Bedeutsame Scherben: Sigillata aus pre-consumption deposits
Meaningful sherds: sigillata from pre-consumption deposits
Wissenschaftsdisziplinen
Geowissenschaften (5%); Geschichte, Archäologie (70%); Mathematik (5%); Wirtschaftswissenschaften (20%)
Keywords
-
Terra Sigillata,
Pre-Consumption Deposits,
Brigantium,
Material Culture Studies,
Kiln Load Model
Die Terra Sigillata, ein rot glänzendes Tischgeschirr, gehört aufgrund ihres Potentials für die Datierung von Fundstätten und Fundensembles sowie ihrer Verbreitung im gesamten Imperium Romanum zu den am besten erforschten Materialgruppen der römischen Archäologie. Allerdings wurden viele bedeutende Fundkomplexe bisher noch nicht in wissenschaftlich adäquater Weise dokumentiert, analysiert und veröffentlicht. Dazu gehören auch zahlreiche Händlerdepots und Keramiklager in den Provinzen des Römischen Reichs, welche der Kategorie der pre-consumption deposits zugeordnet werden können. Mit diesem Fachausdruck werden Keramikensembles umschrieben, die in den Boden gelangten bevor sie verwendet werden konnten. Dies betrifft Funde aller Stufen der Handelskette, von am Töpfereiort entsorgten Fehlbränden über gesunkene Schiffsladungen bis hin zu Händlerdepots am Zielort. Letztere sind meistens deshalb nicht zum Verkauf gelangt, weil sie durch ein Feuer zerstört wurden. Das Projekt hat einerseits die Bearbeitung und Publikation von zwei bereits seit langem bekannten Terra Sigillata-Fundkomplexen aus Brigantium/Bregenz (Römerkeller 1878 und Depotfund 1911) zum Inhalt und will andererseits einen Beitrag zur bisher erst in Ansätzen erfolgten methodischen sowie theoretischen Erforschung von pre-consumption deposits leisten. Aus diesen lassen sich wichtige Erkenntnisse etwa zu Aspekten der formalen Gestalt der Gefäße (z. B. Form- und Größenentwicklung, Standardisierung der Produktion) und zur funktionalen Zusammensetzung von Keramiklieferungen (z. B. Verhältnis der Formgruppen zueinander und Rolle der vertretenen Töpfer für die spezifische Typenverteilung) ableiten. Der Fokus liegt dabei auf Fundensembles an den Zielorten. Aufgrund des Umstands, dass Händlerdepots und Keramiklager Teile ursprünglich viel größerer Fundeinheiten (Töpferofenladungen) repräsentieren, lässt ihre systematische Analyse vielversprechende Ergebnisse erwarten. Dazu zählen etwa Erkenntnisse zu den Selektionsprozessen, die von einer Töpferofenladung mit bis zu 30.000 Gefäßen zu wenigen hundert Objekten in einem Händlerdepot führten, und zu Töpfernetzwerken (Welche Töpfer arbeiteten zur selben Zeit und ließen ihre Produkte an dieselben Zielorte liefern?). Methodisch kommen, neben der traditionellen archäologischen Dokumentation der Bregenzer Ensembles in Form eines Katalogs mit zugehörigen Abbildungen, statistische Verfahren für die wissenschaftliche Auswertung zum Einsatz. Zudem werden mikroskopische und chemische Untersuchungen von Keramikfragmenten (zur Herkunftsbestimmung) und Recherchen in der Samian research-Datenbank des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz durchgeführt. In diese open access-Datenbank, anhand derer die Stempel- und Dekorbestimmung von Terra Sigillata wesentlich vereinfacht wurde und die vielfältige neue Analysemöglichkeiten bietet, werden die zahlreichen Töpferstempel der beiden Bregenzer Fundensembles auch eingegeben um sie rasch der Fachwelt zugänglich zu machen.
Im Rahmen des Forschungsprojekts "Bedeutsame Scherben: Sigillata aus pre-consumption deposits" wurden einerseits zwei wichtige Fundkomplexe der römischen Kaiserzeit aus Bregenz, dem antiken Brigantium, bearbeitet und andererseits Vergleichsstudien zur Fundgruppe der pre-consumption deposits unternommen. Bei der untersuchten Keramik handelt es sich hauptsächlich um Terra Sigillata, d. h. rot-überzogene Keramik, die als Tafelgeschirr in der Römerzeit genutzt wurde. Der Fokus der Analyse der beiden Bregenzer Ensembles lag auf ihrer Klassifizierung. Da die Keramik in großen Mengen geborgen wurde und sehr einheitlich wirkte, stellte sich die Frage, ob es sich um sogenannte pre-consumption deposits handeln könnte - also Keramik, die vor dem Verkauf und damit unbenutzt in die Erde gelangte. Der ältere und in der Terra Sigillata Fachwelt bekanntere Fundkomplex ist der sogenannte Kellerfund 1878, der ungefähr 120 fragmentierte, aber großteils annähernd vollständige Sigillata-Gefäße umfasst. Im Zuge des Projekts konnten deren Zeitstellung (Ende 1./Anfang 2. Jh. n. Chr.) und Herkunft (Südgallien) präzisiert werden, wofür stilistische und naturwissenschaftliche Methoden angewandt wurden. Obwohl der Kellerfund 1878 bis dato als Lager eines Terra-Sigillata-Händlers interpretiert wurde, hat der Vergleich mit dem Inventar römischer Gastronomiebetriebe ergeben, dass die Kelleranlage ursprünglich wohl als Aufbewahrungsort für in Benutzung stehendes Geschirr und Lebensmittel eines solchen Betriebs gedient hatte. Der zweite Fundkomplex ist der sogenannte Sammelfund 1911. Dieser wurde bereits vom Ausgräber als Händlerdepot angesprochen, was im Zuge der Auswertung bestätigt werden konnte. Insgesamt wurden 419 Gefäße identifiziert. Das sehr homogene Geschirr besteht größtenteils aus Tellern, Näpfen und Schüsseln, letztere überwiegend mit Reliefdekor. Die Terra Sigillata datiert in die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. und wurde vor allem in zwei Produktionszentren im heutigen Frankreich, römerzeitliches Gallien, hergestellt. Diese Ergebnisse wurden durch eine Kombination aus Stempelanalysen, Gefäßtypologien sowie mikroskopischen und chemischen Untersuchungen erzielt. Die Untersuchung von solchen pre-consumption deposits liefert wertvolle Erkenntnisse über antike Handels- und Distributionsmechanismen. Typisch für diese ist ein begrenztes Typenrepertoire, wobei einige wenige Typen in sehr hoher Anzahl vorliegen. Zudem enthalten sie häufig vollständige Gefäße sowie viele Stempel von nur wenigen Töpfern. Gebrauchsspuren und Besitzmarkierungen, die für regulär genutzte Keramik typisch sind, fehlen weitgehend. Der Sammelfund 1911 erfüllt diese Merkmale, was die Interpretation als Händlerdepot bestätigt. Untersuchungen zeigen, dass diese Depots Teil einer Ofenladung waren, was auf eine direkte Verbindung zwischen Produktion und Vertrieb hinweist. Auffällig ist, dass bestimmte Gefäßtypen aus spezifischen Produktionszentren bevorzugt wurden, was auf regionale Marktpräferenzen oder Verträge zwischen einzelnen Töpfern und Händlern schließen lässt. Der hohe Grad an Standardisierung, der beim Sammelfund 1911 auch mittels statistischer Berechnungen nachgewiesen werden konnte, spielte ebenfalls eine entscheidende Rolle, da er nicht nur das Stapeln der Gefäße im Brennofen optimierte, sondern auch den Transport und die Lagerung erleichterte. Diese Erkenntnisse verifizieren das durchdachte Distributionssystem von Terra Sigillata, beruhend auf einem überregionalen Handelsnetzwerk.
- Universität Wien - 100%
- Gerhard Grabher, vorarlberg museum , nationale:r Kooperationspartner:in
Research Output
- 1 Publikationen
- 1 Policies
- 1 Künstlerischer Output
- 1 Datasets & Models
- 5 Disseminationen
- 4 Weitere Förderungen
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2022
Titel Un "pre-consumption deposit" de céramique sigillée à Brégence/Brigantium (Autriche) Typ Conference Proceeding Abstract Autor Kopf J Konferenz La Société Française d'Étude de la Céramique Antique en Gaule (SFÉCAG), Clermont-Ferrand 26 mai - 29 mai 2022 Seiten 355-360
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2024
Titel Practical workshop for the documentation of TS stamps and reliefs for entry in online database Typ Influenced training of practitioners or researchers
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2023
Titel Plaster casts of the relief decoration and stamps Typ Artefact (including digital)
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2024
Link
Titel FAIRsharing record for: PHAIDRA - University of Vienna (Phaidra) DOI 10.25504/fairsharing.6a56fd Typ Database/Collection of data Öffentlich zugänglich Link Link
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2024
Link
Titel Organisation of the academic workshop "Terra Sigillata in pre-consumption deposits: characteristics and aspects of production and trade" Typ Participation in an activity, workshop or similar Link Link -
2023
Link
Titel Blog post Typ Engagement focused website, blog or social media channel Link Link -
2024
Link
Titel Blog post Typ Engagement focused website, blog or social media channel Link Link -
2024
Link
Titel Course for the Kinderuni Wien Typ Participation in an activity, workshop or similar Link Link -
2022
Link
Titel Blog post Typ Engagement focused website, blog or social media channel Link Link
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2024
Titel Sponsorship of the workshop "Terra Sigillata in pre-consumption deposits: characteristics and aspects of production and trade" Typ Capital/infrastructure (including equipment) Förderbeginn 2024 Geldgeber University of Vienna -
2025
Titel Mannagetta-Abschlussstipendium Typ Research grant (including intramural programme) Förderbeginn 2025 Geldgeber Austrian Academy of Sciences -
2024
Titel DSHCS Reisestipendium Typ Travel/small personal Förderbeginn 2024 Geldgeber Doctoral School of Historical and Cultural Studies University of Vienna -
2024
Titel Travel Award for project member Elisabeth Todt Typ Travel/small personal Förderbeginn 2024 Geldgeber Rei Cretariae Romanae Fautores (RCRF)