Wissenschaftsdisziplinen
Philosophie, Ethik, Religion (100%)
Keywords
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Understanding,
Structural Realism,
Explanation,
Truth,
Realism,
(social) epistemology
Sie haben sich in letzter Zeit erschöpft gefühlt, und sie wenden sich an Ihre Ärztin. Die Ärztin formuliert eine Diagnose, und in der Regel vertrauen Sie ihr. Warum tun Sie das? Weil Sie davon ausgehen, dass ihre Ärztin kompetenter als Sie ist. Dass die Ärztin kompetenter ist, heißt nicht nur, dass sie über mehr Wissen verfügt. Es heißt auch, dass sie ein besseres Verständnis (z. B. des menschlichen Körpers und seiner Funktionen) hat. Woraus besteht aber das Verständnis der Ärztin? Was meinen wir, wenn wir sagen, dass unsere Ärztin (oder irgendein Subjekt) versteht, warum wir uns erschöpft fühlen? Was heißt es, etwas z. B. ein Phänomen oder eine Domäne der Wirklichkeit zu verstehen? Ziel dieses Buches ist, Verstehen verständlicher zu machen, bzw. auf diese Fragen eine Antwort zu entwickeln. Um Licht auf die Natur des Verstehens zu werfen, fragt sich die Autorin: Was kommt vor, und wie fühlt es sich an, im Verständnis zu scheitern? Welche Probleme und Fehler in einem Weltbild sind mit einem Verständnis inkompatibel? Diese Untersuchungsperspektive ermöglicht, einen zentralen Aspekt des Verstehens zu identifizieren: Wir verstehen Phänomene unter anderem dadurch, dass sie in unser bereits etabliertes Weltbild hineinpassen. Wenn wir ein Phänomen verstehen, erleben wir ein Gleichgewichtsgefühl. Was wir über die Wirklichkeit glauben oder annehmen ist in Balance, und alles hängt gut mit Allem zusammen. Dass ein Weltbild in Gleichgewicht sich befindet, stellt aber keine Garantie dar, dass ein Verständnis vorliegt. Die Verbreitung des Covid-19 mag hervorragend in das Weltbild eines Subjekts, das eine empirisch widerlegte Verschwörungstheorie für wahr hält, hineinpassen. Wir würden aber sicher nicht behaupten, dass ein Verschwörungstheoretiker genuin versteht, wie das Covid-19 sich verbreitet hat. Ob ein Subjekt Phänomene genuin versteht oder nicht, hängt nicht nur davon ab, wie kohärent und konsistent sein Weltbild ist; es hängt auch davon ab, ob und wie gut sein Weltbild mit der Wirklichkeit verankert ist. Wie ist aber diese Verankerung zu konzipieren? Die Autorin verteidigt die These, dass wir immer ein gewisses Maß an Wahrheit brauchen, um die Wirklichkeit zu verstehen. Ein Weltbild muss die Wirklichkeit wahrheitsgetreu widerspiegeln, damit ein Verständnis vorliegt. Daraus folgt nicht, dass ein Verständnis der bloße Nebeneffekt einer wahren Erklärung ist, wie viele gedacht haben. Erklärung ist nur ein Weg unter vielen anderen, der uns zum Verständnis führt. Wenn die Ärztin uns ihre Diagnose erklärt, erlangen wir nicht nur neues Wissen; hoffentlich verstehen wir auch besser, was mit uns los ist. Aber wie genau gelingt es Subjekten, ihr Verständnis mit anderen zu teilen? Ist Verstehen etwas, was, wie Wissen, durch sprachliche Interaktionen übertragen werden kann? Die Autorin verteidigt die These, dass wir Verstehen nicht nur übertragen, sondern auch generieren können. Wir können Verstehen in anderen bewirken, ohne selbst verstehen erreicht zu haben.
- Universität Innsbruck - 100%