Pollen, Gene und die Evolution der Fagales

Wegen der zunehmenden Spezialisierung in den Wissenschaften, klaffen immer größere Gräben zwischen den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen auf. Dies ist insbesondere bei den nahe verwandten und ineinanderfließenden Feldern der Neobotanik und Paläobotanik zu beobachten. Obwohl komplementär, werden in der Überzahl von Publikationen die sich mit der Rekonstruktion von historischer Biogeographie, molekularer Datierung und Evolution beschäftigen, Schlüsselerkenntnisse aus der paläobotanischen Forschung weitgehend ignoriert. Am Beispiel der Fagales soll der Versuch unternommen werden, den Bruch zwischen den Disziplinen zu überwinden. Die Fagales bieten sich dafür wie kaum eine andere Pflanzengruppe an: Sie verfügen nicht nur über einen reichen Makrofossilbefund, sondern auch über einen stetig wachsenden palynologischen. Letzteres ist unmittelbar bedeutsam für die Analyse und Interpretation neobotanischer Daten und Rekonstruktionen. Unter dem Elektronenmikroskop beobachtete Pollenmerkmale sind hoch- diagnostisch für einzelne Gattungen der Fagales und erlauben eine exakte Zuordnung. Dies macht den Pollenbefund zu einer natürlich Quelle um Divergenzen, die an Hand molekular-basierter Phylogenien erkannt wurden, zeitlich und räumlich zu fassen. An Hand des Makrofossilbefundes und insbesondere der Pollenfunde lassen sich alle modernen Gattungen der Fagales bis in das Paläogen zurückverfolgen. Die Ordnung selbst lässt sich bis mindestens in die Oberkreide nachweisen. Demgegenüber steht eine häufig geringe genetische Divergenz innerhalb und zwischen den Gattungen. Dazu gesellen sich interessante, bisher unverstandene Phänomene wie das nahezu simultane und quasi-globale Auftreten der modernen Gattungen. Hauptaufgabe des Projektes und des Antragstellers wird es sein, Lücken sowohl in dem Verständnis des paläobotanischen/palynologischen Befundes, in Kooperation mit laufenden Projekten am Heim- und Gastinstitut, als auch der genetischen Daten zu schließen; letzteres im Rahmen internationaler Kooperation. Ziel ist es, die Evidenzen aus den paläontologischen und neontologischen Daten und Rekonstruktionen zusammenzuführen um die Evolution der Fagales in Raum und Zeit umfassend darzustellen.

Die Idee dieses Lise-Meitner-Mobilitätsstipendiums war es eine Brücke zwischen wissenschaftlichen Teildisziplinen zu schlagen, die bisher wenig Kontakt hatten, aber großes Potential für überdisziplinäre Forschung. Der Stipendiat ist Geologe, der sich bereits während dem Studium der Genetik zugewandt und sich wissenschaftlich der Datenanalyse gewidmet hat; seine Gastgeber an der Universität Wien gehören zu den wenigen Palynologen, die den verstreut-fossilen Pollenbefund studieren. Die moderne Wissenschaft fragmentiert sich zusehends. Während die Urväter der Evolutionsforschung, Charles Darwin, Alfred Wallace und Ernst Haeckel, ihre Ideen noch auf umfassenden Betrachtungen der Natur an sich entwickelten, braucht es heute Spezialisten, um mit den sekündlich größer werdenden Datenmengen und den zunehmend facettenreicher werdenden Analysemethoden fertig zu werden. U.a. (Bio)Informatiker zu Auswertung der Daten, während Biologen sich spezialisieren auf Felder wie das der molekularen Systematik, die Verwandtschaftsbeziehungen von Tieren und Pflanzen aus Bäumen ableiten, die auf genetischen Daten fußen; der Biogeographie, bei der man versucht aus der modernen und (wenn möglich) fossilen Verbreitung einer Tier- oder Pflanzengruppe auf deren Historie zu schließen; der Statistik und Modellierung, wo es darum geht die quantitativen Rahmenparameter zu erfassen; und der immer kleiner werdenden Gruppe der Feldbotaniker und -zoologen (auch Taxonomen), hoch-spezialisierte Wissenschaftler, die als einzige das primäre Material beschaffen und ansprechen können mit dem andere Bereiche arbeiten. Zur letzten Kategorie können auch die Palynologen gezählt werden, die sich der Untersuchung mikroskopisch kleiner biologischer Objekte, wie Pollen und Sporen, verschrieben haben. Die Fragmentierung, in Hand mit dem sogenannten "single- blind peer review" System, bei dem meist anonyme Spezialisten die Arbeiten hinsichtlich Publizierbarkeit evaluieren, hat dazu geführt, daß echte überdisziplinäre Forschung selten geworden ist. In diesem Projekt haben wir versucht diese Lücke zu überbrücken und zu zeigen inwieweit der fossile Pollenbefund informativ sein kann für 'neontologische' biologische Disziplinen wie dem Datieren von molekularen Bäumen und der Erfassung biogeographischer Historien. Wir konnten die Wichtigkeit von Grönland zeigen zum Verständnis der Evolution der Buchen und ihrer Verwandten wie den Eichen und Kastanienähnlichen und als urtümliche Heimat von Pflanzen, die man heute nur noch in den äquatorialen Breiten und der südlichen Hemisphäre findet. Ein Beispiel sind die Loranthaceae (Riemenblumengewächse), eine den Misteln ähnliche Gruppe. Hier konnten unsere kombinierten palynologischen und molekularen Studien zeigen, wie diagnostisch Pollenmerkmale in dieser Pflanzenfamilie sind und dass ihre Evolution 20 Millionen Jahre früher begann als bisher angenommen. Unsere Hoffnung ist das unser Projekt einen Pilotcharakter hat, und andere Forscher dazu inspiriert über ihre Teetassenränder hinauszuschauen und in Kontakt zu treten mit Forschern anderer Disziplinen. Überdisziplinäre Forschung kann beschwerlich sein, aber ihre Ergebnisse machen die Mühen wett.