Die effektiven Konsuln Österreich (-Ungarns) von 1825-1918
The Real Consuls of Austria (-Hungaria) 1825-1918
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Geisteswissenschaften (10%); Geschichte, Archäologie (40%); Soziologie (50%)
Keywords
-
Biographies Of Consuls,
Vacation Privilege,
Working Conditions,
Craving For Recognition,
Education Of Public Officers,
Arrogance Of Nobility
Die Entwicklung der österreichischen Konsulate ab dem 18. Jahrhundert bis Ende des I. Weltkrieges und die Ausbildungsinstitute für diesen Dienst werden dargestellt. In der Orientalischen Akademie war die Sprachausbildung das Wichtigste. Neben einer gleichzeitigen juristischen spielte eine kommerzielle Ausbildung eine geringe Rolle. 1853 wechselten die levantinischen Konsulate, 1859 die orientalischen von der Oberaufsicht des Handelsministeriums zum Außenministerium. Dadurch verschob sich das Schwergewicht von der handelspolitischen auf die politische Berichterstattung. Das Außenministerium überwachte die Ausbildung, stellte Bewerber ein und war für den beruflichen Aufstieg zuständig. Die wichtigsten Informanten für die Ausfuhr österreichischer Gewerbe- und Industriegüter waren die Konsuln. Dem Handelsministerium mussten die Konsuln nicht nur Wirtschaftsstatistiken ihres Amtsbezirkes zu festgelegten Terminen einsenden, sie hatten auch den Auftrag nach Möglichkeit vor der Veröffentlichung von Lieferungsausschreibungen zu berichten. Wissen über die Bonität ausländi-scher Geschäftspartner und Hilfe bei ausständigen Geldforderungen verlangte man ebenfalls von Konsuln. Für das Versicherungsgewerbe waren die vom Konsul überprüften Aufzeichnungen über die Schiffsladung bei einem Schadensfall von Bedeutung. Bei Streitigkeiten des Schiffspersonals mit dem Kapitän hatte der Konsul eine Schutzfunktion. Im Extremfall konnte ein Konsul sogar den Schiffskapitän absetzen. Für alle österreichischen und ungarischen Staatsangehörigen durfte das Konsulat notarielle Amtshandlungen vornehmen; es musste im Falle des Todes von Staatsangehörigen tätig werden; es war Passbehörde und hatte Stellungspflichtige, die sich im Ausland aufhielten, in Evidenz zu halten. Für ungarische Staatsangehörige hatte das Konsulat bei Eheschließung ab Oktober 1895 Standesamtsfunktion. Durch Silber- und Goldstickereien auf der Uniform, dem Ehrenkleid, wurde der Rang angezeigt. Die Uniform musste jeder selbst bezahlen. Der Theorie, wie sie in Gesetzen und Anordnungen greifbar ist, wird die Praxis gegenübergestellt, die mir aus dem Studium von über 600 Personalakten und zehntausenden Seiten über politische Vorgänge und Veröffentlichungen bekannt wurde. Die geregelte Besoldung eines effektiven Konsulatsbeamten war ein wichtiges Recht. Die Entwicklung der Grundgehälter und der differenzierten Zulagen sowie das Schema der Pensions-berechnung werden dargestellt. Das Konsulatspersonal erreichte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bezahlung eines Erholungsurlaubs und dieser Umstand hatte nach dem I. Weltkrieg Vorbildfunktion für die Einführung eines allgemeinen jährlichen Urlaubsanspruchs für Arbeitnehmer. Der Forderung, auch in der Freizeit ein vorbildliches Verhalten zu zeigen, hatte auch die Ehefrau eines Konsulatsbeamten zu entsprechen. Bei Nichtbeachtung konnte dieser nach einer Disziplinar-untersuchung sogar die Hinterbliebenenpension entzogen werden. Bei den behandelten Beispielen fand ich in der Praxis keinen derartigen Fall. Dagegen fand ich Anschuldigungen gegen Konsuln, dass sie sich in üblen Kaffeehäusern blicken ließen, oder lieber Karten spielten, statt Dienstpflichten zu erfüllen. Alkoholiker wurden nach Verwarnung versetzt oder entlassen. Aus heutiger Sicht stößt die Vorschrift der Ehebewilligung auf wenig Verständnis. Wer sich nicht darnach richtete, wurde sofort entlassen. Einigen Beamten gelang es trotzdem, diese Einschränkung zu umgehen, ohne ausgeschlossen zu werden. Das Bemühen um transparente Personalpolitik führte gelegentlich zu Vorwürfen der Benachteiligung. Konsuln aus dem bürgerlichen Lager nahmen bei Beförderungen eine Bevorzugung von Adeligen an, einzelne Adelige vermuteten das Gegenteil. Das Verhältnis adeliger und bürgerlicher Konsulats-bediensteter außerhalb des Dienstbetriebes wurde von Kennern mit heute kaum vorstellbarer Distanz beschrieben. Anfang des 20. Jahrhunderts betrieb Österreich-Ungarn viermal so viele Honorarkonsulate als effektive Konsulate. Ohne Berücksichtigung der Agentien gab es 1914 nur fast 2,4 Mal so viele Honorarkonsulate. Honorarkonsuln mussten bereits vor ihrer Aufnahme in ihrem Geschäft erfolgreich und angesehen sein. Über ihre Ausbildung wird kaum etwas berichtet. Sie erhielten im Normalfall keine Bezahlung aus Österreich-Ungarn, durften aber die tarifmäßigen Konsulatsgebühren für sich behalten. Für ihr Lokal und die Kanzleiauslagen mussten sie selbst sorgen. Ihr Amt vermehrte ihr Ansehen und brachte Schutz durch Österreich-Ungarn ein. Ein Honorarkonsul hatte zwar Pflichten wie ein effektiver Konsul, aber keinen Anspruch auf dessen Vorteile (Pension, Urlaubsanspruch). In der Praxis existierten Mischformen. Einem Honorarkonsulat konnte ein bezahlter Konsul zugeteilt oder zeitweise Zuschüsse gewährt werden. Einzelne Honorarkonsuln erreichten auf dem Gnadenwege für sich und Hinterbliebene Pensionen. Drohte einem Honorarkonsul Insolvenz, so wurde durch Österreich-Ungarn die Verbindung rasch gelöst. Durch die Honorarkonsulate ersparte sich der Staat viel Geld. Versuche, die Honorarkonsulate zu verringern, kamen im Wiener Außenministerium nicht gut an, führten aber zu verstärkten Überprüfungen, die überwiegend positiv ausfielen. Die Auflösung der Monarchie war für eine Reihe von Konsuln eine Katastrophe. Wenige, die auf Grund ihres Privatvermögens nicht auf eine Pension des Nachfolgestaates angewiesen waren, reichten ihre Ansprüche aus Stolz nicht ein. Wer aber von den Einkünften des Staates lebte, aber nicht weiter beschäftigt werden konnte, für den konnte es lebensbedrohend werden, so dass er vorübergehend niedere Arbeiten annehmen musste.
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