierung, Vorfertigung und modularen Systemen auf zugleich adaptierbaren als auch ökonomischen Schulraum setzten. Durch die Sichtbarmachung der Arbeit dieser internationalen Netzwerke und ihres Einflusses auf den Schulbau wird deutlich, wie Architektur und Bildung in der Nachkriegszeit gemeinsam zur Verwirklichung von Gleichheit und Modernisierung beitrugen.