Skulptur eines durchsichtigen menschlichen SchÀdels in einem Museum
Im Programm Wissenschaftskommunikation bewilligt der FWF vier innovative Projekte im Umfang von knapp 400.000 Euro. © Unsplash/Jesse Orrico

Die FWF-Wissenschaftskommunikationsprojekte dieses Jahres werden ihr Publikum in abgelegene Höhlen und die nĂ€her gelegenen Welten des Gehirns von Fischen und Menschen fĂŒhren. „Wissenschaftskommunikation ist nicht nur dazu da, Wissen zu vermitteln oder spektakulĂ€re Forschungsergebnisse zu verbreiten, sondern auch, Menschen Forschung verstĂ€ndlich zu machen, sie dafĂŒr zu begeistern und kommende Generationen zum Mitmachen zu bewegen“, sagt Christof Gattringer, PrĂ€sident des FWF. 

Thematisch haben die Projekte in diesem Jahr einige Überschneidungen und doch unterschiedliche ZugĂ€nge: Eines beschĂ€ftigt sich etwa mit der Gehirnentwicklung bei Fischen unter dem Eindruck des Klimawandels, ein anderes hat ebenfalls die Gehirnentwicklung zum Thema, stellt sich aber die Frage, woher denn Gehirnstammzellen eigentlich „wissen“, was sie zu tun haben.

Auch im Hinblick auf Zielgruppen und Methoden sind die Projekte vielfĂ€ltig. In filmischen Aufbereitungen wird Wissenschaft zum visuellen Genuss, Geschichten und Workshops machen wissenschaftliches Arbeiten erfahrbar und zu einem Erlebnis. Kinder und Jugendliche werden insbesondere adressiert. So entsteht ein nachhaltiger Effekt, der ĂŒber die Dauer der einzelnen Projekte hinausgeht. 

Die Projekte starten im JĂ€nner 2025 und sind auf maximal zwei Jahre geplant.

Die Wissenschaftskommunikationsprojekte im Einzelnen

BrainFood

Das Forschungsprojekt „BrainFood“ des Ökologen Libor ZĂĄvorka möchte möglichst viele Menschen fĂŒr den Zusammenhang von Kognition und ErnĂ€hrung interessieren und VerstĂ€ndnis fĂŒr die enge ökologische Bindung des Menschen an die natĂŒrliche Welt schaffen. ZĂĄvorka und die GewĂ€sserökologin Gabriele Weigelhofer entwickeln in dem Projekt gemeinsam mit einem Team eine digitale Plattform mit immersiven und interaktiven Features, die es einer breiten Öffentlichkeit leicht machen sollen, diese ZusammenhĂ€nge selbst zu erkunden.

Vom Gehirn zum Verstand (B2M)

Die Themen des Wissenschaftskommunikationsprojekts „Vom Gehirn zum Verstand“ rund um Projektleiter Pavlos Topalidis sind vielleicht jedem und jeder ein bisschen vertraut: Wo fĂ€ngt der „Verstand“ an? Wo im Gehirn lĂ€sst er sich lokalisieren? Was ist der Verstand ĂŒberhaupt, und wie kann man ihn erforschen? Das Projekt will in Videos und Podcasts dazu einladen, sich dem PhĂ€nomen Verstand weniger metaphysisch denn naturwissenschaftlich zu nĂ€hern.

BraiNFC – eine multisensorische, digitale Reise durchs Gehirn

Als eines der ersten Organe, die in einem Embryo entstehen, ist das Gehirn zugleich das komplexeste. Es gibt allein 3.300 unterschiedliche Arten von Zellen, die sich im Verlauf der Embryonalentwicklung bilden und sich an die Stellen im Gehirn verteilen, wo sie hingehören. Die Neurologin Nicole Amberg erforscht, woher die entstehenden Gehirnzellen ihren Ort „kennen“, welche Prozesse es sind, die ihnen ihre Aufgabe und die daraus sich ergebende Form zuweisen.

Kalaallit-Nunaat-Höhlen und Klimakommunikationsprojekt – KINDLE

Vor zehn Jahren brach die Klimawissenschaftlerin und Geologin Gina Moseley zum ersten Mal nach Grönland auf, um mit einem Forschungsteam die Höhlen im Norden der Insel zu erforschen. Die Forscher:innen machten sich auf die Suche nach Mineralienablagerungen die Aufschluss geben könnten ĂŒber das Klima vergangener Jahrtausende. Das Forschungsteam wird einen ganzen Monat in Ilulissat im Westen von Grönland verbringen und eine multimediale Ausstellung und Workshops ĂŒber die Höhlen betreuen.

BrainFood

BrainFood
PortrÀt Libor Zåvorka
BrainFood-Projektleiter Libor ZĂĄvorka an der Biologischen Station Lunz. © Privat

Fische, die zu wenig Omega-3-FettsĂ€uren aufnehmen, werden buchstĂ€blich dumm. Sie finden schwieriger Nahrung, haben weniger Ausdauer und können sich schlechter orientieren. Solche Fische kommen immer öfter vor: Bedingt durch die höheren Temperaturen infolge des Klimawandels bilden sich weniger von den Omega-3 produzierenden Algen, die Nahrung jener Insekten sind, die die Fische fressen. So weit einige Erkenntnisse eines Forschungsprojekts mit dem KĂŒrzel „4FatQ“, das am WasserCluster Lunz durchgefĂŒhrt wurde. Das Problem betrifft nicht allein die Fische. „Algen stehen global ganz am Anfang aller Nahrungsketten. Wenn die NahrungsqualitĂ€t durch den Klimawandel sinkt, ist das ein Problem fĂŒr die Menschheit“, so der Ökologe Libor ZĂĄvorka, der die Studie 4FatQ mit seiner Forschungsgruppe SciFish durchgefĂŒhrt hat. Die Erkenntnisse haben das Wissenschaftskommunikationsprojekt angestoßen: Möglichst viele Menschen fĂŒr den Zusammenhang von Kognition und ErnĂ€hrung zu interessieren und VerstĂ€ndnis fĂŒr die enge ökologische Bindung des Menschen an die natĂŒrliche Welt zu schaffen, ist das Anliegen von „BrainFood“. Libor ZĂĄvorka und die GewĂ€sserökologin Gabriele Weigelhofer entwickeln in dem Projekt gemeinsam mit einem Team eine digitale Plattform mit immersiven und interaktiven Features (Geschichten, Videos, Spiele, Quiz usw.), die es einer breiten Öffentlichkeit leicht machen sollen, diese ZusammenhĂ€nge im eigenen Tempo und nach eigenem Gusto zu erkunden. „Wir werden die Prototypen jeweils mit den Besucher:innen im Haus der Wildnis testen und mit ihrem Feedback verbessern“, so Weigelhofer. Die Plattform soll unterhaltsam sein und Freude machen, aber Wissenschaft nicht in ein Spektakel verwandeln. „Es soll deutlich werden, dass die Themen fĂŒr die Gesellschaft, fĂŒr die Wirtschaft, fĂŒr das Leben relevant sind, nicht nur ein interessantes biologisches Kuriosum.“

Projektleitung

Libor Závorka, WasserCluster Lunz – Biologische Station GmbH

ForschungsstÀtten

WasserCluster Lunz, UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien

Disziplinen

Biologie, Ökologie

Fördervolumen

99.927 €

Vom Gehirn zum Verstand (B2M)

Vom Gehirn zum Verstand (B2M)
PortrÀt von Pavlos Topalidis
B2M-Projektleiter Pavlos Topalidis © Privat

Die Themen des Wissenschaftskommunikationsprojekts „Vom Gehirn zum Verstand“ sind vielleicht jedem und jeder ein bisschen vertraut: Wo fĂ€ngt der „Verstand“ an? Wo im Gehirn lĂ€sst er sich lokalisieren? Was ist der Verstand ĂŒberhaupt, und wie kann man ihn erforschen? Bezug nehmend auf das Doktoratskolleg „Imaging the Mind“ will B2M in Videos und Podcasts dazu einladen, sich dem PhĂ€nomen Verstand weniger metaphysisch denn naturwissenschaftlich zu nĂ€hern. „TatsĂ€chlich sind Neurokognitionswissenschaften so weit, dass es möglich ist, etwa Erinnerungen zu erforschen und die Prozesse sichtbar zu machen, die in Gang kommen, wenn man an etwas Bestimmtes denkt oder vom Schlaf in den Wachzustand ĂŒbergeht“, sagt Pavlos Topalidis, der das Projekt leitet. „Auch Spuren von GefĂŒhlen oder körperlichen ZustĂ€nden zeigen sich im Gehirn und sind mit den richtigen Methoden messbar.“ B2M wird die Erkenntnisse von „Imaging the Mind“, einer zehn Jahre umspannenden ForschungsaktivitĂ€t, in den Mittelpunkt stellen, indem die Wissenschaftler:innen, Studierenden und Doktorand:innen des Doktoratskollegs von ihrer wissenschaftlichen Arbeit erzĂ€hlen und wichtige Ergebnisse und Methodologien vorstellen. Erreicht werden sollen eine breite Öffentlichkeit, Studierende, LehrkrĂ€fte, Angehörige von Gesundheitsberufen ebenso wie Wissenschaftler:innen. „Wir stimmen die Inhalte jeweils auf die Zielgruppe ab, sodass alle etwas fĂŒr sie Relevantes erfahren“, sagt Topalidis. „Ich denke, es ist die Aufgabe der UniversitĂ€ten, sich zu öffnen und so viel wie möglich von ihrer TĂ€tigkeit zu vermitteln; zu erzĂ€hlen, was in den Laboren eigentlich passiert. Es wĂ€re doch auch toll, wenn man einfach auf die Website einer UniversitĂ€t geht und dann dort hĂ€ngen bleibt, einfach, weil es so viel Spannendes zu lernen und zu erfahren gibt.“

Projektleitung

Pavlos Topalidis, Paris Lodron UniversitÀt Salzburg, Fachbereich Psychologie

ForschungsstÀtte

Paris Lodron UniversitÀt Salzburg

Disziplinen

Psychologie, Kognitionsforschung, Neurowissenschaften

Fördervolumen

96.448 €

BraiNFC – eine multisensorische, digitale Reise durchs Gehirn

BraiNFC – eine multisensorische, digitale Reise durchs Gehirn
PortrÀt Nicole Amberg
BraiNFC-Projektleiterin Nicole Amberg. © Peter Rigaud

Als eines der ersten Organe, die in einem Embryo entstehen, ist das Gehirn zugleich das komplexeste. Es gibt allein 3.300 unterschiedliche Arten von Zellen, die sich im Verlauf der Embryonalentwicklung bilden und sich an die Stellen im Gehirn verteilen, wo sie hingehören. „Das Gehirn ist nicht nur komplex, sondern auf einer zellulĂ€ren Ebene außerdem das schönste Organ“, sagt Nicole Amberg. Die Neurologin erforscht, woher die entstehenden Gehirnzellen ihren Ort „kennen“, welche Prozesse es sind, die ihnen ihre Aufgabe und die daraus sich ergebende Form zuweisen. Die Faszination fĂŒr das Gehirn und die Neugier, es zu erkunden und zu erforschen, will Nicole Amberg weitergeben – im Wissenschaftskommunikationsprojekt BraiNFC zunĂ€chst an Kinder im Alter zwischen acht und zehn Jahren. Die Heldin ihrer Geschichte ist eine Gehirnstammzelle, die im Entwicklungsprozess weggenickt ist und herausfinden muss, wo sie hingehört und wo sie noch Nervenzellen produzieren kann. Die Kinder werden in die Rolle dieser Stammzelle versetzt und erleben quasi aus erster Hand, wie die Gehirnentwicklung funktioniert. Neben der digitalen Plattform soll es ein Buch geben und eine Spielfigur. „Es ist wichtig, dass Wissenschaftler:innen ĂŒber ihre Forschung berichten und ZusammenhĂ€nge erlĂ€utern“, sagt Amberg mit Blick auf ihre Forschung, die letztlich auch darĂŒber aufklĂ€ren soll, warum es zu Fehlentwicklungen bei der Gehirnentwicklung kommen kann. „Ursachen zu kennen, gibt einem ein GefĂŒhl der Beruhigung und Kontrolle, gerade wenn man mit schwierigen Diagnosen zu kĂ€mpfen hat.“

Projektleitung

Nicole Amberg, Medizinische UniversitĂ€t Wien, Klinisches Institut fĂŒr Neurologie

ForschungsstÀtte

Medizinische UniversitÀt Wien

Disziplinen

Medizin, Neurologie

Fördervolumen

97.849 €

Kalaallit-Nunaat-Höhlen und Klimakommunikationsprojekt – KINDLE

Kalaallit-Nunaat-Höhlen und Klimakommunikationsprojekt – KINDLE
PortrÀt Gina Moseley
KINDLE-Projektleiterin Gina Moseley in den Kalaallit-Nunaat-Höhlen. © R. Shone

Vor fast zehn Jahren brach die Klimawissenschaftlerin und Geologin Gina Moseley zum ersten Mal nach Grönland auf, um mit einem Forschungsteam die Höhlen im Norden der Insel zu erforschen. Die Forscher:innen machten sich auf die Suche nach Mineralienablagerungen, sogenannten SpelĂ€othemen, die Aufschluss geben könnten ĂŒber das Klima vergangener Jahrtausende. Die Höhlen auf 600 Meter Höhe in den steilen Felsen Grönlands sind nur unter grĂ¶ĂŸtem Aufwand zugĂ€nglich, sie liegen inmitten einer polaren WĂŒste. Der PalĂ€oklimatologie wurde durch die Expedition 2015 ein gĂ€nzlich neues, Jahrmillionen zurĂŒckreichendes Klimaarchiv zugĂ€nglich. Dieser ersten abenteuerlichen Expedition folgten weitere Expeditionen, die die erste arktische SpelĂ€othem-Forschungsgruppe begrĂŒndeten und die sensationelle Funde hervorbrachten, darunter Millionen Jahre alte Pollen. Großartige wissenschaftliche Erfolge und DurchbrĂŒche, die fĂŒr Gina Moseley zugleich eine Schattenseite hatten: Sie fanden praktisch ohne jeglichen Kontakt zu den GrönlĂ€nder:innen statt. Sie waren das, was Moseley kritisch „Fallschirmwissenschaft“ nennt: „Wir kommen an, fliegen mit dem Helikopter in die NĂ€he der Höhlen, forschen und sind wieder weg. Ich war vielleicht einmal im grönlĂ€ndischen Radio.“ KINDLE soll den Fallschirm auf den Boden holen: FĂŒr das Wissenschaftskommunikationsprojekt wurde ein Kontakt zum ILLU Science and Art Hub in Ilulissat aufgebaut, das nun ein Kooperationspartner ist. Das Forschungsteam wird einen ganzen Monat, idealerweise schon im Sommer 2025, in Ilulissat im Westen von Grönland verbringen und eine multimediale Ausstellung und Workshops ĂŒber die Höhlen betreuen. KINDLE wendet sich unter anderem mit einer Reihe von Filmen, die die Forschung in den Höhlen zeigen, an eine allgemeine Bevölkerung Grönlands. „Wir wollen unsere Forschung zugĂ€nglich machen, sodass sie auch von ganz jungen Menschen verstanden wird“, sagt Moseley. Neben den Filmen und den Workshops ist eine Fotoausstellung geplant: „Die Höhlen sind unglaublich schön. Vierzig Meter hoch und weit. Vögel leben darin. Das möchten wir der grönlĂ€ndischen Bevölkerung zeigen.“ KINDLE wird auf GrönlĂ€ndisch produziert und spĂ€ter ins Englische und Deutsche ĂŒbersetzt. „Es wĂ€re schön, wenn wir fĂŒr PalĂ€oklimatologie begeistern könnten. Vielleicht stĂ€rken wir auch das Interesse fĂŒr die Höhlen, da sie noch nahezu unerforscht sind.“

Projektleitung

Gina Moseley, UniversitĂ€t Innsbruck, Institut fĂŒr Geologie

ForschungsstÀtte

UniversitÀt Innsbruck

Disziplinen

PalÀoklimatologie, Geologie

Fördervolumen

99.460 €

Das Programm Wissenschaftskommunikation fĂŒr den Dialog mit der Öffentlichkeit

Der Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtzt mit dem Programm Wissenschaftskommunikation Forschende bei neuen und innovativen Projekten im Bereich der Wissenschaftskommunikation. Das Förderangebot richtet sich an Wissenschaftler:innen an österreichischen ForschungsstĂ€tten, die ein FWF-gefördertes Projekt leiten bzw. geleitet haben. Eine zentrale Zielsetzung ist die Förderung hervorragender wissenschaftskommunikativer Maßnahmen, um wissenschaftliche Inhalte aus FWF-geförderten Projekten an die Gesellschaft zu vermitteln.

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