Protokolle des Ministerrates, Kabinett Figl I Bd. 9
Protokolle des Ministerrates, Kabinett Figl I Bd. 9
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (100%)
Keywords
-
Austria,
History,
Documents,
Government,
Edition,
1945-1955
Die Edition der Ministerratsprotokolle der Zweiten Republik, Kabinett Leopold Figl I, stellt einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der frühen Jahre der Zweiten Republik, des Wiederaufbaus Österreichs und seiner politischen Organe nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Die Ministerratsprotokolle müssen als zentrale Quelle für diese frühe und komplexe Phase der Zweiten Republik betrachtet werden. Band 9 der Edition umfasst die Protokolle Nr. 97 vom 27. Jänner 1948 bis Nr. 105 vom 23. März 1948 sowie begleitend die in diesen Zeitraum fallenden Protokolle des Wirtschaftlichen Ministerkomitees. Inhaltlich weisen die Debatten der Regierungsmitglieder ein breites inhaltliches Spektrum auf und tangieren Angelegenheiten der Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik, des Wiederaufbaus, des schwierigen Verhältnisses zu den vier Besatzungsmächten (besonders zur sowjetischen) sowie vielfältige weitere Aspekte und Probleme dieser Phase der österreichischen Geschichte. Die unterschiedlichen Positionen der Regierungsmitglieder zu den vielfältigen Themen wie auch Meinungsverschiedenheiten sowie Entwicklungen und Veränderungen der Diskussionslinien zu verschiedenen spezifischen Problemen können anhand der Protokolle nachverfolgt werden. Der mühsame Fortgang der anhaltenden Beratungen über den Österreichischen Staatsvertrag (einer von vielen Leitfäden, die sich durch praktisch alle Bände dieser Edition ziehen) spiegelt sich in den in diesem Band enthaltenen Protokollen deutlich wider. In dieser Phase sah man einer neuen Verhandlungsrunde der Sonderbeauftragten für den österreichischen Staatsvertrag entgegen, die am 20. Februar 1948 in London beginnen und schließlich bis 6. Mai 1948 dauern sollte. Im Mittelpunkt stand nach wie vor der schwierige Artikel 35 über Deutsche Vermögenswerte in Österreich. Die laufenden Berichte im Ministerrat über diese Beratungen erscheinen u. a. auch geprägt vom Vorantreiben der Errichtung kommunistischer Herrschaft in Osteuropa durch die Sowjetunion und dessen Abschottung nach außen. Speziell war es im hier relevanten Zeitraum die kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei, die im Ministerrat für Beunruhigung sorgte. Unter dem Eindruck derartiger Schwierigkeiten und Entwicklungen bekannte sich die Bundesregierung dezidiert zu einem engen Schulterschluss der beiden Regierungsparteien. Breiten Raum nehmen in diesem Editionsband auch die stets präsenten Themen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, der Ernährungssicherung für die österreichische Bevölkerung, des Marshallplanes sowie der schwierigen Beziehungen zu den Besatzungsmächten ein. Die Verhandlungen über den Marshallplan hatten schon Mitte 1947 begonnen, die endgültige Höhe der Hilfe und der genaue Zeitpunkt ihres Anlaufens standen jedoch noch nicht eindeutig fest. In der Zwischenzeit musste mittels anderweitiger Hilfs- und Notprogramme versucht werden, u. a. die konstante Sicherung der Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Die okönomischen und politischen Komplexitäten jener Zeit werden anhand der Verstrickung all jener Bereiche evident, etwa am Beispiel von Versorgungsschwierigkeiten, die aus Transportbeschränkungen der sowjetischen Besatzungskräfte entstanden. Derartige Fragen standen in fast jedem der in diesem Band enthaltenen Protokolle auf der Tagesordnung. Die vorliegenden Protokolle beleuchten weiters die verschiedenen Schritte, die zur Wiedererlangung der Souveränität des österreichischen Staates und seiner Integration in die internationale Staatengemeinschaft nötig waren, und zeigen den Umfang an legislativen Maßnahmen, derer es auf diesem Weg bedurfte. Zahlreiche dieser Maßnahmen behandelten Gegenstände und Probleme, die direkt mit dem Krieg und der nationalsozialistischen Vergangenheit in Verbindung standen. Beispiele dafür sind Restitutionsansprüche, die von der Banque des Pays de lEurope Centrale in Paris gegenüber der Länderbank Wien erhoben wurden, sowie der Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, betreffend die vorzeitige Beendigung der im Nationalsozialistengesetz vorgesehenen Sühnefolgen für jugendliche Personen. Die wissenschaftlich kommentierten Sitzungsprotokolle werden durch einen biografischen Index verstärkt, der detaillierte Biografien zu allen relevanten Personen enthält und damit zugleich einen Beitrag zur Erforschung politischer, sozialer und kultureller Eliten leistet. Weiters enthält der Band ein detailliertes Sach- und geografisches Register sowie Übertragungen der den Protokollen zugrundeliegenden Gabelsberger-Stenogramme.