Autonome Röntgenexperimente mit künstlicher Intelligenz
Autonomous X-ray experiments using artificial intelligence
Wissenschaftsdisziplinen
Chemie (25%); Informatik (50%); Werkstofftechnik (25%)
Keywords
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X-ray reflectivity,
X-ray diffraction,
Machine Learning,
Neural Networks,
Artificial Intelligence
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert unseren Alltag, so zum Beispiel bei der Spracherkennung oder zukünftig bei autonomen, selbstfahrenden Autos. Im Labor-Alltag spielt KI für autonome Messungen aber noch keine große Rolle. Heute werden meist standardisierte Messungen nach vorgegebenem Muster durchgeführt oder Expert:innen müssen sich vor der Messung spezielle Messabläufe überlegen um besondere Proben zu vermessen. In diesem Antrag soll ein künstliches neuronales Netz als KI fungieren, um Messungen optimal an eine gegebene Probe anzupassen. Im Gegensatz zu heutigen Messungen, bei denen die Bedingungen wie Messdauer und Messgenauigkeit meist vor Beginn der Messung festgelegt werden, soll die neue, autonome Messung dynamisch live gesteuert werden noch während die Daten eingehen. Hierdurch können erste Teil-Ergebnisse vom Beginn der Messung den weiteren Ablauf der Messung beeinflussen und die KI kann schneller als ein Mensch entscheiden welcher nächste Messpunkt am wertvollsten ist. Als Beispiel werden in diesem Projekt Röntgenmessungen für die Materialforschung durch eine zu entwickelnde KI automatisiert. Es wird dabei die Röntgenreflektivität gemessen, d.h. der Röntgenstrahl wird an der Probe spiegelnd reflektiert, wobei Einfalls- gleich Ausfallswinkel ist. Hierdurch ergeben sich Interferenzeffekte ähnlich wie bei einem im Licht schillernden dünnem Ölfilm auf Wasser. Genauso wie bei den Öl- und Wasserschichten im sichtbaren Licht lässt sich durch Röntgenreflektivität die Abfolge von Materialschichten in einer Solarzelle oder einer Batterie vermessen wobei durch die hohe Energie der Röntgenstrahlung die Messgenauigkeit bei der Größe eines Atoms liegt. Durch die autonome KI gesteuerte Messung werden in einer optimierten Röntgen-Messung erstens die Messzeit verkürzt, zweitens Strahlenschäden in der Probe vermieden und drittens eine höhere Genauigkeit ermöglicht, indem die interessanten Regionen besonders genau abgetastet werden. Dabei eignen sich Röntgenmessungen besonders für eine Steuerung durch eine KI, da Röntgenstrahlen für Menschen gefährlich sind und daher die Messungen schon heute nicht manuell, sondern automatisiert durchgeführt werden. Daher kann in diesem Projekt auf bestehender Röntgen- Hardware wie motorisierte Justage- und Scan-Einrichtungen sowie Probenwechsel-Roboter aufgebaut werden und diese können durch KI-Software leistungsfähiger gemacht werden. Außerdem sind Röntgen-Messgeräte teuer und es wird sich durch die autonome KI-Steuerung in der Industrie und Forschung wertvolle Messzeit durch schnellere KI-Versuche einsparen lassen. Durch die hohe Geschwindigkeit von künstlichen neuronalen Netzen wird zukünftig die Information jedes einzelnen von der Probe kommenden Röntgenphotons mit einer für Menschen unmöglich hohen Geschwindigkeit live verarbeitet werden. Die Messung wird dadurch blitzschnell optimiert, so dass jedes Röntgenphoton zählt und wertvolle Information liefert.
Röntgenstrahlen sind vor allem aus der Medizin bekannt, doch in der Forschung können sie weit mehr als nur Bilder von Knochen aufnehmen. Wenn Forschende Röntgenstrahlen auf Materialien richten, können sie Strukturen im atomaren Maßstab sichtbar machen - also zeigen, wie Atome angeordnet sind und wie sich Schichten von Materialien, etwa in einer Solarzelle, aufbauen. Eine wichtige Methode dafür ist die Röntgenreflektometrie (XRR), mit der ultradünne Schichten untersucht werden, die nur wenige Nanometer dick sind. Solche Schichten sind entscheidend für Halbleiter, Solarzellen, Sensoren oder auch für supraleitende Schichten in Quantencomputern. Solche Messungen sind jedoch oft langsam und kostspielig. An großen Forschungsanlagen wie Synchrotron-Lichtquellen kann ein Messtag mehr als 10.000 kosten. In herkömmlichen XRR-Experimenten werden Hunderte von Messpunkten aufgenommen, um ein vollständiges Bild davon zu erhalten, wie die Röntgenstrahlen an einer Oberfläche reflektiert werden. Das braucht Zeit, kann empfindliche Proben durch den Strahl beschädigen und erschwert es, schnelle Veränderungen im Material zu beobachten. In diesem Projekt wurde eine neue Methode entwickelt, die auf sogenanntem Reinforcement Learning basiert - einer Form der Künstlichen Intelligenz (KI), bei der ein Agent durch Ausprobieren lernt, die besten Entscheidungen zu treffen. Der Agent verhält sich ähnlich wie ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin, die ein Experiment anpasst, während die Ergebnisse eintreffen. Nach jedem neuen Röntgenmesspunkt bewertet der Agent die Informationen und entscheidet in Echtzeit, wo als Nächstes gemessen werden soll. Im Gegensatz zum Menschen kann er innerhalb von Millisekunden reagieren. Der Agent wurde mit simulierten Daten trainiert, die viele mögliche Strukturen darstellen. Dadurch startet er Messungen mit einem Vorwissen über gute Messstrategien und passt die Messpunkte individuell an jede Probe an, sobald reale Daten eintreffen. So entsteht ein Messprozess, der die Messung für jede einzelne Probe spezifisch anpasst und intelligenter und effizienter misst. Mit diesem Ansatz lassen sich die gleichen Informationen über Schichtdicke und Struktur mit nur einem Drittel der üblichen Messpunkte gewinnen. Bei gleicher Anzahl von Messpunkten kann die Genauigkeit bis auf das Doppelte verbessert werden. Das macht Experimente nicht nur schneller, sondern reduziert auch Strahlenschäden, Energieverbrauch und Kosten. Zudem werden dadurch Echtzeitmessungen an schnellen, zeitabhängigen Prozessen möglich - etwa beim Wachstum dünner Schichten Atom für Atom. Die Projektdaten wurden offen auf Zenodo veröffentlicht und folgen dem Standard der Open Reflectometry Standards Organisation (ORSO), wodurch sie leicht weiterverwendet werden können. Der Erfolg dieser Forschung hat bereits zu einem Anschlussprojekt in Zusammenarbeit mit der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) - der weltweit ersten Lichtquelle der vierten Generation - geführt, um diese KI-basierten Messstrategien in realen Experimenten umzusetzen und weiterzuentwickeln.
- Universität Graz - 100%
Research Output
- 1 Publikationen
- 1 Datasets & Models
- 1 Software
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
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2025
Titel High-speed x-ray reflectometry for characterization of thin film growth at high deposition rates DOI 10.1103/xxx9-8tk2 Typ Journal Article Autor Schumi-Marecek D Journal Physical Review B Seiten 235304
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2025
Link
Titel High-speed x-ray reflectometry dataset for PTCDI-C8 molecules DOI 10.5281/zenodo.17340970 Typ Database/Collection of data Öffentlich zugänglich Link Link
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2023
Titel Invited talk: Faster and lower dose X-ray measurements enabled by physics-informed machine learning Typ Personally asked as a key note speaker to a conference Bekanntheitsgrad Continental/International