Atriale Nahfelder des Herzens - eine Computersimulation
Cardiac Nearfields in Complex Atrial Tissue
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften (10%); Bauwesen (40%); Informatik (40%); Klinische Medizin (10%)
Keywords
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Computer Simulation,
Atrial Tissue,
Cardiac Microstructure,
Electric Field,
Excitation Spread,
Depolarization
Lebensbedrohliche Arhythmien sind häufig durch Veränderungen der kardialen Mikrostruktur infolge des Alterungsprozesses bedingt. Es kann erwartet werden, daß die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens derartiger Krankheiten mit der mittleren Lebenserwartung zunimmt. Die kardiologische Grundlagenforschung wird sich daher zunehmend mit dem Einfluß dieser strukturellen Veränderungen auf den Vorgang der Erregungsausbreitung im Herzen auseinandersetzen. Zellen in jungen Herzen sind so gekoppelt, daß elektrische Impulse sehr gleichförmig weitergeleitet werden. Diese kontinuierliche Ausbreitung wurde bereits ausführlichst untersucht, experimentell und theoretisch mit Computersimulationen. Der Alterungsprozeß verursacht jedoch eine elektrische Entkoppelung zwischen Zellgruppen was eine diskontinuierliche Weiterleitung bewirkt, deren Mechanismen bis heute sehr schlecht verstanden werden. Aufgrund des Wissensmangel über die Mechanismen komplexer Fortleitung elektrischer Impulse im Herzen ergeben sich Schwierigkeiten bei der Interpretation intrakardialer Signalformen und bei der Rekonstruktion von Aktivierungsmustern in den Herzkammern. Klinisch angewandte Techniken beruhen nahezu ausschließlich auf der Messung extrazellulärer Potentiale mittels über Katheter eingebrachte Elektroden. Elektrische Feldmessungen sehr nahe der Gewebsoberfläche im Inneren des Herzens (Kardiale Nahfelder) liefern zusätzliche vektorielle Information. Dies wurde aber bisher noch nie genützt, weder experimentell noch klinisch. Im Zuge dieses Projekt soll eines neuartiges Computermodel entwickelt werden, das sowohl die electrophysiologische Funktion des Herzgewebes (Ionenströme) als auch die dessen Mikrostruktur (elektrische Kopplung zwischen Zellgruppen) im Detail berücksichtigt. Hauptsächlich zwei Aspekte sollen untersucht werden, der biophysikalisch-theoretische Aspekt der Eigenschaften des elektrischen Nahfeldes und der eher anwendungsbezogene Aspekt die Grundlagen für eine neuartige Technik der elektro-anatomischen Charakterisierung des Gewebes und der Naviagtion von therapeutischen Werkzeugen zu erarbeiten. Die biophysikalische Aufgabenstellung ist es eine theoretische Basis zu schaffen, welche die Interpretation von Vektorschleifen des elektrischen Feldes bei unterschiedlichen Aktivierungsmustern erlaubt. Aufgrund der Bedeutung des Atriums bezüglich Arhythmogenese soll eine für das Atrium charakteristische Region mit einer sehr komplexen Anordnung der leitenden Strukturen ausgewählt werden, sowohl für elektrophysiologische Experimente als auch für Computersimulationen. Wir konnten kürzlich nachweisen, dass das elektrische Feld bei kontinuierlicher Fortleitung die Ausbreitungrichtung anzeigt. Es ist jedoch noch völlig unerforscht, wie sich das kardiale Nahfled an Punkten sich verzweigender Leitungswege oder nahe Diskontinuitäten verhält. Wir erwarten vom interdisziplinären Ansatz (Experiment - Histologie - Computersimulation), die kardialen Nahfelder bei komplexer Erregungsausbreitung zu untersuchen, ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen. Aufgrund dieser Erkenntnisse können technische Anforderungen für die Erfassung kardialer Nahfelder mit 4-Elektrodenarrays spezifiziert werden. Solche Messungen liefern die folgenden diagnostisch relevanten Parameter: Aus der Vektorschleifenmorphologie kann die lokale Ausbreitungsrichtung abgeleitet werden, komplexe Leitungswege können detektiert werden, da sie sich in der Schleifenmorphologie widerspiegeln (wie die Fraktionierung von Elektrogrammen bei uni- und bipolaren Ableitungen), der Zeitpunkt der lokalen Aktivierung und die lokale Ausbreitungsgeschwindigkeit kann genau gemessen werden. Das Verständnis der kardialen Nahfelder kann neue Perspektiven für die intrakardiale Navigation therapeutischer Instrumente eröffnen. Ein via Katheter eingebrachter Nahfeldsensor würde einen gezoomten Blick auf den Erregungsausbreitungsvorgang mit einer räumlichen Auflösung erlauben, die mit zurzeit gebräuchlichen Methoden unerreichbar wäre. Das wäre eine wichtige Ergänzung für andere Methoden wie intrakardiale kontaktfreie Mappingsysteme, die einen globalen Übersicht des Aktivierungsmusters liefern.
- Ernst Hofer, Medizinische Universität Graz , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Joshua Leon, University of Calgary - Kanada
- Javier Saiz, Departamento de Informática de Sistemas y Computadores - Spanien